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Lars Vilks: Provokateur für Meinungsfreiheit

Foto: TT NEWS AGENCY/ REUTERS

Zeichner Lars Vilks Provokation als Kunst

Der Angriff von Kopenhagen soll sich auch gegen den Karikaturisten Lars Vilks gerichtet haben. Seine Profession ist die Provokation. Bekannt wurde er durch eine Zeichnung, die den Propheten Mohammed als Hund zeigt.

Kopenhagen - "Ich bin kein fanatischer Rassist, ich habe keine politische Haltung. Ich bin ein Künstler, der an die Grenzen geht." Wer eine wirkliche Debatte über Meinungsfreiheit und den Islam wolle, müsse provozieren, sagte Lars Vilks 2010 der Nachrichtenagentur AFP. Und genau das macht Vilks: provozieren, in jede Richtung.

Seit dem Jahr 2007, in dem seine Karikatur des Propheten Mohammed als Hund veröffentlicht wurde, hat der schwedische Künstler, Kunstkritiker und ehemalige Professor für Kunsttheorie eine Reihe von Angriffen und Attentatsversuchen überlebt.

Am späten Samstagnachmittag schoss ein Unbekannter auf ein Kulturcafé in Kopenhagen, in dem eine Veranstaltung mit Lars Vilks stattfand. Das Thema: Kunst, Islam und Meinungsfreiheit. Ein Mann starb - die Polizei geht davon aus, dass Vilks Ziel des Anschlags war. Wenige Stunden später fielen nahe einer Synagoge erneut Schüsse. Ein Gemeindemitglied wurde getötet, zwei Polizisten verletzt. Am Sonntagmorgen meldete die Polizei, dass der Verdächtige bei einem Einsatz erschossen wurde.

"Nett, zu wissen, wie viel das eigene Leben wert ist"

Vilks' Mohammed-Zeichnung war ursprünglich als ironischer Beitrag für eine Kunstausstellung über Hunde gedacht - und nahm den Karikaturenstreit von Dänemark aus dem Jahr 2005 auf. Weltberühmt wurde die Zeichnung erst, als die schwedische Lokalzeitung "Nerikes Allehanda" sie zur Illustration eines Leitartikels über Meinungsfreiheit veröffentlichte.

Bei Muslimen in aller Welt stieß die Zeichnung auf Empörung. Ägypten, Pakistan und der Iran legten förmlichen Protest ein. Der irakische Zweig von al-Qaida setzte ein Kopfgeld für Vilks' Ermordung aus: 100.000 Dollar für seinen Tod und - sollte er wie "ein Lamm abgeschlachtet" werden - noch mal 50.000 Dollar. Ob man denn auf Kopfgeld Steuern entrichten müsse, fragte Vilks damals. Und: Es sei "nett, zu wissen, wie viel das eigene Leben wert" sei.

Als eine Journalistin damals meinte, er würde ja auch nicht die Zeichnung einer "Judensau" veröffentlichen, reagierte Vilks postwendend - und zeigte auf seiner Webseite eine Zeichnung, die sich der Motive antisemitischer Karikaturen bediente. Die Organisation "Säkulare Muslime in Schweden" zog daraufhin das Angebot zurück, die Mohammed-Hunde auszustellen und eine Diskussionsrunde mit ihm zu veranstalten: Mit seinem "antisemitischen Zerrbild habe Vilks eine Grenze überschritten. "Man muss mehr als blind sein, um misszuverstehen, dass dies nur die Parodie einer Karikatur sein sollte", sagte der Künstler daraufhin laut der "taz".

Lars Vilks lebt seit acht Jahren unter ständiger Lebensgefahr, steht unter Polizeischutz und musste zwischenzeitlich sein Haus in Südschweden verlassen. Dennoch bedauert er nichts. "Ich versuche, gelassen zu bleiben. Das Gute ist, dass die Leute, die bisher hinter mir her waren, Amateure sind," sagte er AFP.

Mordpläne schmiedete unter anderem die zum Islam konvertierte US-Bürgerin Colleen LaRose alias "Jihad Jane", die vor rund einem Jahr wegen Terrorismus zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Im Mai 2010 warfen zwei schwedische Brüder mit kosovarischen Wurzeln Molotowcocktails auf Vilks' Haus. Sie verursachten nur leichten Sachschaden. Kurze Zeit später erhielt Vilks einen heftigen Kopfstoß in der Universität von Uppsala. Tumulte waren ausgebrochen, als er den Film eines iranischen Regisseurs über zwei als Mohammed verkleidete Homosexuelle zeigen wollte.

Eine Tonne Treibholzstadt als Gesamtkunstwerk

Seine Lust daran, unbequem zu sein, und ein gewisses Maß an Trotz hatte Lars Vilks schon mit seiner gigantischen Holzinstallation "Nimis" bewiesen. 1980 hatte er begonnen, Treibholz am Strand der Halbinsel Kullaberg in Südschweden zusammenzunageln. Über 20 Jahre später war daraus ein tonnenschweres Gebilde entstanden, gegen das der Grundstücksbesitzer - ausgerechnet eine Kulturstiftung - einen langen Rechtsstreit führte.

Das Konstrukt aus Holz und die benachbarte Installation "Arx" aus Steinen erklärte der Künstler zum unabhängigen Staat "Ladonia". Um nicht zum Abbau gezwungen zu werden, bediente sich Vilks eines Kunstgriffs: Er verkaufte "Nimis" 1984 an Joseph Beuys, mit dem er damals zusammenarbeitete. Heute ist die Holzstadt Eigentum des Verpackungskünstlers Christo. Vilks genoss damals den Rummel um die Gerichtsverhandlungen: "Es ist wie eine Soap Opera, es hört niemals auf", sagte er 2002 SPIEGEL ONLINE. "Aber gerade dieser Prozess ist das Kunstwerk."

In Dänemark hat der Schwede Vilks ein Unterstützerkomitee, auf dessen Internetseite nicht nur seine berühmte Karikatur zu sehen ist, sondern auch sein Terminplan. Jeder konnte wissen, wo und wann er sich am Samstag in Kopenhagen aufhalten würde. Im vergangenen Jahr verlieh das Komitee dem französischen Satiremagazin "Charlie Hebdo" einen Preis für die Verteidigung der Meinungsfreiheit.

Nach dem islamistischen Anschlag auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion am 7. Januar in Paris machte Vilks aus seinem Entsetzen keinen Hehl. Dennoch, so sagte er dem "Helsingborgs Dagblad", müsse der Kampf um die Meinungsfreiheit weitergehen: "Leider aber ist der Anschlag bezeichnend für die Zeit, in der wir leben". Am Samstag erklärten die schwedischen Sicherheitsbehörden, sie prüften neue Schutzmaßnahmen für Vilks.

abl/dpa/AFP
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