Fotostrecke

Brasilien: Das Boomland setzt auf Atomkraft

Foto: VANDERLEI ALMEIDA/ AFP

AKW in Brasilien Glühwürmchen am Strand

Brasilien boomt, jetzt will das Land vier neue Atom-Reaktoren bauen, um unabhängiger von der Wasserkraft zu werden. Dabei gibt es schon bei den alten Meilern zahlreiche Pannen.

Brasilien

Es ist nicht so, dass auf eine große Erfolgsgeschichte in der Atomenergie zurückblicken kann. Jahrelang gab es Probleme mit den einzigen zwei brasilianischen Reaktoren. Der Pannenmeiler "Angra 1" musste wegen technischer Probleme mehrfach vom Netz genommen werden und wurde als "Glühwürmchen" verspottet. Der zweite Reaktor war jahrelang eine Bauruine, bevor er 2000 endlich fertiggestellt wurde.

Und doch - die brasilianische Regierung setzt jetzt voll auf die Nuklearenergie. Bislang hat diese nur einen Anteil von drei Prozent an der Stromversorgung. Doch das könnte sich ändern. Das Land will unabhängiger von der Wasserkraft werden - bezieht es doch momentan mehr als 80 Prozent seiner Energie aus dieser Quelle.

Unter dem früheren Präsidenten Luiz Inácio da Silva, genannt "Lula", wurde diese Strategie festgezurrt. Vier neue Reaktoren sollen bis 2025 gebaut werden, zwei im Nordosten und zwei im Südosten. Ob es wirklich dazu kommt, ist angesichts der angespannten Haushaltslage aber fraglich.

In jedem Fall wird bereits ein weiterer Reaktor in der "Angra"-Anlage gebaut: Auch er entsteht an der Küstenstrecke zwischen Rio de Janeiro und São Paulo, zum Kühlen wird das Meerwasser benutzt. Nach Rio sind es etwa 200 Kilometer, nach São Paulo 250 Kilometer. Der vorgesehene Evakuierungsweg ist die Bundesstraße Rio-Santos, die in der Regenzeit allerdings immer wieder von Erdrutschen verschüttet wird.

"Brasiliens Nukleartechnologie ist perfekt"

Doch das stört offenbar wenig. "Angra 3" soll ab 2016 Strom produzieren können. Auch die Planungen für diesen Meiler reichen weit zurück, bereits 1984 begannen erste Bauarbeiten, die aber dann ausgesetzt wurden.

Seit 2006 haben die Pläne wieder neuen Schwung bekommen - dank Lula. Auch die Bundesregierung wollte da nicht fehlen. Im vergangenen Jahr gewährte sie dem deutsch-französischen Kraftwerkshersteller Areva eine Hermes-Bürgschaft in Milliardenhöhe für den Bau des Kraftwerks. Bei der Reise von Außenminister Guido Westerwelle durch Brasilien im März 2010 lobte ein Areva-Manager, der FDP-Mann habe sich bei der Regierung in Brasília "massiv" für die deutsche Atomwirtschaft eingesetzt.

Auch der damalige Präsident Lula wusste nur Positives zu berichten. Er verließ sich auf eine altbekannte Argumentation: Atomstrom sei sauber und klimafreundlich zugleich, ja, Brasiliens Nukleartechnologie sei "perfekt". Bedenken hatte er nicht: "Ich kann Ihnen garantieren, dass in Brasilien niemals das passiert, was in Tschernobyl passiert ist. Niemals."

Seine Nachfolgerin im Amt, Dilma Rousseff, hat sich bislang noch nicht so klar geäußert. Die Brasilianer sind allerdings auch jetzt der Meinung, dass ihre Atomkraftwerke sicherer seien als die japanischen. Zudem ist das Land kein Erdbebengebiet, auch Tsunamis gelten als praktisch ausgeschlossen. Die Gebäude seien "gerüstet, Erdbeben zu überstehen", versichert der Energieversorger Eletronuclear.

Doch reibungslos funktionieren die alten brasilianischen Meiler eben nicht: Einen Tag vor dem Erdbeben in Japan wurde der Reaktor "Angra 1" wegen Fehlern im Alarmsystem vorsichtshalber für 16 Stunden abgeschaltet.

Viele Leser äußern auf den Internetseiten der größten brasilianischen Zeitungen ihre Sorge, dass das Land für einen Unfall in einem Atomkraftwerk nicht ausreichend gerüstet sei. "Wir wären nicht vorbereitet", schreibt ein Nutzer. Viele glauben, es sei besser, auf erneuerbare Energien als auf Atomkraft zu setzen.

Außerdem gibt es in Brasilien bislang kein Endlager für Atommüll, er wird auf dem Betriebsgelände gelagert - so wie im japanischen Katastrophenmeiler Fukushima. Bis die Anlage "Angra 3" in fünf Jahren laufen soll, muss eine dauerhafte Lösung gefunden werden.

Die Pläne der brasilianischen Regierung gehen aber noch weiter. Die Marine entwickelt ein atomgetriebenes U-Boot. Die brasilianische Verfassung verbietet die Nutzung von Atomkraft für militärische Zwecke. Wofür also braucht Brasilien ein Atom-U-Boot? Der damalige Strategieminister Pinheiro Guimarães antwortete vor einem Jahr im SPIEGEL-ONLINE-Interview: "Unter dem Meeresgrund liegen riesige Ölvorkommen. Wir brauchen eine schlagkräftige Verteidigung, wie jedes andere Land. Ein U-Boot mit Nuklearantrieb kann viel länger unter Wasser bleiben als konventionelle."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten