Anschlag auf Atomwissenschaftler in Iran Todesengel mit Magnetbomben

Autowrack in Teheran: Wer steckt hinter dem geheimen Killerkommando?
Foto: Str/ dpaDie Schuldzuschreibung ließ nicht lange auf sich warten: Wenige Stunden, nachdem der iranische Atomwissenschaftler Mostafa Ahmadi Roschan am Mittwoch bei einem Attentat in Teheran ums Leben kam, glaubte die dortige Atomenergiebehörde auch schon zu wissen, wer für den Tod des 32-Jährigen verantwortlich ist: Amerika und das "kriminelle zionistische Regime", gemeint ist Israel. Iran werde sich durch diese "abscheulichen Taten" nicht von seinem "glorreichen Pfad" abbringen lassen, ließ die Behörde verlauten, im Gegenteil: "Je mehr ihr tötet, desto schneller wird unsere Nation erwachen." Trotz des zunehmenden Drucks sei der Weg des iranischen Atomprogramms "irreversibel".
Das Weiße Haus wies am Mittwoch Teherans Bezichtigung zurück. "Die USA hatten damit absolut nichts zu tun", sagte Sprecher Tommy Vietor über die Tötung des iranischen Atomwissenschaftlers. Washington verurteile jegliche Form der Gewalt.
Die Anschuldigungen aus Teheran mögen reflexhaft wirken: Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass der jüngste Mord an einem Abteilungsleiter der Urananreicherungsanlage Natans viel zu gut ins Schema passt, als dass noch von Zufall die Rede sein könnte. Der Sprengsatz, der Roschan das Leben kostete, explodierte nach offiziellen Angaben an seinem Auto im Norden der Hauptstadt Teheran. Wie in ähnlichen Fällen zuvor sei bei dem Anschlag eine magnetische Bombe benutzt worden, zitierte die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars den Vizegouverneur Teherans, Safarali Baratlu.
Roschan ist das bislang letzte Opfer in einer Serie mysteriöser Anschläge auf iranische Nuklearexperten, die 2010 begann. Sein Tod wirft ein Schlaglicht auf den Teil des Kampfes gegen das iranische Atomprogramm, der im Schattenreich der Geheimdienste geführt wird. Denn längst ist der Versuch, Iran an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern, zum Zweifrontenkrieg geworden. Von den Geschehnissen an der klandestinen Front erfährt die Welt dabei nur, wenn spektakuläre Anschläge verübt werden:
- Im 11. Januar 2010 - auf den Tag genau zwei Jahre vor dem jetzigen Anschlag auf Roschan - wurde der Atomwissenschaftler Massud Ali-Mohammadi durch eine ferngezündete Bombe in Teheran getötet. Nach offiziellen iranischen Angaben soll er nicht für die Atomenergie-Organisation des Landes tätig gewesen sein. Im Westen hieß es hingegen, der Professor habe eng mit Wissenschaftlern zusammengearbeitet, die an einem iranischen Atomwaffenprogramm beteiligt sein sollen.
- Im November 2010 wurde erneut ein iranischer Atomwissenschaftler durch zwei Autobomben getötet; ein zweiter wurde schwer verletzt. Der getötete Madschid Schahrijari war nach offiziellen Angaben an einem der größten Atomprojekte des Landes beteiligt. Der verletzte Fereidun Abbasi-Dawani war Chefphysiker an der Imam-Hossein-Universität.
- Der Physiker Dariusch Resai wurde im Juli 2011 in Teheran erschossen. Der Dozent war Doktor der Physik, nach offizieller Darstellung aber nicht in das Atomprogramm involviert.
Auch an der anderen, der öffentlichen Front gegen Irans nukleare Ambitionen hatte es in den vergangenen Tagen heftige Scharmützel gegeben. So unterzeichnete US-Präsident Barack Obama vor wenigen Tagen ein Gesetz, das Strafen für Banken vorsieht, die Geschäfte mit der iranischen Notenbank machen. Das erschwert die Bezahlung iranischer Erdöl-Exporte. US-Finanzminister Timothy Geithner bemüht sich zudem gegenwärtig in China darum, die dortige Regierung zu überzeugen, sich den härteren Wirtschaftssanktionen gegen Iran anzuschließen. Die Europäische Union ihrerseits plant ein Embargo für iranisches Erdöl.
Auch Iran hatte in den vergangenen Wochen die Muskeln spielen lassen: Bei einer Marineübung im Persischen Golf drohte Iran, die Meerenge von Hormus zu sperren, durch die 40 Prozent des weltweiten Öltransport laufen. Außerdem begann Iran nach Informationen der IAEA mit der Urananreicherung in der verbunkerten Anlage Fordo, was im Westen als weiterer Affront gewertet wird.
Wer sind die Todesengel mit den Haftbomben?
Angesichts des jetzigen Attentats drängt sich erneut eine Frage auf, zu der sich weder Teheran noch westliche Geheimdienste je geäußert haben: Wer sind die Motorrad fahrenden Todesengel, die es wieder und wieder schaffen, im Herzen Teherans zu morden und unerkannt zu entkommen?
Jahrelang hatte es so gut wie keine verlässlichen Informationen zu Todeskommandos gegeben. Ab und an "gestand" ein in Iran Inhaftierter, im Auftrag des CIA und Mossad zu stehen, glaubwürdig waren diese unter massivem Druck gemachten Aussagen nicht.
Doch nun könnte es erstmals ernstzunehmende Hinweise geben, wie die in Teheran agierende, offenbar auf Haftbomben spezialisierte Truppe zusammengesetzt sein könnte: Die französische Zeitung "Le Figaro" veröffentlichte am Mittwoch einen Bericht, wonach der israelische Auslandsgeheimdienst in den kurdischen Teil Iraks geflohene iranische Dissidenten rekrutiert habe. Führungsoffiziere des Mossad seien in den Kurdengebieten unterwegs, um dort Iraner zu rekrutieren, berichtet die Zeitung unter Berufung auf eine Quelle bei den Bagdader Sicherheitsbehörden.
Auch der Blogger Richard Silverstein hat den Mossad im Verdacht. Eine wohlinformierte Quelle habe ihm bestätigt, dass der jüngste Anschlag von iranischen, regimefeindlichen Volksmudschahidin verübt worden sei, die der Mossad rekrutierte habe, schrieb Silverstein. Der in den USA lebende Blogger gilt als bestens informiert, wenn es um israelische Sicherheitsbelange geht. Auf seinem Blog "Tikun Olam" sind regelmäßig Enthüllungsgeschichten zu lesen, die aufgrund der Militärzensur in Israel nicht erscheinen können. So veröffentlichte Silverstein beispielsweise als erster die Namen der neuen Kandidaten für die Chefposten beim israelischen In- und Auslandsgeheimdienst.