

Tucson - Der Mehrfachmord eines offenbar verwirrten Täters erschüttert die USA. Ein 22-Jähriger hat in Tucson im Bundesstaat Arizona eine Kongressabgeordnete durch einen gezielten Kopfschuss schwer verletzt. Bei einem Bürgertreff der Politikerin erschoss er außerdem sechs Menschen, darunter ein kleines Mädchen. Zwölf weitere Menschen wurden nach Angaben der Polizei verletzt, einige von ihnen schwer.
Die genauen Motive des Täters, der überwältigt wurde und in Haft ist, sind bislang unklar. Entgegen ersten Angaben schließt die Polizei nicht aus, dass er einen Komplizen hatte. "Es gibt Gründe, davon auszugehen, dass er gemeinsam mit einem anderen Menschen hierher kam", sagte Sheriff Clarence Dupnik.
Der Täter, den US-Medien als Jared Lee L. identifizierten, habe die 40-jährige demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords bei einem gezielten Mordanschlag mit einer halbautomatischen Pistole niedergestreckt, sagte Dupnik. Er sei labil, jedoch nicht zurückgeblieben. Bislang redete der Schütze nicht mit der Polizei. Dupniks Angaben zufolge hat er eine kriminelle und "problematische" Vergangenheit.
Auf der Suche nach den Motiven verfolgt die Polizei auch eine Spur im Internet. Dort sind über die Plattform YouTube mehrere Videos zugänglich, in denen sich eine Person unter demselben Namen äußert, den der mutmaßliche Attentäter trägt. Ob es sich auch um dieselbe Person handelt, wird derzeit vom FBI untersucht.
In den Videos wird der US-Regierung Gehirnwäsche vorgeworfen. In einem dazugehörigen biografischen Hinweis spricht der Autor von Schulbesuchen in der Region Tucson und zählt Adolf Hitlers "Mein Kampf" und das "Kommunistische Manifest" von Karl Marx und Friedrich Engels zu seinen Lieblingsbüchern.
Moderate, aber streitbare Demokratin
Sheriff Dupnik verwies ausdrücklich auf die aufgeheizte politische Stimmung in Arizona: Ein solches Klima könne psychisch labile Menschen beeinflussen. "Wir sind zu einem Mekka des Hasses und der Vorurteile geworden", sagte er.
Das Verbrechen ereignete sich am Samstagvormittag, als Giffords politische Anhänger in einem Einkaufszentrum in Tucson traf. "Es wurden zwischen 15 und 20 Schüsse abgefeuert", berichtete ein Augenzeuge. Der Täter habe der Abgeordneten aus nächster Nähe gezielt in den Kopf geschossen. Dann sei Chaos ausgebrochen.
Dem Radiosender NPR zufolge konnte ein Passant den Schützen auf der Flucht stoppen und am Boden festhalten, bis er festgenommen wurde. Über Stunden waren die genauen Ereignisse völlig unklar: Zeitweise hieß es, die Abgeordnete sei tot.
Giffords gilt als moderate, aber streitbare Demokratin, die nicht immer auf Parteilinie liegt. So trat sie im Widerspruch zu vielen Parteifreunden seit langem für das Recht auf Schusswaffen ein. Sie vertritt seit Januar 2007 als Kongressabgeordnete den Süden des US-Bundesstaats Arizona.
"Schande für das Land und die Menschheit"
Die Abgeordnete wurde sofort operiert und befand sich nach Angaben ihrer Ärzte in einem ernsten Zustand. "Ich bin aber optimistisch was ihre Genesung betrifft", sagte der Arzt Peter Rhee. Mediziner sprachen von einem glatten Kopfdurchschuss bei der Politikerin. Unter den Toten sei auch ein Richter und eine Helferin der Abgeordneten.
US-Präsident Barack Obama sprach von einer "unsagbaren Tragödie". Eine solche "sinnlose und schreckliche Gewalttat hat in einer freien Gesellschaft keinen Platz", meinte er in einer ersten schriftlichen Stellungnahme. "Wir werden der Sache auf den Grund gehen", sagte Obama, der später eigens vor die Kameras trat.
Ähnlich erschüttert äußerte sich der neu gewählte Präsident des Abgeordnetenhauses, John Boehner, der Mitglied der Republikaner ist. "Das ist ein trauriger Tag für unser Land." Das Abgeordnetenhaus in Washington sagte alle Sitzungen in der kommenden Woche ab.
Der Senator von Arizona, John McCain, zeigte sich "zutiefst traurig und schockiert". Die Tat sei eine "Schande für Arizona, das Land und die Menschheit", sagte der Republikaner.
Die Fadenkreuze der Sarah Palin
Auch die US-Republikanerin Sarah Palin sprach den Opfern des Anschlags ihr Mitgefühl aus. Sie bete "für die Opfer und ihre Familien und für Frieden und Gerechtigkeit", schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite. Palin hatte Giffords in der Vergangenheit kritisiert, da die Demokratin für Obamas historische Gesundheitsreform gestimmt hatte.
Auf der Webseite von Palins "Political Action Committee" ist eine Karte der USA zu sehen. Darauf sind die Wahlbezirke der demokratischen Abgeordneten mit Fadenkreuzen markiert, die für die Gesundheitsreform gestimmt hatten und die bei den Zwischenwahlen im vergangenen November um ihre Wiederwahl fürchten mussten.
Giffords sitzt seit 2006 für Arizona im US-Kongress. Sie wurde damals als erste Jüdin für Arizona ins Repräsentantenhaus gewählt und bei den Nachwahlen im November in ihrem Amt bestätigt. Giffords ist mit dem Nasa-Astronauten Mark Kelly verheiratet.
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Tatort in Tucson, Arizona: Der Schütze hat das Feuer eröffnet, als die US-Politikerin Gabrielle Giffords, 40, eine Parteiveranstaltung abhielt.
Laut Berichten wurden "zwischen 15 und 20 Schüsse abgefeuert". Augenzeugen berichteten von mehreren Menschen, die auf dem Boden gelegen hätten.
Giffords, hier bei einer Wahlkampfveranstaltung im vergangenen Jahr, hatte vor einem Einkaufszentrum an einem Bürgertreff teilgenommen. Der Täter schoss ihr aus nächster Nähe in den Kopf.
Mehrere Menschen wurden bei dem Amoklauf getötet und verletzt. Auch ein Kind ist unter den Opfern.
Ein Polizist steht vor dem Haus des Täters.
Jared Lee Loughner ist 22 Jahre alt.
Am Sonntag haben die Behörden das Bild eines zweiten Verdächtigen veröffentlicht. Es handelt sich um die Aufnahme einer Überwachungskamera.
Bewohner zünden vor dem Krankenhaus Kerzen an.
Sheriff Clarence Dupnik verwies ausdrücklich auf die aufgeheizte politische Stimmung in Arizona.
Abgeordnete Gabrielle Giffords: Die Demokratin wurde 2006 ins Repräsentantenhaus gewählt und trat ihr Amt im Januar 2007 an. Ihre politische Arbeit konzentriert sich auf Themen wie eine Reform des Einwanderungsrechts, alternative Energien und Mindestlohn.
Giffords ist mit dem Astronauten Mark Kelly verheiratet, hier zu sehen bei einer Pressekonferenz im Sommer 2008.
Betroffener Präsident: Barack Obama nannte die angeschossene demokratische Abgeordnete Giffords eine Freundin, die von Kollegen und Wählern geschätzt werde. Er rief die US-Bürger auf, in "Zeiten solch einer Tragödie" zusammenzuhalten und für die Opfer zu beten.
Auch Sarah Palin sprach den Opfern des Anschlags ihr Mitgefühl aus.
Dabei ist die Republikanerin für die aufgeheizte politische Stimmung in den USA mitverantwortlich.
Auf einer Karte sind die Wahlbezirke der demokratischen Abgeordneten, die für die Gesundheitsreform von Präsident Obama gestimmt hatten, mit Fadenkreuzen markiert. Bei den Zwischenwahlen im vergangenen November mussten sie um ihre Wiederwahl fürchten.
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