Amerikas Frust über Berlin Stumme Weltmacht Deutschland

Merkel und Obama: Was treibt die Kanzlerin an?
Foto: KEVIN LAMARQUE/ REUTERSAmerikaner haben keine Angst vor Deutschland. Deutsches Bier schmeckt ihnen, sie kutschieren mit Vorliebe Autos made in Germany. Unheimlich ist ihnen höchstens, dass David Hasselhoff mal an der Spitze der deutschen Hitparade stand.
Doch die Ära des netten Nachkriegsdeutschlands ist vorbei, seit Berlin eine immer stärkere Rolle bei der Rettung des Euro einnimmt, wegen dessen Krise auch Amerika zittert.
"Warum rettet Deutschland nicht die Euro-Zone?", fragt die "Washington Post". Die "New York Times" unterstellt der zögernden Bundeskanzlerin gar eine realitätsferne Wahrnehmung beim Krisenmanagement: Es sei, als wolle Angela Merkel noch im Wald Rauchverbotsschilder aufstellen, während ringsum alles schon lichterloh brenne. Bloombergs "Businessweek" suggeriert sogar, von Merkels Entschlossenheit hänge das Wohl der ganzen Welt ab - und lässt die Kanzlerin auf seiner Titelseite so böse gucken, als verspeise sie zum Frühstück kleine Griechen.
US-Finanzminister Timothy Geithner reist am Dienstag eigens nach Berlin, um die Deutschen vor dem wichtigen EU-Sondergipfel persönlich an ihre Euro-Verantwortung zu erinnern. Doch was genau Berlin antreibt, bleibt in Washington ein großes Rätsel.
Ein wenig sind die Amerikaner selbst daran schuld, Deutschland nicht besser zu verstehen. Lange war ihnen Europa herzlich egal, Präsident Barack Obama wollte lieber ein pazifischer Präsident sein. Doch Schuld an der Sprachlosigkeit zwischen Berlin und Washington tragen auch die Deutschen selber. Denn mit wem sollen die Amerikaner eigentlich über die Krise reden? Nun rächt sich, dass die vielbeschworene "transatlantische Partnerschaft" oft nur noch ein Wirtschafts-Netzwerk bildet, dessen Akteure meist in Unternehmen, nicht in Parlamenten beheimatet sind.
Die deutschen Spitzenpolitiker, die regelmäßig in der US-Hauptstadt vorstellig werden, lassen sich an einer Hand abzählen. Außenpolitik gilt im Bundestag nicht mehr als Steigbügelhalter für die Karriere. Pforzheim oder Passau sind im Zweifel immer wichtiger als der Potomac.
Es fehlt an "Public Diplomacy", wie die Amerikaner die wichtige Vermittlungsaufgabe von Politik nennen. Deutscher Außenminister ist ein "Guido Who?". Als Deutschlands Transatlantik-Beauftragter dient seit Juli der FDP-Abgeordnete Harald Leibrecht, dessen auffälligste Qualifikation sein Geburtsort nahe Chicago zu sein scheint.
Und die Kanzlerin? Merkel hat zwar vor dem US-Kongress in einer Rede erläutert, wie sie als junges Mädchen in der ehemaligen DDR von Blue Jeans träumte. Doch jetzt wäre eine große Rede darüber wichtig, weshalb der Euro kein Alptraum wird.
Denn die Krise ist auch Chance. Vielleicht noch nie verfolgte Washington so aufmerksam jede Äußerung aus Berlin. Wem sollen sie auch sonst zuhören? Die Briten preisen zwar ihre "special relationship", ihre besondere Beziehung mit Amerika, in Sachen Euro aber haben sie nichts zu sagen. Italiener, Spanier und vielleicht bald auch die Franzosen stecken selber tief in der Krise.
Doch die Deutschen lassen die Chance auf eine führende Rolle im Dialog mit den USA einfach verstreichen. Sie sind derzeit zwar eine Krisen-Großmacht. Aber in Washington treten sie ohne Stimme auf. Deutschland, die stumme Weltmacht.
Guttenberg wird umschmeichelt
Beim Halifax Security Forum, einer Transatlantik-Konferenz mit vielen hochkarätigen Gästen aus den USA, reiste ein Dutzend deutsche Reporter an, um den gefallenen Polit-Messias Karl-Theodor zu Guttenberg bei seinem Comeback zu beobachten. Doch hochkarätige deutsche Konferenz-Teilnehmer, die den Amerikanern Berlins Euro-Kurs erläutern konnten? Fehlanzeige.
Guttenberg fühlte sich dort natürlich pudelwohl. Er hat das amerikanische Exil ja bewusst gewählt, weil er jenseits des Atlantiks über ein intensives Kontaktnetz verfügt. Als er noch als Wirtschaftsminister in Washington sprach, drängten sich die Zuhörer. Die Amerikaner haben diese Auftritte nicht vergessen. In Halifax sagte Guttenberg: "Niemand kann die Chancen Europas in einen verständlichen Satz pressen." Die amerikanischen Zuhörer nickten. Beim Abendessen scherzte ein US-Teilnehmer: Er habe immer gedacht, "Guttenberg" sei das deutsche Wort für Bundeskanzler.
Dem gefallenen CSU-Politiker schmeichelt das. Doch dass der Schummel-Freiherr vor Amerikanern gerade im Namen Deutschlands spricht, ist für Berlin ziemlich traurig.