Kremlkritiker vor Gericht
Festnahmen und massives Polizeiaufgebot bei Prozess gegen Nawalny
In Moskau verhandelt ein Gericht über eine Haftstrafe für Alexej Nawalny – gefordert werden dreieinhalb Jahre Haft. Die Polizei geht derweil mit einem massiven Aufgebot gegen Proteste vor.
Russische Polizisten nehmen einen Unterstützer Alexej Nawalnys in der Nähe des Gerichtsgebäudes in Moskau
Foto: MAXIM SHEMETOV / REUTERS
Er ist der hartnäckigste Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin – und könnte nun für mehrere Jahre ins Gefängnis kommen: In Moskau verhandelt derzeit ein Gericht darüber, ob eine Bewährungsstrafe gegen Alexej Nawalny in eine Haft umgewandelt wird. Vor dem Gerichtsgebäude gehen russische Behörden zudem gegen Unterstützer des Kremlkritikers vor. Bereits vor Prozessbeginn hat es mehrere Festnahmen vor dem Gericht gegeben.
Mittlerweile seien mehr als 230 Menschen in Gewahrsam genommen worden, teilte die Nichtregierungsorganisation OVD-Info mit. Das Team des russischen Oppositionellen hatte zu einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude aufgerufen. Die russischen Sicherheitsbehörden rüsten sich mit einem massiven Polizeiaufgebot gegen mögliche Proteste. Das Moskauer Stadtgericht wurde von Hundertschaften der auf Antiterroreinsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON bewacht und weiträumig mit Metallgittern abgesperrt.
Die Zufahrtsstraßen zum Gerichtsgebäude waren gesperrt, es standen zahlreiche Gefangenentransporter bereit. Vor dem Gericht war auch berittene Polizei im Einsatz.
Praktisch jeder, der sich dem Gebäude näherte, werde festgenommen
SPIEGEL-Mitarbeiter Alexander Chernyshev, der sich vor dem Gericht befindet, berichtete, dass praktisch jeder, der sich dem Gebäude näherte, festgenommen wurde. Die Sicherheitsbeamten sind mit einem massiven Aufgebot vor Ort, auch anliegende Hinterhöfe riegeln sie ab.
In den Höfen zwischen Häusern hatten sich am Sonntag während der Demonstrationen in Moskau Menschen gesammelt. Menschen, die zur Unterstützung von Nawalny gekommen waren, versuchten, sich in anliegenden Geschäften zu verstecken, wenn Sicherheitsbeamte sich näherten, was ihnen aber nicht immer gelang.
Alexej Nawalny: Ihm wird vorgeworfen, gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen und insgesamt siebenmal die Meldepflicht bei den russischen Behörden verletzt zu haben
Foto: MOSCOW CITY COURT PRESS SERVICE HANDOUT/EPA-EFE/Shutterstock
Der russische Strafvollzug hat eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert. Nawalny habe gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen und insgesamt siebenmal die Meldepflicht bei den russischen Behörden verletzt, hieß es vor Gericht. Zudem forderte der Strafvollzug eine Geldstrafe von 500.000 Rubel (5400 Euro), wie russische Agenturen aus dem Gerichtssaal meldeten. Der Strafvollzug hatte bereits zuvor erklärt, dass er die Bewährungsstrafe gegen Nawalny aus dem umstrittenen Verfahren von 2014 in echte Haft umwandeln lassen wolle.
Zum Gerichtstermin erschien auch Nawalnys Ehefrau Julija Nawalnaja, die eine schwarze Gesichtsmaske trug. Nawalny stand in einem Glaskasten im Gerichtssaal und sprach mit seiner Frau. »Sie haben dich im Fernsehen in meiner Zelle gezeigt und erzählt, dass du ständig die öffentliche Ordnung störst. Böses Mädchen! Ich bin stolz auf dich«, sagte er demnach. Nawalnaja war bei den Protesten zuletzt zweimal festgenommen worden.
Vertreter von EU-Staaten in Moskau vor Ort
Zudem sind zahlreiche Vertreter von EU-Staaten vor Ort, um den Prozess zu beobachten. Wie der Presseattaché der deutschen Botschaft mitteilte, ist darunter auch ein Vertreter der deutschen Botschaft, ein Mitarbeiter der Rechts- und Konsularabteilung.
Nawalny überlebte im August nur knapp einen Mordanschlag mit dem international geächteten chemischen Kampfstoff Nowitschok. Der russische Oppositionelle macht für das Attentat Putin und Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Nawalny sieht den Prozess als Strafe des Kremls dafür, dass er nicht gestorben ist. Putin und der FSB hatten die Vorwürfe des Anschlags zurückgewiesen.
In der Zeit in Deutschland, als Nawalny sich von dem Attentat erholte, soll er sich nicht – wie in einem früheren umstrittenen Strafverfahren vorgeschrieben – bei den russischen Behörden gemeldet haben. Deshalb soll eine Bewährungsstrafe nun in eine Haftstrafe umgewandelt werden. Die Generalstaatsanwaltschaft befürwortete das bereits. Im Raum steht eine Haftdauer von zweieinhalb Jahren.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Russische Polizisten nehmen einen Unterstützer Alexej Nawalnys in der Nähe des Gerichtsgebäudes in Moskau
Foto: MAXIM SHEMETOV / REUTERS
Alexej Nawalny: Ihm wird vorgeworfen, gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen und insgesamt siebenmal die Meldepflicht bei den russischen Behörden verletzt zu haben
Foto: MOSCOW CITY COURT PRESS SERVICE HANDOUT/EPA-EFE/Shutterstock