Schulmassaker in Newtown US-Senatoren wenden sich von Waffenlobby ab
Washington - Die ersten der insgesamt 27 Opfer des Amoklaufs in Newtown sind beerdigt, die Angehörigen und Menschen trauern. In den USA wächst mehr und mehr die Einsicht, dass sich beim Waffenrecht endlich etwas ändern muss. Zwei Senatoren geben nun Hoffnung, dass sich etwas bewegen könnte.
Der demokratische Senator Mark Warner aus Virginia erklärte am Montag, der Amoklauf habe ihn dazu gebracht, seinen Widerstand gegen eine Verschärfung des Waffenrechts zu überdenken. "Der Status quo ist nicht akzeptabel", sagte er Reportern. Später forderte Warner in einem Interview mit einem lokalen Nachrichtensender "eine vernünftige Waffenkontrolle".
Das sind ungewöhnliche Töne - Warner gilt als ein Verfechter des liberalen Waffenrechts. Von der National Rifle Association (NRA), Amerikas mächtigste Waffenlobby, wurde der Senator deshalb stets positiv bewertet - wie auch sein demokratischer Kollege Joe Manchin, begeisterter Jäger und sogar Mitglied der NRA.
Mehr US-Amerikaner für schärfere Waffengesetze
Auch Pistolenbesitzer Manchin schlägt nun neue Töne an. Der Senator aus West Virginia sagte dem Sender MSNBC am Montag, es sei an der Zeit, sich bei der Waffenkontrolle "über die Rhetorik hinaus zu bewegen". Der Demokrat ergänzte: "Ich kenne niemanden in der Sport- oder Jagdszene, der mit einem Sturmgewehr hinausgeht." Der Schütze in Newtown hatte seine Taten nach den ersten Ermittlungen hauptsächlich mit einem Sturmgewehr verübt.
In den USA sterben Jahr für Jahr gut 30.000 Menschen bei Schießereien. Das Magazin "Mother Jones" ermittelte, dass es seit 1982 mindestens 61 Schusswaffen-Massaker in 30 Bundesstaaten gegeben hat. Fast die Hälfte der elf schwersten Taten ereigneten sich demnach seit 2007. Damit liegt Amerika weltweit auf Platz eins im Ranking der schwersten Schießereien. Elf von 20 Taten in den vergangenen fünf Jahrzehnten wurden in den USA verübt.

Das Waffenrecht aber wurde nicht verändert. Der zweite Zusatzartikel der Verfassung aus dem 18. Jahrhundert beschert den US-Amerikanern nach wie vor eines der liberalsten Waffengesetze der Welt. Daran hat Präsident Barack Obama nichts geändert. Der Demokrat vermochte es während der vergangenen vier Jahre nicht, den einst von Vorvorgänger Bill Clinton durchgesetzten Bann gegen halbautomatische Sturmgewehre zu reaktivieren. Im Jahr 2004 lief das auf zehn Jahre befristete Gesetz aus. Als vor zwei Jahren bei einem Attentat in Arizona sechs Menschen starben und die damalige Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords schwer verletzt wurde, gelang es dem Kongress nicht einmal, den Verkauf von 100-Schuss-Munitionsmagazinen einzuschränken.
Nach dem Amoklauf in Newtown hat sich die Stimmung in den USA zumindest in diesen Tagen verändert: Einer aktuellen Umfrage zufolge sprechen sich deutlich mehr Bürger für schärfere Waffengesetze aus. Eine am Montag veröffentlichte Erhebung von Reuters und Ipsos ergab, dass 50 Prozent der Befragten dafür sind, den Waffenbesitz strenger zu regeln. In einer Umfrage kurz vor dem Blutbad an der Sandy-Hook-Grundschule befürworteten nur 42 Prozent einen solchen Schritt.
"Komplexes Problem"
Obama hat nun ein härteres Vorgehen angekündigt. Er sagte bei seinem Besuch in Newtown: "Wir müssen zusammenkommen und handeln, um Tragödien wie diese zu verhindern. Ohne Rücksicht auf Parteipolitik." Allerdings wird dies nicht einfach werden, die US-Waffenlobby NRA hat großen Einfluss. Sie und ihre kleineren Gesinnungsgenossen haben Millionen Dollar in den jüngsten Präsidentschafts- und Kongresswahlkampf investiert, so viel wie seit 2000 nicht mehr. 96 Prozent flossen an republikanische Kandidaten.
Mit einer zügigen Verschärfung des Waffenrechts ist auch nach Obamas Ankündigung kaum zu rechnen. Gewalttaten mit Schusswaffen seien ein "komplexes Problem", das eine "umfassende Lösung" verlange, hieß es am Montag aus dem Weißen Haus. Eine schärfere Kontrolle des Waffenverkaufs sei nicht die einzige Lösung, um Bluttaten wie am vergangenen Freitag im US-Bundestaat Connecticut zu verhindern, sagte Regierungssprecher Jay Carney. Kein einzelnes Gesetz könne das Problem lösen.
Demokraten um die Senatorin Dianne Feinstein aus Kalifornien werden da schon konkreter, sie wollen nicht nur den Bann gegen halbautomatische Sturmgewehre wieder aktivieren. Nach dem Entwurf der Politikerin sollen der Verkauf, der Transfer, die Herstellung sowie der Import von rund hundert Modellen von Sturmgewehren verboten werden, wie es am Montag in einer Erklärung hieß. Auf der Liste stehen den Angaben Feinsteins zufolge halbautomatische Gewehre und Pistolen sowie Magazine mit mehr als zehn Schuss.
Die geplanten Verbote sollen aber nur neue Waffen betreffen, bisherige Besitzer solcher Modelle sollen diese auch behalten dürfen. Außerdem sieht der Text eine Reihe von Ausnahmen für Waffen vor - etwa für antike Stücke oder Waffen, die für den Sport oder die Jagd bestimmt sind. Feinstein wirbt nun im Senat und im Repräsentantenhaus für das Gesetz. Die Demokraten sind auf die Unterstützung der Republikaner angewiesen, die dort über die Mehrheit der Sitze verfügen.
Stumm ist bisher die NRA geblieben, sie hat sich bisher nicht zu dem Amoklauf in Newtown und dessen Folgen geäußert, ihr Facebook-Profil ist abgeschaltet.