Anhörung im Unterhaus Murdoch wappnet sich für den Showdown

Medienzar Murdoch (Mitte): Auf dem Papier eine Milliarde Dollar ärmer
Foto: Kirsty Wigglesworth/ APFür Rupert Murdoch ist es eine neue Erfahrung. Wenn der milliardenschwere Medienboss an diesem Dienstagnachmittag im britischen Unterhaus erscheint, dann werden die anwesenden Politiker ihn nicht hofieren, wie er es gewohnt ist. Nein, dieses Mal werden sie ihm unangenehme Fragen stellen - das zumindest haben sie angekündigt. "Wir wollen die ganze Wahrheit", sagte der Labour-Abgeordnete Paul Farrelly. "Wer, was, warum und wie?", ergänzte der liberaldemokratische Abgeordnete Adrian Sanders.
Um 14.30 Uhr Ortszeit werden Rupert Murdoch, 80, und sein Sohn James, 38, vor dem Ausschuss erwartet. Sie sollen erklären, warum ihre Manager und Chefredakteure in dem Abhörskandal um die "News of the World" offensichtlich jahrelang getäuscht und vertuscht haben - und was sie selbst davon wussten. Gleich nach ihnen sagt dann Rebekah Brooks aus. Die 43-Jährige, von Lästermäulern gern als "Murdochs fünfte Tochter" bezeichnet, war bis zu ihrem Rücktritt am vergangenen Freitag Chefin von News International und damit Murdochs Statthalterin in Großbritannien.
Es geht um viel: Die vergangenen zwei Wochen haben gezeigt, welche Zerstörung der außer Kontrolle geratene britische Skandal in Murdochs globalem Imperium anrichten kann. Der greise Patriarch musste nicht nur seine größte britische Zeitung aufgeben, sondern auch die vollständige Übernahme des Bezahlsenders BSkyB abblasen. Mit Brooks und Les Hinton, dem Chef des US-Verlags Dow Jones, verlor er gleich zwei seiner Top-Manager. Die Aktienkurse seiner Unternehmen sind im freien Fall, auf dem Papier ist er bereits um eine Milliarde Dollar ärmer.
Auch der Traum, seine Firma News Corporation an seinen Sohn James zu übergeben, scheint vorbei. Als Europa-Chef von News Corp. ist Murdoch junior tief genug in den britischen Skandal verstrickt, dass sein Name nachhaltig beschädigt sein dürfte. Die "Financial Times" spekuliert bereits über die "Murdoch-freie News Corporation" und empfiehlt dem Verwaltungsrat, die Murdochs aus dem Management zu entfernen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, es gebe sogar schon einen Plan für die Nachfolge. Demnach soll der Vorstand für das operative Geschäft, Chase Carey, neuer Chef werden.
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Angesichts der vielen Spekulationen sah sich das Top-Management gezwungen, dem Altmeister beizuspringen. Murdoch habe die volle Unterstützung des Verwaltungsrats und es gebe keine Pläne, ihn wegen des Abhörskandals zu ersetzen, sagte News-Corp.-Verwaltungsratsmitglied Thomas Perkins.
Am Montag war obendrein der frühere "News of the World"-Journalist Sean Hoare tot aufgefunden worden, der den Skandal im vergangenen Jahr mit öffentlichen Aussagen im "New York Times Magazine" erheblich befeuert hatte. Der Tod sei nicht verdächtig, teilte die Polizei mit. Doch die Hackergruppe "Lulz Security" stellte sogleich einen Zusammenhang her: Sie verschaffte sich am Montagabend Zugang zur Webseite der Murdoch-Zeitung "The Sun" und vermeldete dort, Rupert Murdoch sei tot in seinem Garten aufgefunden worden. Die "Sun" löschte die Falschmeldung nach kurzer Zeit.
Buhlen um Sympathiepunkte
Vor dem Unterhausausschuss müssen Vater und Sohn daher Schadensbegrenzung betreiben. Rupert Murdoch weiß, dass sein Ruf auf dem Spiel steht. In den vergangenen Tagen hat er sich akribisch auf den Auftritt vorbereitet, aus New York hat er eigens den Kommunikationsberater Steven Rubenstein einfliegen lassen.
Beobachter erwarten eine zweiteilige Strategie. Zum einen wird Murdoch sich wohl wie in den vergangenen Tagen reuig geben. Am Freitag hatte er in London die Eltern von Milly Dowler getroffen und sich bei ihnen entschuldigt. Die Nachricht, dass Murdoch-Journalisten die Mailbox des 2002 entführten Kindes abgehört hatten, war der Auslöser für die gewaltige Welle der Empörung, die Murdoch seit zwei Wochen vergeblich zu stoppen versucht. Am Wochenende hatte News Corp. auch in allen britischen Zeitungen ganzseitige Anzeigen geschaltet. "We are sorry" stand darüber, unterzeichnet war sie von Rupert Murdoch persönlich.
Die Rolle des reuigen Familienunternehmers ist jedoch nur der eine Teil der Verteidigungsstrategie. Es wird auch erwartet, dass Murdoch in die Offensive geht. Er könnte etwa darauf hinweisen, dass er eine wesentliche Stütze der britischen Presse sei. Tatsächlich füttert er mit den Gewinnen aus seinen Boulevardblättern seit Jahrzehnten die defizitären "Times" und "Sunday Times" mit durch. Schon jetzt verweisen einige Kommentatoren darauf, dass Großbritannien ohne Murdoch ärmer wäre.
Ob die Strategie aufgeht, hängt nicht zuletzt davon ab, ob Murdoch seine Contenance bewahren kann. Der alte Mann brause leicht auf, wenn er sich angegriffen fühle, sagte sein Biograf Michael Wolff dem "Independent". Interviews gebe er deshalb normalerweise nur seinen eigenen Zeitungen wie zuletzt dem "Wall Street Journal", die Interviewer behandele er dabei wie seine Angestellten.
Aber auch die Abgeordneten müssen aufpassen, dass sie bei der Befragung nicht zu aggressiv werden und sich künstlich erregen. "Das könnte wie Lynchjustiz aussehen", sagte Medienanwalt Geoffrey Robertson der BBC. Murdoch sei ein cleverer Mann. Er werde versuchen, die öffentliche Wahrnehmung zu verändern und Sympathiepunkte zu sammeln.
"Feuerwerk" vor dem Ausschuss?
Der Empfang im Ausschuss dürfte kühl ausfallen. Im Vorfeld hatten die Murdochs die Abgeordneten bereits unnötig verärgert, als sie vorschoben, am Dienstag keine Zeit zu haben. Erst als der Ausschuss ihnen eine förmliche Vorladung zustellen ließ, besannen sie sich eines Besseren. Die Machtprobe mit dem Parlament wollten sie dann doch nicht riskieren, schließlich sind sie für ihre Sky-Fernsehlizenz auf das Wohlwollen der britischen Politik angewiesen.
Wenn es ihnen bei der Anhörung zu haarig wird, können die Murdochs und Brooks jederzeit schweigen - mit Verweis auf die laufenden polizeilichen Ermittlungen. Niemand kann gezwungen werden, sich selbst zu belasten. Insbesondere James Murdoch muss aufpassen: Er hat bereits öffentlich bedauert, die Schweigegeldzahlungen an prominente Abhöropfer autorisiert zu haben. Jeder falsche Satz könnte benutzt werden, ihm Mitwisserschaft und Vertuschung nachzuweisen.
Ein Ausschussmitglied versuchte die Erwartungen an die Anhörung daher zu dämpfen. Liberaldemokrat Sanders sagte, es werde "kein Feuerwerk" geben.