Abspaltung des Kosovo Abhängig unabhängig
Berlin - Das Problem ist die Staatsgewalt. Ein Staatsvolk und ein Staatsgebiet hat das Kosovo schon, jetzt braucht es nur noch eine eigene Verwaltung, Gerichte, Polizei und Armee und einige andere Institutionen, die einen Staat per Definition zum Staat machen. An vielen Stellen hilft noch die EU aus - und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Die Kosovo-Albaner feiern zwar die Abspaltung von Serbien, aber als Staat wollen Experten das Kosovo noch nicht bezeichnen.
Was ist das Kosovo dann, wenn es keine serbische Provinz mehr ist, aber auch eigener Staat? Als "Protektorat" und "neue Form des Kolonialismus" bezeichnet Norman Paech, emeritierter Professor für Völkerrecht und Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion, den Status der ehemaligen serbischen Provinz. Denn das Kosovo könne derzeit nicht auf eigenen Beinen stehen, sei auf den Schutz und die Hilfe der EU angewiesen.
Daniel-Erasmus Khan, Professor für Völkerrecht an der Universität der Bundeswehr München, spricht hingegen von einem "stabilisierten De-facto-Regime", also von einem staatsähnlichen Gebilde. Juristisch steht das Gebilde Kosovo auf recht wackligen Beinen: "Die Unabhängigkeit des Kosovo ist völkerrechtlich problematisch", sagt Khan. Zwar hat jedes Volk ein Recht auf Selbstbestimmung, doch könne sich ein Gebiet nicht einfach aus einem Staatenverbund herauszulösen. Im Völkerrecht ist das im äußersten Fall erlaubt, wenn schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die ansässige Bevölkerung verübt worden sind.
Serbien, dem das Kosovo ja bis vor kurzem angehörte, hat sich nach dem Krieg im Jahr 1999 aber nichts zuschulden kommen lassen. "Das demokratische Serbien, das brav wählt, wurde nun für die Fehler seiner Vorgänger bestraft", sagt Khan. Die Serben hatten nicht einmal die Chance zu beweisen, dass sie die rund zwei Millionen Albaner, die das Kosovo bewohnen, auch anständig behandeln würden. "Bei der EU standen die Zeichen von Anfang an auf Unabhängigkeit", sagt Khan.
Ob andere Staaten das Kosovo als Staat anerkennen oder nicht, ist hingegen nicht unbedingt entscheidend für dessen Status: Es ist Fakt, dass das Kosovo unabhängig ist, egal, was Staaten was Russland, Zypern oder Spanien davon halten. Die Bundesrepublik hatte die DDR ja auch nie offziell anerkannt - die Rede war stets von der "sogenannten" DDR oder der "DDR" in Anführungszeichen. Dennoch existierte der Staat mehr als 40 Jahre. Solange es Länder gibt, die das Kosovo anerkennen, ist zumindest ein gewisser außenpolitischer Handlungsspielraum gewährleistet.
Allerdings ist bisher noch nicht klar, wie viele Länder das Kosovo überhaupt anerkennen werden. Derzeit verhandelt der Sicherheitsrat. Russland hat sein Veto bereits angekündigt. "Ich glaube nicht, dass die Uno zustimmt", sagt Paech. International wird das Kosovo wird also einen schweren Stand haben.
Jetzt geht die Angst um, dass die Unabhängigkeitsbestrebungen eine Eigendynamik entwickeln: Einige europäische Länder wie Spanien und Frankreich haben selbst Probleme mit Seperatisten. Basken und die Korsen könnten sich bestärkt fühlen - und Bomben legen. "Die Unabhängigkeit destabilisiert den Balkan und bietet ein Vorbild für andere Völker, die sich abspalten wollen. Das wird jetzt weiter gehen", sagt Paech. Er glaubt, dass Albanien sich das Kosvo einverleiben und Großalbanien gründen möchte. Khan hält es hingegen für möglich, dass Südossetien sich bald unabhängig von Georgien erklären wird - und ein neuer Unruheherd entsteht.
Doch warum hat die EU der Unabhängigkeit des Kosovo überhaupt zugestimmt? "Für die Europäier ist das ein Prestigeprojekt", sagt Khan. Die EU wolle eben beweisen, dass der Krieg im Jahr 1999 nicht umsonst war.