Afghanistan Briten planten Taliban-Trainingscamp

Unterstützung für die Taliban, Kooperation mit dem Gegner? Dem afghanischen Geheimdienst ist ein USB-Stick in die Hände gefallen, der eine brisante Operation der Briten aufdeckt: Sie versuchten offenbar, einen Keil zwischen die Fraktionen des Gegners zu treiben - dafür wollten sie sogar Taliban ausbilden.

Berlin - Britische Agenten haben offenbar geplant, in Afghanistan ein Trainingscamp für Taliban einzurichten, indem bis zu 2000 Soldaten und Offiziere ausgebildet werden sollen. Das berichtet die britische Tageszeitung "The Independent" in ihrer heutigen Ausgabe; die Informationen stammten aus afghanischen Geheimdienstkreisen.

Nach Angaben aus Kabul sollen Vertreter der britischen Regierung im vergangenen Jahr versucht haben, einen Keil zwischen zwei Fraktionen der Taliban zu treiben.

Ziel der Operation sei es gewesen, die in der Provinz Helmand stehenden Rebellen mit Hilfe verbündeter Taliban zu bekämpfen. Ein USB-Stick, der dem afghanischen Geheimdienst im Dezember bei einer Kontrolle von Diplomaten in die Hände gefallen war, soll eine detaillierte Aufstellung der geplanten und bereits geleisteten Unterstützung durch die Briten geliefert haben. Die Diplomaten trafen sich in Helmand mit lokalen Würdenträgern und Taliban-Sympathisanten zu Gesprächen.

Auf dem Datenträger war angeblich ein Drei-Stufen-Plan gespeichert, der als "European Union Peace Building"-Plan bezeichnet wird. In der dritten Stufe sollten sogar militärische Trainingscamps für die einstigen Gegner errichtet werden.

125.000 Dollar sollen die Briten im vergangenen Jahr für das Projekt ausgegeben haben, für 2008 waren noch einmal 200.000 Dollar eingeplant. Außer militärischem Training wollten sie den Taliban auch zivile Hilfe zukommen lassen - zum Beispiel in Landwirtschaft und der Bewässerungstechnik. Handys, Laptops und sichere Satellitentelefone sollen den Taliban bereits ausgehändigt worden sein.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai hatte damals mit Empörung auf das Vorgehen der Diplomaten reagiert. Er sei von den Briten nicht in die Operationen eingeweiht worden; es handele sich um eine Einmischung in "Angelegenheiten nationaler Sicherheit", sagte er.

Karsai hatte den beiden Beschuldigten - dem britischen Uno-Diplomaten Michael Sample und dem in EU-Mission reisenden Iren Mervyn Patterson - unmittelbar nach dem Zwischenfall ein Ultimatum von 48 Stunden gestellt, das Land zu verlassen. Ihre afghanischen Begleiter - darunter ein früherer General - kamen ins Gefängnis. Die ohnehin schon angespannten diplomatischen Beziehungen zwischen Afghanistan und Großbritannien haben sich seither weiter verschlechtert.

Die Briten weisen seit Dezember standfest den Vorwurf zurück, sie hätten ohne Wissen der afghanischen Regierung eine Geheimoperation durchgeführt; der afghanische Präsident habe sehr wohl Bescheid gewusst. Premier Gordon Brown sagte, man werde weiterhin versuchen, in Afghanistan auf lokaler Ebene Freiwillige anzuwerben, um Angriffe der Taliban abzuwehren.

cvk

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