Angebliche Entführung Verwirrungen um Aristides Abgang
Port-au-Prince/Washington - Bei einem Treffen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan äußerten die Mitglieder einer Gruppe afro-amerikanischer Kongressabgeordneter Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der US-Truppen in Haiti.
Der demokratische Abgeordnete Charles Rangel aus New York berichtete vor dem Treffen mit Annan, Aristide habe ihm gegenüber erklärt, dass er unter Druck zurückgetreten und entführt worden sei. Ähnlich äußerte sich die demokratische Abgeordnete Maxine Waters, die sich auf ein Telefongespräch mit Aristide berief. Der UN-Generalsekretär äußerte sich zunächst nicht öffentlich zu den Vorwürfen.
Der Bürgerrechtler Randall Robinson behauptete darüberhinaus im amerikanischen Nachrichtensender CNN: Zwanzig schwer bewaffnete US-Soldaten hätten Aristide abgeführt und in ein Flugzeug gesetzt, habe der gestürzte Präsident Haitis berichtet. Er sei von Aristide per Handy angerufen worden. Aristide habe berichtet, er werde zusammen mit seiner Frau in einem kleinen Raum ohne Telefon und Fernsehen festgehalten. Jemand habe ihm dann aber ein Handy eingeschmuggelt. Robinson leitete früher die Hilfsorganisation "TransAfrica Forum" in Washington.
Das Weiße Haus wies diesen Bericht als "vollständigen Unsinn" zurück, nannte den Verdacht "absurd". Die USA hätten Aristide geholfen, das Land sicher zu verlassen, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan. Solche Verschwörungstheorien würden dem haitianischen Volk nicht helfen. Aristide hat nach US-Angaben ein ausführliches Rücktrittsschreiben unterzeichnet.
Aristide traf am Montag in Zentralafrika ein. "Mit meinem Sturz haben sie den Baum des Friedens gefällt", sagte er in einer Radioansprache nach seiner Ankunft. "Aber er wird wieder wachsen, weil seine Wurzeln stark sind." In seiner ersten Rede seit seinem Rücktritt erwähnte Aristide eine mögliche Rückkehr nach Haiti nicht.
Der staatliche Rundfunk in Bangui berichtete, Aristide werde einige Tage im Land bleiben und dann möglicherweise nach Südafrika weiterreisen. Der stellvertretende südafrikanische Außenminister Asis Pahad sagte dagegen, er glaube nicht, dass Aristide Asyl in seinem Land beantragt habe.
In Haitis Hauptstadt Port-au-Prince tanzten derweil die Bewohner in den Straßen und liefen neben den Fahrzeugen der Rebellen her. Die Rebellen waren erst kurz zuvor eingerückt. Der vom ehemaligen stellvertretenden Polizeichef Guy Philippe angeführte Konvoi von mehr als 70 Aufständischen war am Morgen in der westhaitianischen Stadt Gonaives losgefahren, wo der Aufstand vor mehr als drei Wochen begonnen hatte. Bei der Ankunft der Fahrzeuge auf dem zentralen Platz vor dem Nationalpalast versammelten sich dort mehrere tausend Menschen, die "Freiheit" und "Aristide ist weg" skandierten.
Philippe sagte der Nachrichtenagentur AP, seine Männer wollten den Palast für den neuen Präsidenten sichern. Er bezog sich damit auf den Interimspräsidenten Boniface Alexandre, der am Sonntag erklärt hatte, er werde vorläufig Haiti regieren.
Der Uno-Sicherheitsrat beschloss einstimmig die Entsendung der Eingreiftruppe für Haiti. Dort wurden zunächst rund 180 amerikanische Marineinfanteristen stationiert. In Port-au-Prince war es am Sonntag nach dem Bekanntwerden von Aristides Ausreise zu Plünderungen gekommen. Mehr als 3000 Häftlinge wurden aus dem Staatsgefängnis befreit. Am Nachmittag griff die Polizei ein, und die Gewalt ließ nach.