Machtkampf in Ägypten Militär übernimmt Kairo

Machtkampf in Ägypten: Militär übernimmt Kairo
Foto: Hassan Ammar/ AP/dpaKairo/Hamburg - In Ägypten übernimmt das Militär Stück für Stück die Kontrolle. Gepanzerte Fahrzeuge sind an strategisch wichtigen Punkten Kairos, wie den Nilbrücken, aufgefahren. Außerdem haben sie das Gebiet im Osten Kairos umstellt, an dem sich die Anhänger von Präsident Mursi zu einer Großdemonstration versammelt haben.
Am Abend hatten die Behörden zudem ein Ausreiseverbot gegen den Staatschef, den Obersten Führer der Muslimbrüder, Mohammed Badi, sowie dessen Stellvertreter Chairat al-Schatir verhängt. Armeeeinheiten riegelten die Kasernen der Republikanischen Garden, in denen sich Mursi tagsüber aufgehalten haben soll, mit Straßensperren und Stacheldraht ab. Gelal al-Haddad, Sprecher der Muslimbrüder, sagte am Abend, dass der Kontakt zum Präsidenten abgerissen sei. Niemand wisse genau, wo er sich derzeit aufhalte.

Militärputsch in Ägypten: Panzer und Soldaten auf den Straßen
Die Regierungsgegner, die sich zu Hunderttausenden rund um den Tahrir-Platz in Kairo versammelt haben, bejubelten das Militär. Zuvor war am Nachmittag ein an Präsident Mursi gerichtetes Ultimatum der Armee ergebnislos verstrichen. Am späten Nachmittag trafen die Militärs mit Vertretern der Opposition zusammen. Ein Ergebnis der Gespräche sollen der Verhandlungsführer der Opposition, Mohamed ElBaradei, der koptische Papst Tawadros und Scheich Ahmed al-Tajeb - als Imam der Azhar-Moschee einer der höchsten islamischen Geistlichen des Landes - am Abend verkünden.
Sie warten gespannt auf die für den Abend angekündigte Erklärung der Armeeführung. Darin wollte Verteidigungsminister Abdel Fatah al-Sisi einen Fahrplan für die Lösung der Staatskrise am Nil verkünden.
Diplomaten treten in Streik
Soldaten besetzten zudem das Gebäude des Staatsfernsehens in Kairo, das nur einen knappen Kilometer vom Tahrir-Platz entfernt liegt. In den Senderäumen kontrollieren Militärzensoren das Programm. Auch in der Redaktion der größten Tageszeitung "al-Ahram" sind Armeeangehörige eingerückt.
In Suez, Alexandria und anderen Städten marschierte ebenfalls das Militär auf. In Kafr al-Scheich, einer Stadt im Nildelta, lieferten sich Gegner und Anhänger des Präsidenten Straßenschlachten. Mindestens zehn Menschen wurden laut "al-Ahram" verletzt, als die Kontrahenten mit Schrotgewehren und Messern aufeinander losgingen.
Am Abend erklärten 93 ägyptische Diplomaten gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Mena, sie würden ihre Arbeit solange einstellen, bis Mursi seinen Rücktritt erklärt habe.
Die Muslimbrüder haben ihre Anhänger zum friedlichen Widerstand gegen ein Eingreifen der Armee aufgerufen. Präsident Mursi sei der legitime Staatschef Ägyptens und dürfe nicht von Rowdies und Spaltern gestürzt werden. In Nasr City, einem Stadtteil im Osten Kairos, versammelten sich erneut Zehntausende Anhänger der Islamisten. Einige von ihnen waren bewaffnet. Auch hier verstärkte das Militär am Abend seine Präsenz.
Mursis außenpolitischer Berater Issam al-Haddad gab am Abend einen dramatischen Appell auf seiner Facebook-Seite ab . "Lasst uns die Ereignisse als das bezeichnen, was sie sind: ein Militärputsch." Er räumte ein, dass die Unterstützung für Präsident Mursi bei vielen Ägyptern gesunken sei. Doch die Muslimbrüder seien nicht für alles verantwortlich, was im Land schieflaufe. Die Botschaft, die von Ägypten in die islamische Welt getragen werde, laute: "Demokratie ist nichts für Muslime."
Das US-Außenministerium zeigte sich "sehr besorgt" über die Entwicklungen in Kairo. Washington könne nicht mit Sicherheit sagen, ob ein Putsch in Ägypten laufe, allerdings seien alle Seiten aufgerufen, an den Verhandlungstisch zu kommen und eine friedliche Lösung zu finden, sagte Außenamtssprecherin Jennifer Psaki.
Die USA hatten zuvor ihre Botschaft in Kairo und das Generalkonsulat in Alexandria geschlossen. Das Personal sei angehalten, mit seinen Familien das Land zu verlassen, bis sich die Lage dort wieder beruhigt habe. In Europa stehen etwa 500 US-Marines bereit, um die Vertretung zu schützen, falls es zu Übergriffen gegen diplomatische Einrichtungen kommen sollte.