Afghanistan Bundesanwaltschaft soll wegen Luftangriff ermitteln

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden gibt das Ermittlungsverfahren um den verheerenden Luftangriff im afghanischen Kunduz an die Bundesanwaltschaft ab. Die Ermittler dort müssen jetzt die Frage klären, ob der Einsatz zulässig war. Doch Karlsruhe reagiert zurückhaltend und bittet um Geduld.
Bundeswehr-Einsatz in Kunduz: Justiz entscheidet über Ermittlungen gegen Oberst Klein

Bundeswehr-Einsatz in Kunduz: Justiz entscheidet über Ermittlungen gegen Oberst Klein

Foto: STR/ AP

Dresden - Die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen hat das Verfahren zu dem umstrittenen Luftangriff auf zwei entführte Tanklastwagen in Afghanistan an die Bundesanwaltschaft abgegeben. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe solle mögliche strafrechtliche Konsequenzen dahingehend prüfen, ob es sich in Afghanistan um einen bewaffneten Konflikt handelt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen am Freitag in Dresden mit. Geprüft werden soll außerdem, ob der von dem deutschen Oberst Georg Klein angeordnete Luftangriff im Sinne des Völkerstrafrechts zulässig war.

Bei dem Angriff in der Nähe des nordafghanischen Kunduz waren Anfang September bis zu 142 Menschen getötet worden, darunter auch Zivilisten. Mit seinem Befehl zur Bombardierung hat der Bundeswehr-Oberst nach Ansicht von Nato-Ermittlern gegen Befehle und Dienstanweisungen verstoßen. Dies gehe aus dem Untersuchungsbericht hervor, sagten hochrangige Nato-Offiziere am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Brüssel. Vor allem hätte Klein nicht selbst die Bombardierung durch US-Kampfjets anordnen dürfen.

Die sächsischen Ermittler hatten Vorprüfungen eingeleitet, um zu klären, ob ein Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren gegen den Oberst besteht. Die mögliche Schuldfrage sei mit in die Prüfungen einbezogen worden, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Wolfgang Klein. Zunächst gehe es aber um die grundsätzliche Frage, welches Recht zur Anwendung komme. Sollte auch die Bundesanwaltschaft dazu neigen, dass es sich in Afghanistan um einen bewaffneten Konflikt handele, dann müsste letztendlich untersucht werden, ob Oberst Klein sich an die Bestimmungen des Kriegsrechtes gehalten habe, sagte Oberstaatsanwalt Klein.

Laut Generalstaatsanwaltschaft würde die Feststellung eines bewaffneten Konflikts nicht nur zur Anwendung des Völkerstrafgesetzbuches führen, "sondern insgesamt zur Geltung der Regeln des humanitären Völkerrechts". "Damit wären völkerrechtliche Militäreinsätze im Rahmen eines Mandats der Vereinten Nationen grundsätzlich gerechtfertigt", erklärte die Justizbehörde.

Die Entscheidung zur Bombardierung hätte nur der Kommandeur der Afghanistan-Schutztruppe Isaf, US-General Stanley McChrystal, treffen dürfen. Die von McChrystal beauftragten Ermittler seien - so Nato-Militärs - zu dem Ergebnis gekommen, "dass der Vorfall nicht hätte passieren können, wenn alle Befehle und Vorschriften eingehalten worden wären".

Die Bundesanwaltschaft reagierte zurückhaltend auf eine mögliche Übernahme der Ermittlungen. Schon vor der Vorlage der Akten durch den Dresdner Generalstaatsanwalt seien Strafanzeigen in Karlsruhe eingegangen, heißt es in einer Mitteilung vom Freitag. Bisher habe sich aber kein Anhaltspunkt für eine Übernahme der Ermittlungen ergeben: "Nach vorläufiger Bewertung der Erkenntnisse aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben sich bisher keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat deutscher Soldaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch." Die aus Dresden übermittelten Unterlagen "bedürfen einer Überprüfung daraufhin, ob sich aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen eine abweichende Bewertung ergibt", heißt es in der Erklärung. Die Auswertung der Unterlagen werde einige Zeit in Anspruch nehmen.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kündigte an, dass er sich nach der Unterrichtung der Fraktionsexperten über einen Untersuchungsbericht der Nato zur Dresdner Entscheidung äußern werde.

Das Verteidigungsministerium dementierte am Donnerstagabend einen Zeitungsbericht, wonach sich Guttenberg dabei von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan distanzieren werde. Der Vier-Sterne-General hatte in der vorigen Woche erklärt, er sehe die Bundeswehr durch den Nato-Bericht entlastet und habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass Oberst Klein militärisch angemessen gehandelt habe. Die Opposition hält diese Bewertung nach Einsicht in den Bericht für unzulässig. Der Kommandeur ist inzwischen wieder bei seinem Heimatverband in Sachsen.

als/dpa/AP/AFP
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