
Prozess: Ägyptens Ex-Präsident vor Gericht
Ägypten Prozess gegen Mursi nach Tumulten auf Januar vertagt
Kairo - Der Prozess gegen den ehemalige Staatschef Ägyptens Mohammed Mursi ist auf den 8. Januar vertagt worden. Zuvor war es beim Prozessauftakt gegen den Islamisten am Montagmorgen zu Tumulten gekommen. Mursi wurde danach nach Angaben des ägyptischen Fernsehen ins Gefängnis Borg el-Arab bei Alexandria gebracht, die anderen Mitangeklagten wieder in das Kairoer Tora-Gefängnis.
Der Ex-Präsident war im Gerichtssaal in einem dunklen Anzug statt in Häftlingsuniform erschienen. Es war der erste öffentliche Auftritt des Ex-Präsidenten, seit er am 3. Juli nach Massenprotesten vom Militär entmachtet worden war. Seine ersten Worte: "Was hier jetzt passiert ist ein Militärputsch. Ich bin außer mir, dass die ägyptische Justiz als Feigenblatt benutzt werden soll für diesen kriminellen Putsch."
Der Richter ordnete Mursi an, die weiße Kleidung eines Untersuchungshäftlings anzuziehen. Doch der weigerte sich und sagte: "Ich bin Ihr rechtmäßiger Präsident und Sie sind nicht rechtmäßig!" Mehrere Angeklagte riefen: "Nieder mit der Militärdiktatur!"
Journalisten, die im Gerichtssaal anwesend waren, berichteten von "absolutem Chaos". "Die 14 Angeklagten und ihre Anwälte skandierten gegen die Armee, während manche Anti-Mursi-Journalisten laut die Todesstrafe forderten", twitterte Patrick Kingsley von der britischen Zeitung "The Guardian". "Es gab Raufereien zwischen verschiedenen Anwälten und irgendjemand versuchte, einen Schuh zu werfen."
20.000 Polizisten im Einsatz
Der Richter unterbrach die Sitzung zehn Minuten nach Beginn. Er hatte zuvor angekündigt, dass er keine Störungen dulden wolle. Eine Stunde später nahm der Richter den Prozess wieder auf, vertagte ihn nach erneuten Zwischenrufen der Angeklagten jedoch ein zweites Mal. Nun soll der Prozess am 8. Januar erneut beginnen. Sollte Mursi auch dann sich weigern, die Autorität des Gerichts anzuerkennen, könnte er durch einen Anwalt vertreten werden.
Am Montagmorgen war das Verfahren gegen Mursi und 14 andere Funktionäre der inzwischen verbotenen Muslimbruderschaft gestartet worden. Der ehemalige Staatschef wurde in einem Hubschrauber zum Prozessort gebracht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Präsidenten und den anderen Angeklagten vor, sie hätten ihre Anhänger zur Tötung von oppositionellen Demonstranten im Dezember 2012 angestiftet. Konkret lautet die Anklage gegen Mursi "Aufruf zum Mord".
Hunderte Anhänger der entmachteten Islamisten protestierten am Morgen vor der Polizeiakademie. Sie riefen: "Islamisch, islamisch, Ägypten bleibt islamisch." Ein Demonstrant trug ein Transparent mit der Aufschrift "Vergewaltigung des Willens des Volkes".
Der Prozess droht, die Spannungen im Land wieder anzuheizen. Manche Anhänger der Muslimbruderschaft zeigten sich ermuntert durch den unnachgiebigen Auftritt von Mursi. Vorsorglich mobilisierte das Innenministerium 20.000 Polizisten, um den Behelfs-Gerichtssaal im Kairoer Stadtteil Tora zu sichern und setzte Tränengas ein.
Die Anhänger von Mursi riefen für diesen Dienstag zu neuen Protesten auf allen Plätzen Ägyptens und vor ausländischen Botschaften in Kairo auf. Die Aktionen sollen unter dem Motto "Die Welt bejubelt die Standfestigkeit des Präsidenten" stehen.
Abgeschottet von der Umwelt
Seitdem Mursi nach Massenprotesten vom Militär abgesetzt wurde, wird der 62-Jährige an einem geheimen Ort abgeschottet von der Umwelt festgehalten. Ob er nun bis zum 8. Januar weiterhin in de facto Isolationshaft bleiben soll, ist unklar.
Bei seinem Auftritt im Gerichtssaal machte Mursi nicht den Eindruck, dass er schlecht behandelt worden sei. Er hatte kein Gewicht verloren und sah auch sonst normal aus. Andere Angeklagten jedoch gaben an, dass sie gefoltert worden seien.
Mursi war der erste frei und demokratisch gewählte Staatschef Ägyptens. Mit seiner Rücksichtslosigkeit im Amt hatte er immer mehr Menschen gegen sich und die Muslimbruderschaft aufgebracht. Das Militär setzte ihn am 3. Juli ab. Seitdem ist General Abd al-Fattah al-Sisi der wichtigste Mann im Staat. Die Islamisten weigern sich, den Sturz Mursis anzuerkennen.
Mahnung aus Deutschland
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) mahnte Ägypten zur Einhaltung von "rechtsstaatlichen Grundsätzen". Das Auswärtige Amt appellierte erneut an die neue Führung in Kairo, die islamistische Muslimbruderschaft in den politischen Dialog einzubinden. Das Land werde hoffentlich bald wieder zu einer verfassungsmäßigen Ordnung und demokratischen Verhältnissen zurückkehren, sagte Ministeriumssprecher Martin Schäfer.
Am Sonntag hatte US-Außenminister John Kerry Ägypten besucht - es war der erste Besuch eines hohen US-Regierungsvertreters seit dem Sturz von Mursi. Kerry sagte Ägyptens Interimskabinett Unterstützung zu, mahnte aber faire und freie Wahlen an.