Konzept ab 2014 Nato schränkt Afghanistan-Mission radikal ein

Nato-Soldaten in Afghanistan: Keine Fortsetzung der bisherigen Mission
Foto: Szilard Koszticsak/ dpaBerlin - Die Nato will ihre Afghanistan-Mission nach dem Abzug der Isaf-Kampftruppen Ende 2014 stark eingrenzen. Das werden die Verteidigungsminister am Dienstag in Brüssel beschließen. Ein als geheim eingestuftes Strategiepapier schließt für die Nato-Soldaten jegliche Teilnahme an Kampfmissionen und die Begleitung von Operationen der afghanischen Armee nach 2014 strikt aus. Zudem sollen Trainings nur in bewachten Ministerien und Kommandozentren stattfinden. So soll ein "minimaler Risiko-Level" eingehalten werden, heißt es in Dokumenten, die SPIEGEL ONLINE vorliegen.
Mit dem 24-seitigen "Strategic Planning Assessment" (SPA) formuliert die Nato erstmals konkret ihre Planung. Die neue Mission trägt den etwas euphorischen Namen "Resolute Support" - "Entschlossene Unterstützung". Das Papier nennt zwar keine Zahlen für das künftige Nato-Kontingent, legt aber die wichtigsten Eckpunkte für den Einsatz nach 2014 fest. Als "notwendige Voraussetzung" für die Mission fordern die Verteidigungsminister eine gültige Uno-Resolution und ein formales Truppenabkommen, das die Immunität der internationalen Soldaten garantieren soll. Über diese beiden Punkte gibt es seit Monaten Streit mit der Regierung von Afghanistans Präsident Hamid Karzai, der sich zunehmend störrisch zeigt.
Das Dokument spiegelt den Unwillen der Nato-Nationen wider, sich mit der Trainingsmission in Afghanistan in eine neue, möglicherweise verlustreiche Operation ziehen zu lassen.
8000 bis 12.000 Soldaten am Hindukusch?
Insgesamt, so das Dossier, müsse der Einsatz so geplant werden, "dass er nicht wie eine schlichte Weiterführung der bisherigen Nato-Mission interpretiert werden kann". Sorgsam wird deswegen festgelegt, dass sich die Ausbilder auf keinen Fall an Anti-Terror-Operationen beteiligen dürfen. Kategorisch ausgeschlossen wird auch ein Einsatz beim Kampf gegen die florierende Drogenindustrie am Hindukusch.
Wie groß die Trainingstruppe am Ende sein wird, ist längst nicht klar. Intern wird in Brüssel aber immer wieder von 8000 bis 12.000 Soldaten gesprochen. Da sich Kabul und Washington bis heute auf ein formales Truppenstatut nicht einigen können, wollen die USA keine Zahl für ihr Kontingent nennen. Die anderen Nationen wiederum richten sich stets nach der Vorgabe des größten Nato-Landes. Für Deutschland hat die Regierung zwar 600 bis 800 Soldaten in Aussicht gestellt, aber auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wird in Brüssel erneut auf ein Uno-Mandat als unerlässliche Bedingung für eine Mission pochen.
Gefahr durch Taliban-Anschläge
Bis zum Ende der Isaf-Mission im Dezember 2014 erwartet die Nato in Afghanistan keine grundlegende Änderung der angespannten Sicherheitslage. Die Analyse fällt düster aus. "Das strategische Umfeld wird herausfordernd bleiben", heißt es in dem Papier. Die Führung des Landes bleibe "angreifbar" für Machtmissbrauch und Bestechungsgelder der Drogenmafia. Die Taliban hingegen sieht die Nato nicht geschwächt: Auch 2015 würden sie "ihre Fähigkeit aufrechterhalten, afghanische und internationale Soldaten ins Visier zu nehmen, vornehmlich durch asymmetrische Angriffe wie Innentäter-Attacken und selbstgebaute Bomben".
Deshalb betont die Nato in ihrem Dokument den Eigenschutz der internationalen Ausbilder, die "auf ihre eigenen Fähigkeiten angewiesen sein werden, um einen robusten Schutz für die Truppen zu sichern". Die Begrenzung der Trainings auf die Ministerien und die Kommandoebene soll grundsätzlich verhindern, dass die Nato-Truppen in Kämpfe verwickelt werden. Ebenso will die Nato für die eigenen Leute eine gut ausgerüstete und mobile Eingreiftruppe aufstellen. Diese "Quick Reaction Force" (QRF) soll im Notfall auch zivile westliche Entwicklungshelfer retten. Zudem sollen die Nationen selbst solche Einheiten aufstellen.
Afghanische Stammesführer entscheiden
Die vielen Einschränkungen im Nato-Konzept passen durchaus zur deutschen Vision des Post-2014-Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan. Erst kürzlich briefte der Befehlshaber der Bundeswehr seine Kommandeure, deutsche Ausbilder würden nach 2014 ausschließlich "behind the wire" agieren, also im eigenen Lager oder in Kommandozentralen und Ministerien der Afghanen. Allerdings sieht das Nato-Konzept vor, dass die ausländischen Truppen in Notlagen auch bei zivilen Projekten der internationalen Gemeinschaft helfen sollen. Dazu müssten Kampftruppen bereitgehalten werden.
Ob die neue Afghanistan-Mission überhaupt kommt, hängt von den Afghanen ab. Vor einigen Tagen berichtete der amerikanische Nato-Vertreter in geheimer Sitzung, ein zwischen Präsident Karzai und US-Außenminister John Kerry ausgehandeltes Truppenstatut werde am 23. November der Loya Jirga, der traditionellen Versammlung der 3000 afghanischen Stammesführer, zur Abstimmung vorgelegt. Der jetzige Text enthält laut dem Diplomaten eine Klausel über die von Karzai bisher stets abgelehnte Immunität der US-Soldaten und die Berechtigung, auf afghanischem Boden gegen Terroristen von al-Qaida vorzugehen.
Gegen beides hatte sich Karzai in den vergangenen Monaten vehement gesperrt. Aus Sicht der Nato, so ein ranghoher General der Allianz vor einigen Tagen, sei es nun an dem Staatschef, die Loya Jirga von dem Abkommen zu überzeugen. "Wenn dies scheitern solle, das hat John Kerry Präsident Karzai sehr klargemacht, werden alle internationalen Soldaten bis Ende 2014 sein Land verlassen", sagt der Nato-Mann.