Afghanistan Bundeswehrsoldat zielt im Streit auf Kameraden
Berlin - Die Bundeswehr untersucht einen neuen Schusswaffen-Vorfall bei deutschen Soldaten in . Wenige Wochen nach dem tödlichen Schießunfall soll ein Soldat aus derselben Bundeswehreinheit einen Kameraden mit seiner Pistole bedroht haben. Fachleute der Bundestagsfraktionen seien am Montag vom Verteidigungsministerium darüber informiert worden.
Der Vorfall ereignete sich demnach am Freitag im Bereich des Bundeswehrlagers Masar-i-Scharif im Norden Afghanistans. Während einer Patrouille in einem Fahrzeug vom Typ Dingo sei es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen zwei Soldaten gekommen, sagte der Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam.
Dabei habe ein Stabsgefreiter die Waffe, eine Pistole P8, aus der Halterung des anderen gezogen und sie dem Hauptgefreiten an den Kopf gehalten. Der bedrohte Soldat habe die Waffe weggeschlagen, verletzt worden sei niemand. Der Vorfall sei von Soldaten gemeldet worden, die angaben, das Geschehen beobachtet zu haben.
Intern hat die Bundeswehr Ermittlungen eingeleitet. Die beiden Soldaten wurden bereits von den Feldjägern befragt und haben sich auch zu dem Vorfall geäußert. Über die Inhalte der Vernehmungen, zur Frage, was der Grund des Streits war, sind bisher keine Informationen bekannt. Klar ist, dass eine solche Bedrohung eines Kameraden gegen mehrere Dienstvorschriften verstößt und auch strafrechtlich relevant wäre.
Der Vorfall erinnert frappierend an den tödlichen Vorfall im "OP North" am 17. Dezember. Nach dem tödlichen Schuss des Obergefreiten Patrick S. auf seinen Kameraden Oliver O. im Mannschaftszelt der Einheit war zunächst von einem Unfall beim Waffenreinigen die Rede.
Später, nachdem der Kompaniechef die Soldaten zu detaillierteren Aussagen über den Vorgang gedrängt hatte, sagten mehrere Mitglieder der Einheit aus, die beiden Soldaten hätten in spielerischer Form mit Waffen aufeinander gezielt. "Hauptgefreiter S. fuchtelte mit seiner Waffe vor dem Hauptgefreiten O. herum", heißt es in einer Aussage. Ein anderer Bundeswehrangehöriger erinnerte sich, die beiden Soldaten hätten "sich gegenseitig die Waffen vor die Nase" gehalten, bevor sich der Schuss löste.
Diese Version wird auch bei den Ermittlern der Justiz Gera, die den Fall untersuchen, für wahrscheinlich gehalten. Die Staatsanwaltschaft dort ermittelt gegen den Schützen wegen fahrlässiger Tötung, das Verfahren steht aber noch am Anfang. Bisher haben die Juristen nur die Aussagen der Soldaten gegenüber den Feldjägern, die Ermittler wollen die Bundeswehrangehörigen aber noch selbst befragen. Zudem steht noch eine Untersuchung der Tatwaffe aus.
Durch den neuen Vorfall scheint der Umgang mit den Waffen gerade bei den Kampfeinheiten in Afghanistan aufklärungswürdig. Denn bei den Aussagen der Soldaten kam nach Informationen von SPIEGEL ONLINE auch heraus, dass es schon vor dem Vorfall am 17. Dezember Spiele mit Waffen gab. So sagte einer der Soldaten aus, der später getötete Soldat und ein anderer Kamerad hätten sich schon zuvor für ein Foto gegenseitig die Waffen an den Kopf gehalten.
So wurde ein Hauptgefreiter befragt, ob ihm Spiele unter den Soldaten mit ihren Dienstwaffen bekannt seien, ob es gar zu gestellten Fotos gekommen sei. Die Antwort war klar: "Ja, es wurden früher schon ein paar Fotos gemacht." Er wisse, dass es Bilder gebe, auf denen zwei Hauptgefreite "sich gegenüberstehen und ihre Waffen aufeinander richten". Das sei aber nur Spaß gewesen.
Dieser Umgang mit den Waffen scheint in der Einheit zumindest teilweise verbreitet gewesen zu sein. "Kameraden haben manchmal Poser-Fotos gemacht, bei denen sie sich mit Waffen in martialischer Pose fotografiert haben", sagte ein Hauptgefreiter gegenüber den Feldjägern aus.
Der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour zeigte sich empört über den jetzt bekannt gewordenen Vorfall. "Die Bundeswehr muss sehr genau darauf achten, dass sie solche Rabauken nicht auch noch der afghanischen Zivilbevölkerung zumutet. Ein solches Verhalten gefährdet die Sicherheit aller - auch die der Kameraden." Der SPD-Abgeordnete Rainer Arnold sprach von einem "Verlust des Respekts vor der Waffe". "Dies könnte auch etwas mit dieser hohen Belastung im Einsatz zu tun haben", sagte er.