Anna Lindh Am Abend wollte sie für den Euro werben
Stockholm - Der mit Abstand beliebteste Politiker des Landes erschossen, einfach so, auf dem Rückweg vom Kinobesuch mit seiner Frau - für die schon traditionell der Neutralität verpflichteten und seit jeher auf Gewaltfreiheit verpflichtete schwedische Gesellschaft brach damals eine Welt zusammen. Dass ein heruntergekommener Alkoholiker ihren Musterdemokraten auf offener Straße niedergestreckt haben sollte, ein Trauma legte sich über das Land, von dem sich die Schweden lange Jahre nicht recht erholen konnten.
Aber nun traf es die beliebteste Politikerin des Landes. Bei Umfragen rangierte Anna Lindh gleich hinter den Mitgliedern des Königshauses. Eine renommierte Tageszeitung kürte die Außenministerin gerade erst zur "Ja-Königin" des Landes, für ihren unermüdlichen Werbefeldzug für ein Ja der Schweden zum Euro kommenden Sonntag beim mit Spannung erwarteten Referendum. "Sechs Tage pro Woche", so das Blatt anerkennend, "wirbt sie um Seelen für den Euro".
Von der populären Sozialdemokratin hing viel ab in der Volksabstimmung. Ihre Popularität konnte entscheidenden Anteil daran haben, falls die Stimmung im Lande doch noch kippte - hin zu einem Ja in letzter Minute. Dafür war sie auf einer politischen Marathon-Tour unterwegs - und immer ohne Sicherheitsschutz. Ob bei Schulbesuchen zwischen mehreren hundert jungen Erwachsenen, bei Migranten-Organisationen oder auf Marktplätzen, wie zum Beispiel letzte Woche in Södertälje, außer ihrem Sprecher und manchmal dem einen oder anderen Parteifreund war niemand an ihrer Seite.
"Bodygards brauchen wir nicht in Schweden", sagte einer ihrer Vertrauten noch eben erst, "das ist in Schweden nicht üblich" - auch nicht nach jüngsten Terrorwarnungen quer durch Europa. Einzige Ausnahme war immer wieder der Regierungschef Göran Persson.
Dabei war der Werbefeldzug Ann Lindhs für den Euro durchaus heikel. In ihrem Wahlkampf musste sie durchaus ungewöhnliche Koalitionen eingehen, etwa mit oppositionellen Politikern oder umstrittenen Wirtschaftsbossen. Und über die europäische Integration und erst recht den Tausch der Schweden-Krone gegen den Euro ist das Land tief gespalten und die Debatte wird mit großer Leidenschaft geführt. Für Mittwochabend war eine Fernsehdebatte, an der sie teilnehmen sollte, angesetzt.