Vor geplanten Protesten
Russland geht rigoros gegen Nawalny-Vertraute vor
Anhänger Alexej Nawalnys wollen am Samstag in ganz Russland protestieren. Die Sicherheitsbehörden gehen nun gegen Mitstreiterinnen und Mitstreiter vor. Ein Anwalt soll das Land binnen Tagen verlassen, Oppositionelle wurden festgenommen.
Alexej Nawalny bei einer Demonstration in Moskau im Februar 2020. Nach seiner Inhaftierung gehen die russischen Behörden unter anderem gegen die Oppositionelle Ljubow Sobol (l.) vor
Foto:
Shamil Zhumatov / REUTERS
Zu Wladlen Los kamen die Polizisten in sein Hotel. 15 Beamte holten den Juristen der Antikorruptionsstiftung von Alexej Nawalny ab, um ihm dann auf einer Moskauer Polizeiwache mitzuteilen, dass gegen ihn ein Einreiseverbot bis Januar 2023 verhängt wurde. »Ich erhielt die Aufforderung, Russland bis zum 25. Januar zu verlassen«, schrieb er auf Twitter. Er müsse über Nacht im Polizeirevier bleiben, am Freitag müsse er vor Gericht.
Los hat einen belarussischen Pass. Er hatte in dem Hotel geschlafen, da seine Wohnung überwacht wurde, teilte er mit. Ein Anwalt einer Menschenrechtsorganisation, der zu Los aufs Polizeirevier gefahren war, wurde nach eigenen Angaben von einem Polizisten geschlagen und getreten.
Los war nicht der einzige Nawalny-Mitstreiter, der am Donnerstag festgenommen wurde:
Auch Ljubow Sobol, Produzentin seines YouTube-Kanals, wurde von mehreren Polizeibeamten aufgefordert, aus dem Wagen ihres Anwalts zu steigen, um mit zum Revier zu kommen. Ein Video zeigte, dass bereits ein Polizeibus auf sie wartete. »Was soll dieser Zirkus?«, kommentierte sie das Verhalten der Beamten. Ihr werde zur Last gelegt, zu nicht genehmigten Protesten aufgerufen zu haben, berichtete der unabhängige Sender TV Rain. Nach Stunden wurde erst ihr Anwalt zu ihr auf die Wache gelassen.
Polizisten verlangten Einlass in die Wohnung von Nawalnys Pressesprecherin Kira Jarmysch, sie wurde schließlich am Abend abgeführt.
Georgij Alburow, Mitarbeiter der Antikorruptionsstiftung, wurde an einem Moskauer Bahnhof festgenommen.
Nawalnys Mitstreiter kündigten derweil für Samstag Demonstrationen in mehr als 60 Städten an. In Russland werden Proteste der Opposition nur sehr selten von den Behörden genehmigt, sodass es für Kritiker des russischen Regimes kaum möglich ist, mit Genehmigung zu demonstrieren.
Mehrere Mitarbeiter von Nawalny, Oppositionelle und Journalisten hatten am Donnerstag bereits Besuch von Polizeibeamten zu Hause bekommen. Die Polizei wollte ihnen vor den Protesten Warnungen der Staatsanwaltschaft verlesen und überreichen.
In den sozialen Medien verbreiteten sich die Aufrufe zu den Protesten am Samstag millionenfach, allein auf TikTok, wo vor allem jüngere Russinnen und Russen aktiv sind, wurden sie mehr als 200 Millionen Mal aufgerufen.
Die Generalstaatsanwaltschaft forderte von der Telekommunikationsaufsicht Roskomnadsor, solche Demonstrationsaufrufe zu sperren. Die Aufsichtsbehörde warnte Plattformbetreiber davor, Minderjährige in der Corona-Pandemie zur Teilnahme an Protesten zu ermutigen. Betreibern, die »verbotene Informationen« nicht entfernten, drohe eine Geldstrafe bis zu vier Millionen Rubel, umgerechnet etwa 44.000 Euro.
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte noch einmal die sofortige Freilassung von Nawalny: »Wir glauben, dass das absolut richtig wäre und auch sehr dringlich ist.«
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Alexej Nawalny bei einer Demonstration in Moskau im Februar 2020. Nach seiner Inhaftierung gehen die russischen Behörden unter anderem gegen die Oppositionelle Ljubow Sobol (l.) vor