Ägypten Islamkritiker Abdel-Samad offenbar in Kairo entführt

Der deutsch-ägyptische Schriftsteller Hamed Abdel-Samad soll in Kairo entführt worden sein. Er habe ohne seinen Leibwächter das Hotel verlassen, berichtet eine ägyptische Zeitung. Hassprediger hatten zuvor zum Mord an dem Islamkritiker aufgerufen.
Publizist Abdel-Samad: Von Kidnappern verschleppt?

Publizist Abdel-Samad: Von Kidnappern verschleppt?

Foto: Inga Kjer/ dpa

Kairo - Gerüchte über eine angebliche Entführung des deutsch-ägyptischen Schriftstellers Hamed Abdel-Samad haben unter den Fans und Freunden des Islamkritikers große Sorge ausgelöst. Der 41-Jährige, der seit 23 Jahren in Deutschland lebt und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, soll am Sonntag während eines Besuchs in Kairo entführt worden sein. Die ägyptische Zeitung "Youm7" berichtete, der Bruder des Autors, Mahmud Abdel-Samad, habe sich mit dieser exklusiven Information an das Blatt gewandt.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen vom Montag ermittelt die Polizei bereits gegen unbekannt. Ein Beamter sagte, es sei nicht auszuschließen, dass radikale Extremisten für das Verschwinden des Publizisten verantwortlich seien.

Der Schriftsteller soll nach Angaben von "Youm7" am Sonntagnachmittag sein Hotel verlassen haben, ohne seinen Leibwächter mitzunehmen und ohne diesem zu sagen, was er vorhabe. Als er sich jedoch seinem Ziel in der Nähe des Azhar-Parks in Kairo genähert habe, habe er seinen Bodyguard angerufen und ihm berichtet, dass er sich verfolgt fühle: Ein schwarzes Auto sei ihm seit dem Verlassen des Hotels gefolgt. Um 16.15 Uhr habe sich Abdel-Samads Spur dann verloren. Am Montag ging er nicht an sein deutsches Handy.

Militante Islamisten hatten im Sommer zum Mord an dem in Ägypten umstrittenen Autor aufgerufen, nachdem dieser bei einem Vortrag im kleinen Kreis in Kairo den Muslimbrüdern "Islamfaschismus" vorgeworfen hatte. "Kurz darauf begann im Internet eine Hetzkampagne gegen mich, auf Facebook erschienen mehrere Seiten mit Fotos von mir, auf denen "Wanted Dead!" geschrieben war", sagte Abdel-Samad damals gegenüber SPIEGEL ONLINE. Er nehme die Drohungen sehr ernst, zumal auch die Adressen von Orten in Kairo veröffentlicht sein worden, an denen er sich regelmäßig aufhalte. Das ägyptische Innenministerium soll dem Autor auf dessen Drängen für seine Aufenthalte in Ägypten dann einen Leibwächter zur Verfügung gestellt haben.

"Vom Islam zum Wissen konvertiert"

Ob es sich beim Verschwinden des Autors tatsächlich um eine Entführung handelte, war am Montagmittag noch unklar. Die deutsche Botschaft in Kairo habe vorerst keine Bestätigung für ein Kidnapping, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Der Botschafter in Kairo, Michael Bock, stehe im Kontakt mit der ägyptischen Regierung. Die Bundesregierung verlangt demnach "schnellstmögliche" Aufklärung über das Schicksal des Publizisten. In den Fall schaltete sich auch der Krisenstab des Auswärtigen Amts ein.

Abdel-Samad, der von sich selbst sagt, er sei "vom Islam zum Wissen konvertiert", wurde einem größeren Publikum 2010 durch das Satire-Format "Entweder-Broder - Die Deutschland-Safari" in der ARD bekannt. An der Seite von Henryk M. Broder fuhr er für die Show mit dem Auto quer durchs Land, um Stippvisiten bei den verschiedensten Milieus von NPD-Wählern bis ehemaligen SED-Funktionären zu machen. Der Erkenntnisgewinn der insgesamt über drei Staffeln laufenden Show war begrenzt, zu oft ergaben sich Broder und Abdel-Samad dem Wettbewerb, wer besser überrumpeln und provozieren konnte.

Als der Arabische Frühling begann, lernten die deutschen TV-Zuschauer einen anderen, deutlich ernsthafteren Abdel-Samad kennen. Als Experte vor allem für sein Geburtsland Ägypten erklärte er in Talkshows und Sondersendungen immer wieder, warum er die Aufstände im arabischen Raum für einen Glücksfall für die Demokratie halte, und warb leidenschaftlich um die Unterstützung des Westens. Auch nach dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi gab er sich hoffnungsvoll, dass Ägypten eine friedliche Zukunft bevorstehe.

Parallel zu seinen Fernsehauftritten, Vorträgen und Gastbeiträgen veröffentlichte Abdel-Samad mehrere Sachbücher zu den Themenkomplexen Islam und Arabischer Frühling. Dazu gehören "Der Untergang der islamischen Welt" sowie der autobiografisch geprägte Band "Mein Abschied vom Himmel".

Anhänger von Abdel-Samad starteten auf der Website change.org eine Petition , in der die Bundesregierung aufgerufen wird, alles zu tun, um den Autoren zu befreien. Am Montagmittag hatten bereits 2000 Menschen unterschrieben.

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