Afghanistan-Einsatz Obama gehen die Verbündeten von der Fahne
6. Teil: Warschau - Eilfertige Aufstockung der Truppen
Wieder einmal prescht Warschau voran. Als eines der ersten Länder in Europa verspricht Polen, sein Truppenkontingent in Afghanistan von knapp 2000 auf 3000 Soldaten aufzustocken - noch bevor Washington darum überhaupt offiziell gebeten hat. Diese Eilfertigkeit Washington gegenüber hat Warschau vor allem bei den Franzosen und Deutschen in der Vergangenheit einen miesen Ruf eingetragen: Polen sei das "trojanische Pferd" der Amerikaner in einer Europäischen Union hieß es, als Warschau sich vor dem Irak-Krieg an die Seite von Präsident George W. Bush stellte und später sogar eine eigene Besatzungszone zwischen Euphrat und Tigris bezog.
Die Geschichte - so verteidigte sich Warschau damals gegen die Anwürfe - habe gelehrt, dass sich Polen neben der EU lieber auch auf einen starken Partner jenseits des Atlantiks verlassen solle. Die Regierung Bush nahm die Willfährigkeit der Polen dankend an, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld stellte das Land gar als Vorreiter eines "neuen Europa" hin. Doch heute haben sich die Bedingungen radikal geändert. Barack Obama will das noch von seinem Vorgänger in Osteuropa geplante Raketenabwehrsystem nicht bauen. Bei Redzikowo in Nordpolen wären Schächte für zehn Abwehrraketen ausgehoben worden. Doch jetzt hat Polen das Gefühl, "von der geostrategischen Landkarte" im Weißen Haus verschwunden zu sein. Und das macht viele nervös in dem etliche Male geteilten, überfallenen und besetzten Land.
Die Regierung Donald Tusk mit ihrem amerikanophilen Außenminister Radek Sikorski stockt die Truppen am Hindukusch nun auf, um wieder ins Gespräch zu kommen in Washington. Allerdings sieht sie sich wachsenden Zweifeln in der Bevölkerung gegenüber. 76 Prozent befürworten in Umfragen eine Truppenabzug aus Afghanistan. Polen habe in der Vergangenheit eher den "trojanischen Esel" gegeben, scheinen viele zu glauben. Zu willfährig sei man den Forderungen nachgekommen, ohne jemals Gegenleistungen erhalten zu haben: Noch nicht einmal die Visumspflicht bei der Einreise in die USA ist für Polen gelockert. Darüber verhandelt Warschau schon seit Jahren.
Und dass Polen ein besonderes Gewicht in der außenpolitischen Planung Amerikas hat, lässt sich auch nicht erkennen. Der Warschauer Amerika-Experte Grzegorz Kostrzewa-Zorbas empfiehlt seinen Landsleuten, die Hoffnung fahren zu lassen, von den USA Entgegenkommen für militärische Hilfe zu erwarten - zumal unter dem Friedensnobelpreisträger Barack Obama: "Wir müssen europäische Prioritäten setzen", schreibt Kostrzewa-Zorbas: "Polen sollte die Politik der Nato immer aktiver mitgestalten, dazu gehört auch, eine innere Koalition für eine Afghanistan-Strategie zu entwickeln."
- 1. Teil: Obama gehen die Verbündeten von der Fahne
- 2. Teil: Berlin - Merkel pokert bis zum Schluss
- 3. Teil: London - Brown spielt Obamas Chefassistenten
- 4. Teil: Paris - Sarkozy beschränkt sich auf vorsichtiges Lavieren
- 5. Teil: Rom - Kein Protest gegen Afghanistan-Mission
- 6. Teil: Warschau - Eilfertige Aufstockung der Truppen
- 7. Teil: Ottawa - Genug vom Krieg
- 8. Teil: Tiflis - Strategische Anbiederung an die Nato