Anhörung vor Gericht Fluchtgefahr - Strauss-Kahn bleibt in U-Haft
Hamburg - Mit gesenktem Kopf betrat Dominique Strauss-Kahn am Montag den Gerichtssaal 130 im Criminal Courthouse in Lower Manhattan. Das Kinn unrasiert, das Hemd am Hals offen. Er trug noch immer den gleichen Anzug wie bei seiner Verhaftung. Auf Handschellen hatten die Polizisten, die ihn begleiteten, aber verzichtet. Mit müden Augen verfolgte der Franzose die Argumente der Staatsanwaltschaft und seiner Anwälte. Er selbst sprach nicht. Seinem Gesicht war auch keine Regung zu entnehmen, als Richterin Melissa Jackson ihre Entscheidung verkündete: Strauss-Kahn bleibt in Untersuchungshaft.
Seine Anwälte plädierten auf "nicht schuldig". "Wir werden beweisen, dass er unschuldig ist", sagte einer von ihnen anschließend, vor dem Gerichtsgebäude. "Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass er einen fairen Prozess bekommt. Dann werden wir alle Vorwürfe gegen unseren Mandanten entkräften."
Mindestens bis zum nächsten Anhörungstermin am Freitag muss der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) nun hinter Gittern bleiben. Bis dahin soll der DNA-Test ausgewertet sein, dem er sich unterzogen hatte. Dann tritt die Grand Jury zusammen, die letztlich entscheiden muss, ob es ein Hauptverfahren geben wird. Strauss-Kahns Frau, die Journalistin Anne Sinclair, sollmittlerweile auf dem Weg nach New York sein.
DNA-Spuren unter den Fingernägeln?
Dem Top-Banker werden versuchte Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und ein "krimineller sexueller Akt" vorgeworfen. Der Antrag seiner Anwälte, ihn gegen eine Kaution von einer Million Dollar auf freien Fuß zu setzen, ist mit dem Spruch vom Montag vorerst gescheitert. Es bestehe Fluchtgefahr, erklärte die Richterin und folgte damit der Argumentation der Staatsanwälte. Zudem hätten erste medizinische Ergebnisse die Darstellung des Zimmermädchens bestätigt.
DNA-Spuren könnten die Sache am Ende entscheiden: Wenn es tatsächlich einen kurzen Kampf gegeben haben sollte, bei dem die Frau verletzt wurde, müssten sich bei den Beteiligten zum Beispiel unter den Fingernägeln oder auf der Haut Spuren des jeweils anderen finden. Laut der Staatsanwaltschaft ist es zu einem Gerangel gekommen. Zweimal, so schildern es die Ankläger detailliert, habe der Penis den Mund der Frau berührt. Auch habe Strauss-Kahn sie im Vaginalbereich angefasst.

IWF-Chef Strauss-Kahn: Ein Boss in Handschellen
Strauss-Kahn hatte am späten Vormittag New Yorker Zeit auf einer Bank im Gerichtssaal des Manhattan District Court Platz genommen und darauf gewartet, dass sein Fall aufgerufen wurde. Er wirkte übermüdet, verbittert - und musste warten, wie jeder andere Verdächtige auch. Laut CNN saßen um ihn herum mutmaßliche Drogendealer, Diebe und Schmuggler.
Draußen vor dem Gebäude warteten Hunderte Journalisten auf Neuigkeiten. Der Gerichtssaal drinnen war voll. Wer nicht mehr reingekommen war, verließ sich auf Twitter-Meldungen der Kollegen.
Französische Medien berichten von einem Alibi
Der Franzose war am Samstag in New York festgenommen worden. Am Montag hatten französische Medien von entlastenden Indizien berichtet. Der Radiosender RMC und die Zeitung "Le Monde" hatten übereinstimmend berichtet, Strauss-Kahn sei zum angeblichen Tatzeitpunkt mit seiner Tochter zum Essen in einem Restaurant gewesen. Die Anwälte Strauss-Kahns hätten Beweise und Zeugen dafür. Zudem habe er das Ticket für den Flug nach Paris lange im Voraus gebucht. Französische Medien hatten zuvor betont, Strauss-Kahn könne jede Air-France-Maschine auch kurzfristig nutzen.
Das 32-jährige angebliche Opfer habe Strauss-Kahn bei einer Gegenüberstellung auf einer Wache in Manhattan klar erkannt, berichtete die Zeitung "New York Daily News" am Sonntag. Es handelt sich nach Polizeiangaben um eine Frau aus Guinea, die seit drei Jahren im Sofitel-Hotel nahe des Times Square in Manhattan arbeitet. Medienberichten zufolge lebt sie mit einer Tochter im Teenager-Alter in der Bronx.
Strauss-Kahns zweiter Verteidiger, Staranwalt Benjamin Brafman, kündigte an, sein Mandant werde sich "mit aller Macht gegen die Vorwürfe wehren".
Inzwischen sind auch neue Vorwürfe aus seinem Heimatland laut geworden: Dort erwägt eine Journalistin, gegen den 62-Jährigen zu klagen. Tristane Banon ist nach eigener Darstellung 2002 von Strauss-Kahn sexuell belästigt worden.