Afghanistan-Einsatz Ramelow für Wende bei der Linken

Im Streit um den Afghanistan-Einsatz kommen Teile der Linken der SPD entgegen. Ein sofortiger Truppenabzug wäre "eine Flucht wie damals aus Vietnam", sagt der Bundestagsfraktions-Vize Ramelow. Parteichef Lafontaine widerspricht umgehend.
Thüringer Linken-Chef Ramelow: "Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug"

Thüringer Linken-Chef Ramelow: "Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug"

Foto: ddp

Berlin - In ihrer Afghanistan-Politik vollzieht die Linke offenbar eine Wende. Der Spitzenkandidat der thüringischen Linken, Bodo Ramelow, sagte in der "Welt am Sonntag" vorab: "Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug. Das wäre wie eine Flucht damals aus Vietnam."

Damit rückt der Politiker von einer Kernforderung der Linken ab. Im Wahlkampf forderte die Partei auf Plakaten "Raus aus Afghanistan", und im Programm steht, Deutschland müsse "die Bundeswehr sofort aus Afghanistan abziehen". Der Linkspartei-Vorsitzende Oskar Lafontaine wies das Ansinnen des Fraktionsvizes denn auch umgehend zurück: "Die Position der Partei ist klar: Wir sind für einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan", betonte Lafontaine am Samstag in Berlin.

Überraschend ist die Aussage Ramelows dennoch nicht. Den Radikalkurs eines sofortigen Truppenabzugs verließen Linken-Politiker schon Mitte September. Der genaue Zeitpunkt eines Abzugs sei Verhandlungssache, wiegelte das Spitzenpersonal ab. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch erläuterte im "Tagespiegel": Mit "Raus aus Afghanistan" meine seine Partei nicht "Übermorgen raus aus Afghanistan". Und der verteidigungspolitische Sprecher, Paul Schäfer, sagte damals SPIEGEL ONLINE: "Das geht natürlich nicht Hals über Kopf. Ein Abzug kann innerhalb eines Jahres umgesetzt werden. Es sollte jedenfalls nicht viel länger dauern." Nötig sei zumindest ein Signal an die Regierung in Kabul, künftig stärker selbst die Verantwortung zu übernehmen.

"Wir sind offen"

Diese Aussagen und auch Ramelows Bemerkung in der "Welt am Sonntag" könnten ein Signal an die SPD sein. "Die SPD muss sich klarwerden über einen ehrlichen Zeitplan", verlangte Ramelow von den Sozialdemokraten und fügte hinzu: "Untersetzt man den Zeitplan mit mehr Militär, ist das mit uns nicht machbar. Untersetzt man es mit mehr nachweislichem zivilem Engagement und dem stufenweisen Abzug, dann sind wir offen."

Die Linke führt derzeit Sondierungsgespräche mit der SPD in Brandenburg, im Saarland gibt man zuversichtlich für ein rot-rot-grünes Bündnis, nur in Thüringen votierte die SPD gerade für Koalitionsverhandlungen mit der CDU - und erteilte der Linken eine Absage. Ramelow hatte als thüringischer Spitzenkandidat der Linken vor der Entscheidung mit SPD und Grünen über das erste rot-rot-grüne Bündnis auf Landesebene verhandelt.

Nach den dramatischen Verlusten bei der Bundestagswahl hatten auch mehrere SPD-Politiker eine stärkere Annäherung an die Linkspartei gefordert. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit rechnet nach eigenen Worten fest damit, dass die SPD das Koalitionsverbot mit der Linken im Bund nach der Wahlniederlage bald kippen wird. "Es ist richtig, wenn die SPD sich auf ihrem Dresdner Parteitag Mitte November von dem Tabu trennt, wonach Koalitionen mit der Linkspartei für uns im Bund prinzipiell undenkbar sind", sagte der Vertreter des linken SPD-Flügels dem "Tagesspiegel am Sonntag". Dieses Tabu schade der SPD erheblich und müsse fallen.

Ob es allerdings bei der nächsten Bundestagswahl tatsächlich Koalitionsmöglichkeiten mit der Linkspartei geben werde, werde sich zeigen, sagte Wowereit. Derzeit fehlten die inhaltlichen Übereinstimmungen in zentralen Feldern. Solange die Linke in der Außen- und Sozialpolitik dogmatisch bleibe, könne es im Bund keine Bündnisse geben.

kgp/dpa/AP/Reuters
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