Afghanistan Bundeswehrsoldat bei Jagd auf Taliban verletzt

Mitten in der afghanischen Stadt Kunduz haben sich Taliban und Sicherheitskräfte ein vierstündiges Gefecht geliefert. Dabei kamen vier Aufständische und zwei Polizisten ums Leben. Deutsche Spezialkräfte unterstützten den Einsatz - einer von ihnen wurde verletzt.
Von Matthias Gebauer und Shoib Najafizada
Bundeswehrsoldat in Afghanistan (Archivbild): Vier Stunden Kampf

Bundeswehrsoldat in Afghanistan (Archivbild): Vier Stunden Kampf

Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS

Bei einem stundenlangen Feuergefecht zwischen afghanischen Polizisten und Taliban-Kämpfern nahe der Stadt Kunduz ist in der Nacht zum Donnerstag ein deutscher Soldat verwundet worden. Der Mann hatte die lokalen Sicherheitskräfte im Zuge des sogenannten Partnerings begleitet. Die Bundeswehr bestätigte am Donnerstagnachmittag, dass ein deutscher Isaf-Soldat verletzt wurde, sein Zustand sei aber stabil. Aus Bundeswehrkreisen hieß es, der Soldat der deutschen Spezialeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) habe bei dem Gefecht einen Streifschuss am Hals erlitten, sei aber nach der Behandlung im Lazarett in Masar-i-Scharif wieder außer Lebensgefahr.

Details über den Einsatz nahe Kunduz teilte die Bundeswehr nicht mit. Es wurde lediglich angegeben, deutsche Isaf-Kräfte hätten eine Operation der Afghanen begleitet. Der Sprecher der lokalen Polizei hingegen sprach von einem gezielten Zugriff auf ein vermeintliches Versteck der Taliban am Rande von Kunduz-Stadt. "Wir hatten Informationen, dass wichtige Taliban-Führer in einem Gehöft eine Art Kommandozentrum aufgebaut hatten. Deswegen wollten wir das Haus gemeinsam mit den Deutschen durchsuchen", sagte Sayed Sarwar Hussaini zu SPIEGEL ONLINE. Doch schon als die afghanischen Einheiten, die seit Jahren vom KSK ausgebildet werden, in der kleinen Ortschaft ankamen, seien sie umgehend unter Feuer geraten.

In dem stundenlangen Gefecht seien zwei afghanische Polizisten und vier mutmaßliche Extremisten getötet worden, sagte der Sprecher. Unter den getöteten Taliban sind nach Angaben der lokalen Behörden zwei hochrangige Kommandeure namens Mullah Abd al-Wali und Mullah Saifo, die erst kürzlich aus Pakistan nach Kunduz gekommen seien. Drei Aufständische wurden demnach bei der Operation gefangen genommen. Anwohner berichteten per Telefon, im Zug des Gefechts habe es auch Luftangriffe auf das Gehöft gegeben, diese Angaben waren jedoch bisher nicht unabhängig zu bestätigen. Die Bundeswehr hält sich bei Operationen des KSK grundsätzlich mit Details zurück, die Missionen der Spezialkräfte unterliegen seit jeher der strikten Geheimhaltung.

Tatsächlich aber operiert das KSK seit Jahren immer wieder gemeinsam mit den Afghanen und spürt Taliban in Nordafghanistan auf. Dazu haben die Spezialkräfte, die unter dem Tarnnamen "TF 47" in Afghanistan agieren, eine ganze Einheit von afghanischen Polizisten trainiert und auch ausgerüstet. Bei den Zugriffen stehen die Afghanen meist an der ersten Front und führen auch die Durchsuchungen von afghanischen Gehöften durch, die Deutschen unterstützen ihre Partner meist mit Geheimdienstinformationen und anderer Logistik. Im Gegensatz zu den Amerikanern beteiligen sich die Deutschen nicht an gezielten Tötungen von mutmaßlichen Taliban oder anderen Terrorverdächtigen, schon deswegen ist der Zugriff mit vier Toten durchaus von Bedeutung.

Grünen-Politiker Nouripour fordert Aufklärung

Wie groß der deutsche Anteil an der Operation nahe Kunduz wirklich war, ist schwer einzuschätzen. Allerdings hieß es aus Militärkreisen in Kabul, dass nur eine kleine Gruppe von Deutschen die Afghanen als Berater begleitet habe. Deutschland hat seit mehr als 20 Monaten keinen Gefallenen mehr am Hindukusch zu beklagen. Zuletzt war am 2. Juni 2011 in der an Kunduz angrenzenden Provinz Baghlan ein Bundeswehrsoldat bei einem Sprengstoffanschlag getötet worden. Seitdem verläuft die Mission im Norden einigermaßen ruhig. Grundsätzlich gilt Kunduz als einer der Rückzugsorte der Taliban im Norden, neben den Radikalislamisten ist in der Region auch die ursprünglich usbekische Terror-Gruppe IBU aktiv.

In dem Stadtteil, in dem sich der Zwischenfall ereignet hat, protestierten am Donnerstag Hunderte Menschen gegen die gemeinsame Operation. Ein Trauermarsch trug die Leichen der Getöteten durch die Stadt. Die Opfer seien Zivilisten gewesen und keine Taliban, erklärten sie. Auch ein Taliban-Sprecher meldete sich kurz nach der Operation bei verschiedenen Medien. Er behauptete, die Getöteten seien keine Kämpfer oder Kommandeure gewesen. Die afghanische Polizei blieb jedoch bei ihrer Darstellung. Der Sprecher erklärte, man habe bei der Durchsuchung des Gehöfts zwei oder drei Feuerwaffen gefunden. Einen solchen Fund aber kann man in Afghanistan in fast jedem Gehöft machen.

Der grüne Verteidigungspolitiker Omid Nouripour forderte vom Verteidigungsministerium dringend Aufklärung über die Details der Operation. "Es gibt in afghanischen aber auch internationalen Medien Berichte über zivile Opfer, in den Mitteilungen der Bundeswehr aber liest man davon gar nichts", sagte Nouripour SPIEGEL ONLINE. Wie die anderen Abgeordneten des Bundestags erhielt auch der Obmann im Verteidigungsausschuss nur eine kurze Mitteilung des Einsatzführungskommandos  in Potsdam, die gleichlautend auf der Webseite der Truppe veröffentlicht wurde. "Der Minister sollte das Parlament über den Vorfall umgehend und vollständig aufklären, denn mögliche zivile Opfer bei einer gemeinsamen Operation sind ein heikles Thema", so Nouripour.

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