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Milliarden für Afghanistan: Klingelbeutel-Konferenz in Kabul

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Afghanistan-Konferenz in Tokio Geberländer versprechen Karzai neue Milliarden

Mit 16 Milliarden Dollar will die Staatengemeinschaft Afghanistan in den kommenden Jahren unterstützen. Die Zusage zum Mega-Budget für die Regierung von Hamid Karzai ist verbunden mit dringlichen Forderungen nach Reformen und besserer Regierungsführung - wieder einmal.

Tokio - Die internationale Staatengemeinschaft knüpft die Fortsetzung ihrer massiven Finanzhilfe für Afghanistan für die kommenden Jahre an konkrete Fortschritte bei Reformen durch die Regierung von Hamid Karzai. Zwar sagte eine sogenannte Geberkonferenz der Kabuler Regierung für die kommenden vier Jahre stolze 16 Milliarden Dollar an Wiederaufbauhilfe für Kabul zu, das Geld soll allerdings nur bei schnellen und greifbaren Verbesserungen bei der Regierungsarbeit, dem Kampf gegen Korruption und der Stärkung der Bürgerrechte insbesondere für Frauen fließen. "Wir geben, wir helfen", fasste Außenminister Guido Westerwelle die Gipfelergebnisse von Tokio zusammen, "aber wir überprüfen auch."

Es klingt absurd, doch mit der festen Verpflichtung für die kommenden Jahre will die Staatengemeinschaft vor allem den eigenen Weg raus aus Afghanistan ebnen. Schon vor mehr als zwei Jahren hat die Nato, derzeit noch mit mehr als 100.000 Soldaten am Hindukusch stationiert, den Abzug der Schutztruppe Isaf bis Ende 2014 beschlossen. Ohne weitere Unterstützung aber wäre es aus Sicht von Westerwelle und seinen Kollegen ziemlich sicher, dass Afghanistan nach dem Rückzug wieder ins Chaos fällt. Folglich will man mit vier Milliarden jährlich für das lokale Militär und Polizei und dem zweiten, etwa gleich großen Aufbaubudget wenigstens für ein erträgliches Maß an Sicherheit und wirtschaftlicher Stabilität sorgen.

Präsident Karzai verband das Horrorszenario des Rückfalls zurück in die Taliban-Zeit mit seiner Bitte um weitere Unterstützung. Ohne die Hilfe des Auslands sei sein Land "verletzlich", warnte der Präsident die angereisten Politiker und Diplomaten, sehr schnell könnte Afghanistan nach dem Nato-Abzug wieder ein Tummelfeld von Terroristen und Extremisten werden. Karzai sagte: "Ich bitte heute die Freunde Afghanistans, weiter zu uns zu stehen. Die gesamte Region wird nicht sicher sein, wenn Afghanistan nicht stabil ist." Danach las er etwas uninspiriert von seinem Manuskript ab, er wolle seine Anstrengungen für eine bessere Regierungsführung und den Kampf gegen die Korruption verdoppeln.

Berlin knüpft Unterstützung an Reformen

Deutschland spielte bei der Organisation und Ausrichtung des Treffens in Tokio eine wichtige Rolle, seit der Afghanistan-Konferenz in Bonn hatte Berlin sozusagen mit dem Klingelbeutel in der Hand für das jetzt beschlossene Mega-Budget geworben. Mit jährlich rund 430 Millionen Euro Entwicklungshilfe gehört Berlin zu den großen Geberländern für Afghanistan. Westerwelle und der ebenfalls angereiste Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel kündigten an, dass Berlin seine Zahlungen in den kommenden Jahren auf diesem Niveau halten wolle, nur die USA und Japan sagten in Tokio noch größere Summen zu. In seiner Rede betonte Westerwelle, dass Berlin die Unterstützung direkt "an Reformen der Regierung" binde.

Wie die rund 60 nach Tokio gereisten Nationen hofft auch die Bundesregierung, dass die Konditionierung der Finanzhilfe die bis heute dysfunktionale Regierung in Kabul endlich zum Handeln bewegt und sie erste Schritte gegen die grassierende Vetternwirtschaft am Hindukusch ergreift oder ihre Versprechungen für eine Demokratisierung des Landes erfüllt. Über Wochen hatte die Staatengemeinschaft mit afghanischen Vertretern um eine 14seitige Abschlusserklärung der Konferenz gerungen. Dort heißt es nun, die "Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft, Afghanistan weiter zu unterstützen, hängt von der afghanischen Erfüllung der eigenen Zusagen ab". Für ein diplomatisches Dokument ist das recht deutlich.

16 Punkte, die Karzai erfüllen muss

Auf dem Papier hat Kabul einiges zugesagt. In 16 Unterpunkten haben die Diplomaten "gemeinsame Verpflichtungen" aufgeschrieben, die Karzai in seinen zwei letzten Amtsjahren umgehend angehen soll. Dazu gehören die Organisation von freien und fairen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in den Jahren 2014 und 2015, eine bessere Finanzmarktkontrolle und ein entschiedenes Vorgehen gegen die grassierende Korruption. Einige der Punkte sind mit konkreten Jahreszahlen verbunden, beispielsweise die Implementierung eines Gesetzes, dass Gewalt gegen Frauen ächtet oder die Aufstellung eines konkreten Zeit- und Organisationsplan für die anstehenden Wahlen bis Anfang 2013.

Auch wenn das Papier in vielen Punkten vage bleibt, machten Diplomaten einige Erfolge aus. So legt der Hilfsplan eine regelmäßige Überprüfung der Reformen Kabuls fest. Mindestens einmal jährlich sollen hochrangige Vertreter der Länder zusammenkommen und Bilanz ziehen, spätestens 2014 wird es in Großbritannien eine weitere Konferenz zur Überprüfung der Zahlungen geben. Durch den gesetzten Zeitplan, so jedenfalls die Hoffnung, sollen die Afghanen dazu gedrängt werden, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Schon in Tokio aber warnte Minister Westerwelle vor überhöhten Erwartungen. "Wir reden nicht über europäische Verhältnisse", sagte er in Bezug auf die Korruption, "wir reden darüber, dass es etwas besser wird."

Ob die Strategie der indirekten Drohung gen Kabul Erfolg zeitigen wird, ist ungewiss. Erfahrene Diplomaten kennen die Versprechungen der afghanischen Regierung für eine bessere Arbeit seit vielen Jahren, passiert ist jedoch nach ähnlichen Geberkonferenzen wie in Tokio so gut wie nichts. Die Staatengemeinschaft jedoch hat am Ende keine echte Alternative zu der weiteren Unterstützung der Karzai-Truppe, trotz aller Zweifel ist er weiter der einzige Ansprechpartner in Kabul. Zudem wäre eine tatsächliche Kappung der Hilfszahlungen, mit denen durch viele Projekte der notleidenden Bevölkerung des teilweise bettelarmen Landess geholfen wird, als Strafe für eine unfähige Regierung ein wenig adäquates Mittel der Politik.

Die afghanischen Verhandler waren mit dem Ergebnis von Tokio durchaus zufrieden. Trotz der Konditionen für die Zahlungen konnten sie ihre Forderung unterbringen, dass die Hälfte der internationalen Hilfe direkt an die afghanische Regierung fließen soll. Minister Niebel hingegen pochte auf die "klaren Voraussetzungen", die man nun in Tokio vereinbart habe. Nur bei der Erfüllung der Forderungen an Kabul werde Berlin schrittweise einzelne Tranchen der deutschen Hilfe freigeben.

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