

"Die Revolution lebt so lange, wie Rafsanjani lebt", dieser Ausspruch ist vom 1989 verstorbenen iranischen Revolutionsführer Ruhollah Khomeini überliefert. Nun wird seine Vorhersage auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft. Denn Akbar Hashemi Rafsanjani ist am Sonntag im Alter von 82 Jahren gestorben. Mit seinem Tod verlor die Islamische Republik Iran eine ihrer prägenden Persönlichkeiten. Kaum ein anderer Politiker hat die Geschicke des Landes in den vergangenen vier Jahrzehnten so bestimmt wie er.
Seit den Fünfzigerjahren war Rafsanjani ein enger Wegbegleiter Khomeinis. Nach der Islamischen Revolution galt er inoffiziell als zweiter Mann im Staate. Er amtierte zunächst als Parlamentspräsident, dann als Oberbefehlshaber des Militärs. In dieser Position war er maßgeblich an der Beendigung des Iran-Irak-Kriegs beteiligt. Als Khomeini starb, sorgte der Strippenzieher Rafsanjani dafür, dass der farblose Ali Khamenei überraschend dessen Nachfolger als Revolutionsführer wurde.
1989 wählten die Iraner Rafsanjani zum Präsidenten. Seine Politik war widersprüchlich: Einerseits liberalisierte er die Wirtschaft und leitete eine zögerliche Öffnung Richtung Westen ein. Andererseits war er als Regierungschef offenbar an der Planung von Terroranschlägen im Ausland beteiligt. Das Berliner Kammergericht kam zum Schluss, dass Rafsanjani in die Pläne zum Mord an vier iranisch-kurdischen Exilpolitikern im Berliner Lokal Mykonos 1992 eingeweiht war. Argentinische Ermittler beschuldigten Rafsanjani zudem, an den Planungen für den Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires beteiligt gewesen zu sein, bei dem am 18. Juli 1994 87 Menschen getötet wurden.
Mit Pistazien zum Milliardär
Nach Ende seiner zweiten Amtszeit 1997 durfte Rafsanjani nicht mehr für das Präsidentenamt kandidieren. Sein Comebackversuch acht Jahre später geriet zum Desaster. In der Präsidentenstichwahl schlug ihn der konservative Bürgermeister Mahmud Ahmadinejad mit 23 Prozentpunkten Vorsprung. Eine erneute Kandidatur bei der Wahl 2013 verhinderte der Wächterrat. Das Gremium schloss Rafsanjani ohne Angabe von Gründen aus.
Trotzdem überstand er alle Machtkämpfe innerhalb der iranischen Führung unbeschadet. Das hat er vor allem seinem Reichtum zu verdanken. Er hinterlässt ein Vermögen von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Rafsanjanis Familie besitzt ein Quasi-Monopol auf Pistazien, seine Söhne sind Bau- und Ölunternehmer.
Diese wirtschaftliche Macht hat Rafsanjani politische Unabhängigkeit gesichert. Er konnte Kritik äußern, für die jeder andere Iraner in Hausarrest oder im Gefängnis gelandet wäre. Als der Hardliner Ahmadinejad seine Macht ausbaute, warnte Rafsanjani vor einem "islamischen Faschismus". Wiederholt sprach er davon, dass die Islamische Republik "in einer schweren Krise" stecke. Er machte sich auch für einen Kompromiss mit dem Westen im Streit um das Atomprogramm stark.
Viele Iraner sahen in Rafsanjani in den vergangenen Jahren daher die wichtigste Stimme gegen die Macht der Konservativen. Er war Pragmatiker und kein Reformer im eigentlichen Sinne, aber er fürchtete religiöse Eiferer wie seinen Erzfeind Ahmadinejad.
Rohani verliert seinen Mentor
Vier Monate vor der Präsidentenwahl am 19. Mai schwächt Rafsanjanis Tod daher das Reformerlager um Amtsinhaber Hassan Rohani, der sich für vier weitere Jahre wiederwählen lassen will. Der Milliardär hatte Rohanis Wahlkampf 2013 massiv unterstützt, ob der sich ohne Rafsanjanis Protektion die Wiederwahl sichern kann, ist höchst ungewiss.
Rohani steht innenpolitisch unter Druck: Der versprochene Wirtschaftsboom in Iran nach dem Atomkompromiss und die Aufhebung der Sanktionen lässt auf sich warten. Und Donald Trump hat bereits angekündigt, er wolle nachverhandeln und das Abkommen notfalls zerreißen. Das stärkt die Hardliner in Teheran, die einen Kompromiss mit dem Westen ohnehin stets abgelehnt haben. Rafsanjani hätte das Format gehabt, den Konservativen die Stirn zu bieten.
Über die politischen Lager hinweg markiert Rafsanjanis Tod den Beginn eines Generationswechsels in Iran. Mit ihm ist eine der letzten Persönlichkeiten gestorben, die gegen den Schah kämpften, die Islamische Republik errichteten und dann die iranische Politik bestimmten. Nur noch Staatschef Khamenei kann auf eine ähnliche Karriere zurückblicken. Doch der 77-Jährige ist inzwischen auch krebskrank.
"Khamenei war die ideologische Säule und Rafsanjani war die pragmatische Säule der Revolution", sagt Karim Sadjadpour, Iran-Experte vom Carnegie Endowment for International Peace in Washington. "Eine der beiden Säulen der Revolution gibt es nun nicht mehr."
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Akbar Hashemi Rafsanjani ist tot. Der 82-Jährige erlag am Sonntag einem Herzinfarkt.
Rafsanjani war eine der prägenden Figuren der jüngeren iranischen Geschichte. Von 1989 bis 1997 amtierte er als Präsident. Hier empfängt er 1995 seinen Amtskollegen aus Turkmenistan.
1997 durfte Rafsanjani nach zwei Amtszeiten nicht wieder für das Präsidentenamt kandidieren. Stattdessen unterstützte er den Reformer Mohammed Khatami, der die Wahl auch gewann.
Rafsanjani (l.) im Jahr 2001 mit Staatschef Khamenei und Präsident Khatami. Der Reformkurs des Regierungschefs stieß beim Revolutionsführer oft auf Widerstand. Immer wieder machte Rafsanjani seinen Einfluss geltend, um zwischen konservativem und moderatem Lager zu vermitteln.
Rafsanjani im Wahlkampf 2005: Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft erlebte der Pistazienmogul seine größte Pleite. Er unterlag dem Hardliner Mahmud Ahmadinejad deutlich.
Rafsanjani als Vorprediger an der Teheraner Universität. In seiner Amtszeit als Präsident gründete er zahlreiche Hochschulen. Die Absolventen bilden nun den Kern der jungen städtischen Mittelschicht in Iran.
2013 meldete Rafsanjani erneut seine Bewerbung für die Präsidentenwahl an. Der Wächterrat strich ihn jedoch ohne Angabe von Gründen von der Kandidatenliste.
Präsident Hassan Rohani trauert an Rafsanjanis Sarg. Vier Monate vor der Präsidentenwahl verliert der Regierungschef seinen wichtigsten Unterstützer.
Trauernde in der Jamaran-Moschee in Teheran. Am Dienstag soll Rafsanjani im Khomeini-Mausoleum im Süden der iranischen Hauptstadt beigesetzt werden - ganz in der Nähe vom Grab des 1989 verstorbenen Revolutionsführers.
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