Merkel in der Türkei Du, du, du!

Angela Merkel hat sich auf einen Deal mit der Türkei eingelassen, den sie besser unterlassen hätte. Jetzt reist sie ständig in die Türkei und zeigt "Besorgnis". Konsequenzen hat das keine.
Bundeskanzlerin Merkel in Istanbul mit Staatspräsident Erdogan

Bundeskanzlerin Merkel in Istanbul mit Staatspräsident Erdogan

Foto: Michael Kappeler/ dpa

Es klingt heuchlerisch aus dem Munde Horst Seehofers, wenn er Angela Merkel vorwirft, sie habe den EU-Beitritt der Türkei und die Visumfreiheit mit dem Flüchtlingspakt "vermengt" und Deutschland damit in Abhängigkeit gebracht "oder gar erpressbar" gemacht. Schließlich war er es, der die Bundeskanzlerin so sehr unter innenpolitischen Druck gesetzt hat, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als dieses Abkommen mit der Türkei einzugehen.

Selbstverständlich hätte Merkel diesen Deal niemals eingehen dürfen, wonach Flüchtlinge, die es nach Europa schaffen, zurück in die Türkei geschickt werden und im Gegenzug für jeden Abgeschobenen ein Syrer aus der Türkei in die EU geholt wird. Und selbstverständlich hätte man dieses Austauschgeschäft niemals mit Forderungen nach einer EU-Mitgliedschaft oder Visumfreiheit verknüpfen dürfen. Aber Politiker wie Seehofer und Parteien wie die CSU haben dafür gesorgt, dass Merkels Kurs der Solidarität mit den Flüchtlingen in der EU nicht durchsetzbar war.

Jetzt also war die Kanzlerin schon wieder in der Türkei, zum fünften Mal innerhalb eines guten halben Jahres, um einen schlechten Deal mit einem unzuverlässigen Partner, an dessen Spitze ein autoritärer Machtmensch steht, zu retten - gewiss keine Aufgabe, die Freude bereitet. Aber es geht um das wohl wichtigste außenpolitische Vorhaben ihrer Kanzlerschaft. Ihre politische Zukunft hängt davon ab, ob sie das Flüchtlingsthema in den Griff bekommt oder nicht.

Merkel zeigt sich erneut "tief besorgt"

Nur so erklärt sich, dass weder die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung in den kurdisch besiedelten Gebieten noch die Aufhebung der Immunität eines Viertels der Abgeordneten noch der furchtbare Umgang der türkischen Regierung mit Journalisten, Demonstranten, Kritikern jeder Art noch die Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz irgendwelche Konsequenzen für die Türkei haben. Mal abgesehen von der wahrscheinlichen Verzögerung der Visumfreiheit, aber die trifft nicht den Richtigen. Merkel zeigt sich also erneut "tief besorgt" und "pocht" auf bestimmte Werte.

Es bleibt, wieder einmal, beim "Du, du, du!" Erdogan weiß, dass er den erhobenen Zeigefinger der Kanzlerin geflissentlich ignorieren kann. Er hat es mehrfach selbst gesagt: Die EU braucht die Türkei mehr als umgekehrt. Zumindest in der Flüchtlingspolitik hat er leider recht, dank der Unfähigkeit der EU, eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zustande zu bringen. Merkel hat ihre Willkommenskultur aufgegeben, die EU ihre Werte verraten. Nun sind beide dazu verdammt, sich mit Erdogans Türkei einig werden zu müssen.

Immerhin einen Erfolg hat der Deal gebracht: Seit seinem Zustandekommen sind deutlich weniger Menschen in der Ägäis ertrunken. Aber um das Wohl der Flüchtlinge scheint es bei diesem Handel längst nicht mehr zu gehen.

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