Attentäter von Brüssel Das kriminelle Vorleben der Terrorbrüder

Zwei der Angreifer von Brüssel sind identifiziert: Die Brüder gehörten zum engen Umfeld des Paris-Attentäters Salah Abdeslam. Beide haben eine Vergangenheit als Schwerverbrecher.
Fahndungsfoto aus Brüssel

Fahndungsfoto aus Brüssel

Foto: AFP/ Interpol
Der schnelle Überblick

Das ist passiert:• Bei der Anschlagserie in der Abflughalle des Brüsseler Flughafens und in der U-Bahn wurden mindestens 31 Menschen getötet und mehr 300 verletzt.
• Zu den Attentätern gehört ein Brüderpaar: Ibrahim El Bakraoui, 29, sprengte sich am Flughafen in die Luft, sein Bruder Khalid, 27, in einem Metro-Waggon an der Station Maelbeek.
• Najim Laachraoui ist inzwischen als zweiter Selbstmordattentäter vom Brüsseler Flughafen identifiziert worden. Er soll ebenfalls im Zusammenhang mit den Anschlägen von Paris stehen.
• Ein dritter Haupttäter vom Flughafen soll sich auf der Flucht befinden. Nach ihm wird gefahndet.
• Die Terrororganisation "Islamischer Staat" hat sich zu den Attacken bekannt.
• Belgien hat die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen.


Auf dem letzten Bild, das es von Ibrahim El Bakraoui gibt, wirkt er gelassen. Er trägt eine schwarze Jacke, einen schwarzen Handschuh an der linken Hand, er schiebt einen Gepäckwagen durch die Flughafenhalle, als wolle er verreisen. Rechts und links von ihm laufen zwei Komplizen, ihre Identitäten sind bislang ungeklärt. Die Haltung der drei Männer verrät nichts Ungewöhnliches, dabei wird sich Ibrahim El Bakraoui, 29, wenig später im Terminal des Brüsseler Flughafens in die Luft sprengen.

El Bakraouis Bruder Khalid, 27, wiederum zündet nach offiziellen Angaben eine Stunde später in der U-Bahn-Station Maelbeek einen Sprengsatz und stirbt dabei. Insgesamt kamen bei den Anschlägen am Dienstag in der belgischen Hauptstadt 31 Menschen ums Leben, 270 wurden verletzt.

Die beiden über ihre Fingerabdrücke identifizierten Attentäter scheinen zum Umfeld und Unterstützerkreis des am Freitag festgenommenen Terrorverdächtigen Salah Abdeslam zu zählen. Khalid hatte nach Erkenntnissen der Ermittler unter falschem Namen die Wohnung im Brüsseler Stadtteil Forest angemietet, in der Abdeslam gefasst worden war. Womöglich konnten die Brüder während des Polizeieinsatzes am Freitag entkommen. Abdeslam soll maßgeblich an den November-Anschlägen in Paris beteiligt gewesen sein und gilt als Cheflogistiker der Zelle um den in Paris getöteten Belgier Abdelhamid Abaaoud.

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Anschläge in Brüssel: Selbstmordattentäter und Verdächtige

Foto: REUTERS/ CCTV

Die Brüder El Bakraoui kommen aus dem schwerkriminellen Milieu, wenngleich sie bereits wegen einer möglichen Beteiligung an den Anschlägen von Paris gesucht worden waren. Wie die Tageszeitung "Dernière Heure" berichtet, hatte ein Brüsseler Gericht Ibrahim El Bakraoui im Oktober 2010 zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Einige Monate zuvor hatte er mit zwei Komplizen einen Börsenmakler überfallen und einen Polizisten mit Schüssen aus einer Kalaschnikow verletzt.

Die Brüder tauchten unter

Sein Bruder Khalid wiederum musste sich demnach im Februar 2011 ebenfalls wegen eines Raubüberfalls vor Gericht verantworten. Auch er war mit einem Sturmgewehr bewaffnet, als die Polizei ihn fasste. Sein Urteil: fünf Jahre Gefängnis. Bislang ist unklar, warum sich die Brüder El Bakraoui zuletzt auf freiem Fuß befanden.

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Auch der Brüsseler Islamist Najim Laachraoui, nach dem ebenfalls unter anderem im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen gefahndet wird, bewegt sich seit Jahren im Untergrund. 2013 hatte er sich nach Syrien abgesetzt und war in seiner Abwesenheit zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Wahrscheinlich nutzte er nach seiner Rückkehr - oder auch zum Zwecke seiner Rückkehr - eine falsche Identität. Am Donnerstagabend berichteten belgische Medien, Laachraoui sei einer der Selbstmordattentäter gewesen, die sich auf dem Brüsseler Flughafen in die Luft gesprengt hatten. Eine offizielle Bestätigung gab es jedoch zunächst nicht.

Laachraoui hatte bis 2012 an einer katholischen Hochschule in Brüssel Elektrotechnik studiert und soll Sprengstoffexperte der Gruppe um Abaaoud gewesen sein.

Nach Berichten belgischer und französischer Zeitungen bringen kriminaltechnische Untersuchungen Laachraoui in einen Zusammenhang mit dem bei den Pariser Anschlägen verwendeten Sprengstoff TATP. Es gilt als wahrscheinlich, dass er auch mit den Chargen Aceton und Wasserstoffperoxid hantiert hat, die am Dienstagabend bei einer Razzia im Stadtteil Schaerbeek gefunden worden waren.

Najim Laachraoui war mit Abdeslam und dem Islamisten Mohamed Belkaïd alias Samir Bouzid Anfang September nach Budapest gefahren. Zweimal wurde das Trio auf seiner Tour von der Polizei kontrolliert. Doch da Laachraoui sich mit falschen Papieren als Soufiane Kayal ausgab und gegen die anderen Extremisten nichts vorlag, durften die Männer passieren. Den österreichischen Polizisten sagten sie noch, sie wollten in Wien Urlaub machen. Auf der Rückfahrt nach Brüssel übernachteten sie dann in einem Rasthof im unterfränkischen Kitzingen.

Am Dienstagabend fanden die Ermittler die letzte Botschaft des Selbstmordattentäters Ibrahim El Bakraoui, auf einem Laptop, in einer Mülltonne. Es war eine Audiobotschaft. "Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte", sagte der Terrorist. Er sei "überall gesucht" worden und "nicht mehr in Sicherheit" gewesen. Er wolle unsterblich werden, nicht "in einer Zelle neben ihm enden". Gemeint ist wohl Abdeslam.

Am Montagmorgen, um kurz vor 8 Uhr, starb Ibrahim El Bakraoui in der Abflughalle des Brüsseler Flughafens.

Im Video: Amateuraufnahmen aus dem Brüsseler Flughafen

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