Angriff auf Ziele in Syrien In Israel wächst die Angst vor einem neuen Krieg

Die Angriffe der eigenen Jets auf Ziele in Syrien versetzen die israelische Bevölkerung in Sorge: Zieht der geheimnisumwitterte Luftschlag nahe Damaskus Israel in den syrischen Bürgerkrieg hinein? Im Norden des Landes decken sich die Menschen bereits mit Gasmasken ein.
Israelischer F-16D Bomber (Archivbild): Angriff auf Forschungszentrum und Konvoi

Israelischer F-16D Bomber (Archivbild): Angriff auf Forschungszentrum und Konvoi

Foto: David Silverman/ Getty Images

Zwei Tage nach dem nächtlichen Angriff israelischer Kampfjets auf Ziele in Syrien schürte die israelische Presse am Mittwoch die Angst vor einem regionalen Krieg. "War dies das Zeichen dafür, dass an der Nordfront ein militärischer Flächenbrand seinen Anfang genommen hat?", fragte "Yedioth Ahronoth", Israels auflagenstärkste Tageszeitung. "Israel in Sorge über Racheakt der Hisbollah" titelte die linksliberale "Haaretz".

Damaskus und Beirut seien mit größter Wahrscheinlichkeit damit beschäftigt zu entscheiden, wie sie auf den Israel zugeschriebenen Angriff auf Syrien antworten wollten, schreibt die konservative "Israel Hayom": "Ihre Optionen sind Zurückhaltung, Krieg oder gezielte, begrenzte Reaktionen."

Obwohl der Luftangriff am Donnerstag das beherrschende Thema der israelischen Medien war und sogar die laufenden Koalitionsverhandlungen auf die letzten Seiten verdrängt hatte, war 36 Stunden nach Einschlag der Geschosse immer noch unklar, was sich am syrischen Nachthimmel tatsächlich abgespielt hatte. Die israelischen Medien unterliegen einer strikten Militärzensur und konnten so nicht zur Aufklärung der Aktion beitragen. Ihnen blieb allein, über die Folgen zu spekulieren.

Westliche Medien berichten, der Luftschlag in der Nacht zum Mittwoch habe einem Waffenkonvoi gegolten, der im Begriff war, von syrischem auf libanesisches Gebiet überzuwechseln. Die Fahrzeuge sollen Waffen für die mit Damaskus verbündete libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah transportiert haben.

Syrische Stellen bestreiten das: Danach hätten tieffliegende israelische Jets ein militärisches Forschungszentrum in Dschamraja in der Provinz Damaskus ins Visier genommen. Dabei seien der Komplex zerstört und zwei Arbeiter getötet worden.

Politik der Prävention

Es ist nicht ausgeschlossen, dass beides stimmt: Dass ein Konvoi nahe der Forschungsanlage angegriffen und beides zerstört wurde. Dass der Angriff zumindest auch einem Waffentransport gegolten hat, erscheint nach derzeitigem Stand immerhin wahrscheinlich: Israel verfolgt seit Jahren eine sogenannte "Politik der Prävention". Waffen, die zu einer Attacke auf Israel genutzt werden können, sollen danach möglichst weit weg von der Heimat unschädlich gemacht werden.

So bombardierten Kampfflugzeuge seit 2009 drei Mal Ziele im Sudan. Dem Vernehmen nach steckt Israel hinter den Angriffen, mit denen Waffenlieferungen an die im Gaza-Streifen herrschende Hamas abgefangen werden sollten. Die zerstörten Waffen sollen aus Iran an den Sudan geliefert worden sein, von dort aus hätten sie über den Landweg über Ägypten in den Gaza-Streifen geschafft werden sollen.

Der jetzige Angriff in Syrien könnte ähnlicher Natur gewesen sein. Schon seit Monaten warnt die israelische Regierung, dass das syrische Regime den Schlagschatten des Bürgerkrieges nutzen könnte, um ausgefeilte Waffensysteme an die Hisbollah zu liefern. Denkbar sei dabei auch, dass Syrien auf diese Weise eigene Arsenale in den Libanon verlegen könnte, weil es sie dort sicherer glaubt als im eigenen Land.

In der vergangenen Woche hatte Israel mehrfach darauf hingewiesen, dass die Gefahr bestünde, Syrien würde Teile seiner Chemiewaffen in die Hand der Hisbollah geben. Mit einem solchen Schritt würde eine kritische Grenze überschritten, hatte Jerusalem verkündet. Israel würde einen solchen Transfer unbedingt zu verhindern suchen.

Gefahr für Marine und Bohrinseln

Bei den Waffen, die nach Ansicht Israels nicht in die Hände der Hisbollah gelangen dürfen, handelt es sich laut Medienberichten einerseits um Flugabwehrraketen vom Typ SA-17. Diese könnten den Bewegungsradius der israelischen Luftwaffe erheblich einschränken. Derzeit dringen israelische Jets regelmäßig in den libanesischen Luftraum ein. Nach Angaben der libanesischen Armee überflogen allein am Dienstag 16 israelische Kampfjets das libanesische Staatsgebiet. Israel hat ein entsprechend klares Bild davon, was im von der Hisbollah kontrollierten Südlibanon und entlang der von Schmugglerpfaden durchzogenen Grenze zu Syrien vor sich geht.

Sollte die Schiitenmiliz künftig in der Lage sein, israelische Aufklärer vom Himmel zu holen, liefe Israel Gefahr, diesen Wissensvorsprung zu verlieren.

Israel sei zudem in "großer Sorge" darüber, dass Präsident Baschar al-Assad Boden-See-Raketen vom Typ "Yakhont" an die Hisbollah liefern könnte, schreibt Amir Rapaport in der "Maariv". Diese flögen mit Überschallgeschwindigkeit mehrere hundert Kilometer weit und könnten eine Gefahr für Israels Marine und israelische Bohrinseln im Mittelmeer darstellen. Auch fürchte Israel, dass modernste Boden-Boden-Raketen vom Typ "Scud" oder "M-600" in die Hände der Hisbollah gelangen könnte.

Nachfrage nach Gasmasken

Seit der Wahl in Israel vor nunmehr zehn Tagen hatte es vermehrt Zeichen gegeben, dass Israel ein Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg erwägt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu berief mehrfach das Sicherheitskabinett zu geheimen Sitzungen ein, gleichzeitig sandte er hochrangige Abgesandte nach Moskau und Washington.

Die israelische Armee verlegte am Sonntag zwei Batterien des Raketenabfangsystems "Eiserne Kuppel" in den Norden des Landes. Israelische Medien berichteten am Donnerstag davon, dass die Einwohner an der Grenze zum Libanon Vorkehrungen für einen erneuten Krieg mit dem Nachbarn machten. Die Nachfrage nach vom Staat gestellten Gasmasken, die auf israelischen Postämtern verteilt werden, hätte sich in den vergangenen Stunden fast verdreifacht, in Jerusalem gar verzehnfacht.

Ob das in einem blutigen Bürgerkrieg verfangene syrische Regime tatsächlich so weit gehen wird, einen Vergeltungsschlag gegen Israel zu führen und sich so in einen Zwei-Fronten-Krieg zu verstricken, scheint trotz der israelischen Sorgen fraglich. In der Vergangenheit hat Syrien mehrfach Attacken seitens Israel hingenommen, ohne militärisch auf sie zu reagieren.

Im September 2007 flogen - aller Wahrscheinlichkeit nach israelische - Kampfjets einen Angriff auf einen Atomreaktor im syrischen Deir al-Sor und zerstörten die Anlage. Im Februar 2008 starb der Militär-Chef der Hisbollah bei der Explosion einer Autobombe mitten in Damaskus - vieles weist darauf hin, dass Israel hinter dem Attentat steckte.

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