Ägypten Kopten feiern angespannte Weihnachten

Weihnachtsmesse in der Kathedrale von Kairo: Mehr Besucher als sonst
Foto: Mohamed Omar/ dpaDie Vorbereitungen auf die Weihnachtsmesse liefen gerade auf vollen Touren, als eine Nachricht eintraf, die alle gefürchtet hatten. Es hieß, am späten Donnerstagnachmittag sei in einer Kirche wieder eine Bombe gefunden worden, diesmal im oberägyptischen Minya. Die Putzfrau hatte die verdächtige Dose beim Kehren gefunden und gleich die Polizei informiert. Erst Stunden später war klar, dass sich in der Dose zwar Nägel wie bei der Bombe in befanden, doch statt richtigem Sprengstoff lediglich Feuerwerkskracher. Ein hässlicher Streich und eine traurige Bestätigung für die koptische Gemeinde in , dass ihre Ängste seit dem blutigen Anschlag vom Neujahrsmorgen begründet sind.
Al-Qaida im Irak hatte schon im Oktober angekündigt, koptische Einrichtungen in Ägypten anzugreifen. Grund waren Berichte über zwei Koptinnen, die zum konvertieren wollten und von der koptischen Kirche versteckt worden sein sollen, um sie daran zu hindern. Islamistische Gruppen hatten daraufhin Demonstrationen organisiert und al-Qaida rechtfertigte mit der Geschichte ihre Angriffe auf im Irak. Auch im Internet griffen extremistische Webseiten das Thema auf und drohten der koptischen Kirche in Ägypten. Dort sollen auch Anleitungen zum Bombenbau zu finden gewesen sein - und eine Liste von Kirchen als mögliche Anschlagsziele.
Auch die St.-Markus-und-Petri-Kirche in Alexandria soll auf dieser Liste gestanden haben. Doch trotz der Warnungen sicherten nur vier Polizisten am Silvesterabend das Gebäude, vor dem kurz nach Mitternacht die Bombe explodierte, die 23 Menschen in den Tod riss und mehr als hundert verletzte.
Das Weihnachtsfest, das die nach dem Julianischen Kalender am 6. und 7. Januar begehen, sollte ganz im Gedenken an die Opfer des Anschlags stehen. Und trotz weiterer Drohungen auf islamistischen Webseiten, am Weihnachtsabend erneut Kirchen zu attackieren, gingen in diesem Jahr auch viele zum Gottesdienst, die sonst lieber zu Hause bleiben.
"Entweder wir leben gemeinsam oder wir sterben gemeinsam"
Auch zahlreiche Muslime besuchten die Weihnachtsmesse. "Ich will ein Zeichen setzen und meinen koptischen Nachbarn und Freunden zeigen, dass ich zu ihnen stehe in dieser schweren Zeit", sagt Alaa Hassan, der in der Nähe der Pyramiden lebt. Muslimische Intellektuelle und Aktivisten hatten zum Kirchgang aufgerufen, um Solidarität auszudrücken und gleichzeitig als lebendes Schutzschild für die koptische Minderheit im Land zu fungieren. "Ich weiß, dass es vielleicht nicht sicher ist, aber entweder wir leben gemeinsam oder wir sterben gemeinsam, wir sind alle Ägypter", sagt Sherine Mohamed, eine 50-jährige Hausfrau.
Viele Menschen schafften es jedoch nicht zur Weihnachtsandacht. Die Sicherheitsvorkehrungen waren am Donnerstagabend so hoch, dass Straßen stundenlang blockiert waren. Nur im Schneckentempo ging es durch die 18-Millionen-Metropole . Die Gegend um die Kathedrale in Abasseya war komplett abgesperrt, kein Auto, nicht mal Fußgänger konnten die anliegenden Straßen passieren. Die etwa 3000 geladenen Gäste mussten langwierige Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen. Etwa 2000 Sicherheitskräfte waren in und um die Kathedrale positioniert.
Zur Messe, die der koptische Papst Shenouda III. hielt, waren auch etliche Muslime geladen. Unter ihnen ausländische Gäste, die Söhne des Staatspräsidenten, Gamal und Alaa Mubarak, Schauspieler und sogar der umstrittene Fernsehprediger Amr Khaled.
In vielen anderen Kirchen wurden die Gläubigen schon früh nach Hause geschickt. Die Weihnachtsmesse beginnt normalerweise gegen 7 Uhr am Abend und endet nie vor 24 Uhr. In diesem Jahr jedoch schlossen viele Kirchen schon um 9 Uhr die Türen, um die Gefahr eines Anschlags so gering wie möglich zu halten.
Viele Christen sind arm
Benachteiligt fühlen sich die Kopten schon lange. Sie stellen sechs bis zwölf Prozent der Bevölkerung und fühlen sich oft zu Recht von Staat und Gesellschaft diskriminiert. Eine Karriere im Staatsdienst ist selten. Ein großer Teil der Christen gehört zu den Ärmsten der Armen. Doch es gibt eine gut situierte Mittelschicht und einige vermögende Kopten, die vor allem in der Privatwirtschaft erfolgreich sind. "35 Prozent der Privatwirtschaft in Ägypten sind laut der Amerikanischen Handelskammer in der Hand von Kopten", sagt Youssef Sidhom, Chefredakteur der koptischen Wochenzeitung "Watani".
Zu Auseinandersetzungen kommt es immer wieder und aus vielerlei Gründen. Eine verbotene Liebesgeschichte zwischen einem Muslim und einer Christin, das Gerücht, dass eine Christin dazu gezwungen wurde, zum Islam zu konvertieren, Streitereien über Grundstücke und Ländereien, eine nicht genehmigte Kirche. Und die Zusammenstöße werden schärfer.
Trotzdem glauben die meisten Kopten nicht, dass die Situation eskalieren wird. Viele sind dankbar und tief berührt von den Sympathiebekundungen ihrer muslimischen Freunde und Bekannten. "Alle Muslime in meinem Umfeld bemühen sich ungemein mir zu zeigen, wie sehr sie den Anschlag verurteilen", sagt Maryam Fekry. Dass der Anschlag in Alexandria religiös motiviert war, glaubt sie nicht. Die Mehrheit der Kopten und Muslime scheint sich einig zu sein, dass er politische Hintergründe hatte. "Die Menschen, die so etwas tun, wollen Ägypten spalten", sagt der muslimische Taxifahrer auf der Heimfahrt vom Gottesdienst. "Aber das werden sie nicht schaffen." Selten waren sich Muslime und Kopten in letzter Zeit so einig.