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Islamisten im Irak und Syrien Al-Qaidas stärkster Mann
Bagdad/Falludscha - Abu Bakr al-Baghdadi hat einen rasanten Aufstieg hinter sich. In den vergangenen Jahren hat es der Chef der Miliz "Islamischer Staat im Irak und Syrien" (ISIS) von null auf Platz zwei der Liste der meistgesuchten Terroristen Washingtons geschafft.
Zehn Millionen Dollar sind für seine Ergreifung ausgeschrieben. Mehr gibt es nur fürAiman al-Sawahiri, Chef der globalen Qaida-Führung seit dem Tod von Osama Bin Ladens. Hinweise, die zu Sawahiris Festnahme beitragen, sind der US-Regierung bis zu 25 Millionen Dollar wert.
Unter Baghdadis Führung sind die ISIS-Kämpfer zu al-Qaidas erfolgreichstem Ableger avanciert, was ihre territoriale Ausbreitung angeht: Vom Nordosten Syriens bis hin zum Nordwesten des Iraks haben sie "Emirate" ausgerufen, Gottesstaaten, in dem sie ihre Vorstellungen von Recht und Anstand mit äußerster Brutalität umsetzen wollen.
Sein Pseudonym Abu Bakr al-Baghdadi scheint er zu verwenden, seit er im Mai 2010 die Führung der irakischen Qaida-Miliz übernommen hat. 2003 war er der Organisation beigetreten, mit Beginn des US-Einmarsches im Irak. Seinen alten Spitznamen "Abu Dua" verwendet er zwar immer noch, aber inzwischen fast nur stolz mit Doktortitel, "Dr. Abu Dua". Der neue Kampfname reflektiert seinen Ehrgeiz: Abu Bakr gehörte zu den ersten Anhängern des Propheten Mohammeds und war nach ihm der erste Kalif, oberster Mann im islamischen Gottesstaat.
Abstammung vom Propheten Mohammed
Anders als der Name es andeutet, stammt Baghdadi zwar nicht aus Bagdad, dem Zentrum des islamischen Reichs unter der Abbasiden-Dynastie. Doch er ist gebürtiger Iraker, geboren 1971 in der ebenfalls historisch bedeutsamen Stadt Samarra.
Viel Wert legt Baghdadi auf seine Abstammung. Auch sie soll ihn für höhere Aufgaben qualifizieren. Mit vollem Namen, der seinen Vater und Großvater mit auflistet sowie seine Stammesangehörigkeit, heißt er eigentlich Ibrahim Bin Awad Bin Ibrahim al-Badri al-Radawi al-Husseini al-Samarrai. Als offizielle Biografie lässt er verbreiten, dass sowohl der Vater als auch der Großvater geschätzte örtliche Notable waren und die Familie direkt vom Propheten Mohammed abstammt.
In der offiziellen Biografie, die Baghdadi über dschihadistische Foren verbreiten lässt, macht er auch klar, dass er die nötige Qualifikation mitbringt für einen Chef im Gottesstaat. So soll er er einen Doktortitel von der islamischen Universität Bagdad in islamischen Religionswissenschaften haben. Gute Theologiekenntnisse sind für einen Gotteskrieger wichtig. Schließlich setzt ISIS auf eine wortwörtliche Anwendung der islamischen Scharia-Rechtslehre als Gesetz, inklusive der drakonischen Strafen.
Von Qaida-Chef Sawahiri lässt er sich nichts vorschreiben
Baghdadis Vision vom islamischen Gottesstaat ist längst nicht mehr nur Phantasie. Er hat es geschafft, wovon Osama Bin Laden nur träumen konnte: In zwei arabischen Ländern ist Baghdadi dabei, "Emirate" auszurufen.
Als die Gewalt Syrien zerrüttete, nutzte Baghdadi die Gunst der Stunde und siedelte zwischen 2012 und 2013 vom Irak in den Nachbarstaat um. Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri forderte ihn auf, sich auf den Irak zu konzentrieren und Syrien dem anderen Qaida-Ableger, der Nusra-Front, zu überlassen. Doch Baghdadi dachte nicht daran.
Solche Ausmaße hat Baghdadis Siegeszug angenommen, dass sich nun Syriens ewig zerstrittene Rebellengruppen gegen ihn vereinen, um ihn doch noch aufzuhalten. Derzeit kämpfen die syrischen Rebellen nicht nur gegen Baschar al-Assad, sondern haben auch einen Feldzug gegen die Kämpfer Baghdadis ausgerufen. Vielen Syrern ist ISIS zu extrem und brutal.
Im Irak versuchen Sondereinheiten zusammen mit örtlichen Stammesmilizen die ISIS-Kämpfer zurückzuschlagen. Seit Tagen belagern sie die Stadt Falludscha, nur rund 70 Kilometer von Bagdad entfernt. Doch noch immer weht die schwarze Qaida-Flagge von ISIS über Teilen der Stadt. Iraks Premierminister Nuri al-Maliki hat die Bewohner aufgefordert, sich selbst zu helfen.