Alliierte Angriffe Vororte Bagdads unter Beschuss
Bagdad - Der US-Nachrichtensender CNN berichtete, britische Soldaten hätten südliche Vororte Basras angegriffen und dabei zahlreiche irakische Panzer zerstört. Ein irakischer General sei dabei in Gefangenschaft geraten, ein Oberst getötet worden.
Die Soldaten durchkämmen bei ihrem Vorgehen Haus für Haus. Die Briten könnten dabei auf die Erfahrung zurückgreifen, die sie bei der Bekämpfung der IRA in Nordirland gemacht hätten, berichtete ein BBC-Korrespondent.
Basra, die zweitgrößte Stadt des Irak, wird seit einer Woche von britischen Truppen belagert. Ursprünglich hatten die Alliierten damit gerechnet, die Stadt nahezu kampflos übernehmen zu können, weil sie nicht als Saddam-Hussein-treu galt.
Furcht vor Häuserkampf
Der Kommandant der britischen Truppen bei Basra, Brigadegeneral Braham Binns, sagte in einem Interview mit dem Londoner "Sunday Telegraph", die direkte Einnahme der Stadt sei nicht geplant. Die Straßen- und Häuserkämpfe würden zu hohen Verlusten unter der Zivilbevölkerung führen. Er führte als abschreckende Beispiele Stalingrad und die tschetschenische Hauptstadt Grosny an. Der britische Militärsprecher Al Lockwood sagte, die Operation sei als "Signal" an die Einwohner von Basra gedacht. Ziel sei es, die vornehmlich schiitischen Einwohner zum Aufstand gegen das Regime von Saddam Hussein zu bewegen.
Lebensmittellager von Panzern zerstört?
Der irakische Informationsminister Mohammed Said al-Sahaf wiederholte am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Bagdad Vorwürfe, dass britische Panzer Lebensmittellager in Basra zerstört hätten, in denen sich 75.000 Tonnen Nahrungsmittel befunden hätten. Gleichzeitig sprach er von angeblichen Erfolgen der irakischen Streitkräfte. Ein Apache-Kampfhubschrauber sei abgeschossen worden. Die beiden Piloten seien ums Leben gekommen. Außerdem seien vier Panzer zerstört und die Besatzungen getötet oder gefangen genommen worden.
Bombardement in Bagdad
Vier heftige Detonationen erschütterten am Sonntagmorgen das Stadtzentrum der irakischen Hauptstadt. Auch aus den südlichen Außenbezirken Bagdads wurden am Sonntagnachmittag Detonationen gemeldet. Nach bisher unbestätigten Meldungen vermuten die US-Militärplaner, dass sich in den Vororten Einheiten der Republikanischen Garde eingegraben haben, um Bagdad zu verteidigen.
Ziel der Angriffe am Morgen sei zunächst ein Komplex innerhalb des Präsidentenpalastes gewesen, der von Kussei, Präsident Saddam Husseins Sohn, genutzt werde, berichteten Reuters-Korrespondenten. Saddams jüngerer Sohn ist Befehlshaber der Republikanischen Garde. Ihm unterstehen die Elitetruppen in Bagdad und der Stadt Tikrit, aus deren Umgebung Saddams Familie stammt. Beide Städte gelten zudem als Machtbasis Saddams. Ein weiteres Ziel soll ein Trainingszentrum für Elitekämpfer gewesen sein.
Schon kurz vor Mitternacht hatten rund 30 Detonationen die Innenstadt und die Außenbezirke erschüttert. Ziele waren ein Wohnviertel für Regierungsfunktionäre und Stellungen der Republikanischen Garde. Auf Fernsehbildern waren riesige Rauchwolken zu sehen, die hinter einem Komplex von vier- bis fünfgeschossigen Wohnhäusern in den Nachthimmel aufstiegen.
Verlangsamte Bodenoffensive
Die Offensive der Bodentruppen gegen Bagdad soll möglicherweise noch mehrere Tage oder auch Wochen pausieren, verlautete aus US-Militärkreisen. Es hieß, es gehe darum, Vorräte aufzufüllen, allerdings wurden auch neue Sandstürme vorhergesagt und die Furcht der Alliierten vor einem Häuserkampf wächst. Generalstabschef Richard Myers sagte in einem Interview, der härteste Teil des Krieges stehe noch bevor.
Unterdessen hielten auch im Norden des Landes, in der Nähe der Städte Mossul und Kalak, teils heftige Bombardements an. Im südirakischen Nassirija nahmen US-Marineinfanteristen nach Angaben eines CNN- Reporters den Sitz der regierenden Baath-Partei ein. In dem Gebäude seien große Mengen Munition und Schutzanzüge gegen Chemiewaffenangriffe gefunden worden.
Die gesamte Bodenoffensive der Briten und Amerikaner kommt unterdessen nur langsam voran. Die Einheiten der Republikanischen Garden veränderten immer wieder ihre Positionen, um den alliierten Luftangriffen auszuweichen, sagte Pentagon-Sprecher Generalmajor Stanley McChrystal. Gegen die Medina-Division der Garden seien am Freitagabend Kampfhubschrauber vom Typ "Apache" eingesetzt worden. Die amerikanischen und britischen Kampfflugzeuge hätten am Freitag mehr als 1.000 Einsätze über dem Irak geflogen.
Bereits 6.000 Bomben abgeworfen
Die alliierten Truppen haben laut McChrystal seit Kriegsbeginn 6.000 "Präzisionsbomben" über dem Irak abgeworfen und 675 "Tomahawk"-Marschflugkörper gestartet, von denen sieben ihr Ziel wegen technischer Probleme verfehlt hätten. McChrystal machte keine Angaben darüber, was die "Tomahawks" stattdessen trafen. Derzeit hielten sich fast 100.000 alliierte Soldaten in Irak auf, in der gesamten Region seien es 290.000. Seit Kriegsbeginn seien insgesamt 36 amerikanische Soldaten umgekommen, 29 von ihnen verloren ihr Leben im Kampfeinsatz.
Angesichts des jüngsten Selbstmordanschlags auf amerikanische Truppen soll die Sicherheit an Kontrollpunkten verstärkt werden, sagte McChrystal. Bei dem Anschlag waren am Samstag nahe der irakischen Stadt Nadschaf vier US-Soldaten getötet worden. Iraks Präsident Saddam Hussein zeichnete den Attentäter postum mit zwei Orden aus.
Korrigierte Opferzahlen
Die irakische Seite korrigierte nach CNN-Angaben ihre Angaben über die Zahl der Toten und Verletzten des Krieges erheblich nach unten. Bislang seien 357 Zivilisten getötet und 3.650 verletzt worden, hieß es.
Noch am Freitag hatten die Behörden die Zahl der Toten mit 580 und die der Verletzten mit 4.500 angegeben. Warum die Opferzahlen berichtigt wurden, sei nicht begründet worden, hieß es.
Der arabische Sender El Dschasira berichtete unterdessen, eine Gruppe von 300 irakischen Oppositionellen habe ihre Ablehnung gegen eine vorübergehende amerikanische Militärverwaltung im Irak erklärt. Der Sender zeigte zudem unbewaffnete Exil-Iraker in Jordanien, die sich mit dem Bus auf den Weg zurück in die Heimat machten, um, wie sie sagten, gegen die amerikanisch-britischen Truppen zu kämpfen. Auch in Syrien würden sich zunehmend freiwillige Kämpfer in der irakischen Botschaften melden, berichteten Hörfunkreporter.
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