Kremlkritiker Russland beantragt erneut Einsicht in deutsche Nawalny-Akten

Kremlkritiker Alexej Nawalny
Foto: Pavel Golovkin / dpaRusslands Präsident Wladimir Putin versichert öffentlich immer wieder, dass der Fall des vergifteten Oppositionellen Alexej Nawalny ihn nicht beschäftige. Den russischen Justizapparat hält der Kremlkritiker allerdings seit Wochen auf Trab. Nun hat die russische Generalstaatsanwaltschaft eine neue Anfrage an die deutsche Justiz geschickt und um Einsicht in Vernehmungsakten gebeten.
Da die meisten Gesuche der russischen Ermittler abgelehnt worden seien und die Abschriften der Vernehmungen von Nawalny und seiner Frau nicht enthalten gewesen seien, würden vorherige Rechtshilfegesuche als inhaltlich völlig unzureichend betrachtet, teilte die Behörde mit.
Nawalny war nach seiner Vergiftung mit dem Nervengift Nowitschok in Russland zunächst in der Berliner Charité behandelt worden. Später hielt er sich mehrere Monate zur Erholung in Deutschland auf. Recherchen des SPIEGEL, des Recherchenetzwerks Bellingcat und weiterer Medien zeigen, dass russische Geheimagenten die Tötung Nawalnys wohl über lange Zeit vorbereiteten.
Der Oppositionelle untermauerte dies mit eigenen Recherchen und macht ein »Killerkommando« des Inlandsgeheimdienstes FSB für das Attentat in der sibirischen Stadt Tomsk verantwortlich. Putin und der FSB weisen die Vorwürfe zurück.
Außenminister Lawrow nennt deutsche Antworten »unwürdig«
Das Bundesamt für Justiz erklärte vor der erneuten russischen Anfrage, vier Rechtshilfegesuche zum Anschlag auf Nawalny beantwortet zu haben. Der russische Generalstaatsanwaltschaft vermutet nun, dass die »wahren Umstände des Vorfalls« verschleiert werden sollten. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte die Antworten aus Deutschland als »unwürdig« bezeichnet.
Mit der neuen Anfrage wollen die russischen Behörden nach eigenen Angaben erreichen, dass die deutsche Seite den im vergangenen Jahr verschickten Rechtshilfegesuch »in vollem Umfang« nachkomme. Deutschland hatte die Herausgabe von Informationen etwa über den Gesundheitszustand Nawalnys in der Vergangenheit von dessen Zustimmung abhängig gemacht.
Kreml fordert Werbestopp für Nawalny in sozialen Medien
Die russische Regierung versucht indes, die Reichweite Nawalnys in den sozialen Medien zu reduzieren. Zuletzt forderte der Kreml vor allem von der Videoplattform TikTok, Werbung für den inhaftierten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny zu unterbinden.
»Wir ersuchen Sie unverzüglich, umfangreiche Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung solcher rechtswidriger Informationen auf TikTok zu verhindern«, heißt es in einer Mitteilung der Telekommunikationsaufsicht Roskomnadsor. Konkret bezieht sich die Behörde auf Aufrufe, an einer für Samstag angekündigten und nicht genehmigten Demonstration für den Kremlkritiker teilzunehmen.
Nawalny war am Sonntag aus Deutschland zurück nach Moskau geflogen und dort noch am Flughafen festgenommen worden. Kurz darauf hatte ihn ein Gericht zu 30 Tagen Haft verurteilt. Er befindet sich derzeit im berüchtigten Gefängnis »Matrosenruhe« in Moskau. Der Oppositionelle rief seine Anhänger für den kommenden Samstag landesweit zu Protesten auf.