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Schüsse in Brüssel: Mit dem Maschinengewehr im Gepäck

Foto: STR/ AFP

Attentäter von Brüssel Gefahr für Europa

Er feuerte wahllos in einem jüdischen Museum, tötete vier Menschen: Ein Heimkehrer aus dem Syrien-Konflikt hat sich zum Anschlag von Brüssel bekannt. Europas Geheimdienste fürchten weitere Einzeltäter - stoppen können sie sie kaum.

Die Beweislage gegen Mehdi Nemmouche, der am Sonntag in Marseille festgenommen wurde, ist erdrückend. In seinem Gepäck fand sich eine Kalaschnikow mit 261 Patronen und eine Pistole mit 37 Kugeln Munition. Eine der beiden soll die Tatwaffe sein, mit der Ende Mai vier Menschen vor dem Jüdischen Museum in Brüssel erschossen wurden.

Zudem fand sich in seinem Gepäck auch die Baseballkappe, die der Schütze auf den Fahndungsbildern trug, ein Logo der radikalislamistischen Miliz Islamischer Staat in Syrien und Irak (Isis) sowie ein Bekennervideo, in dem Mehdi Nemmouche selbst erklärt, den Anschlag von Brüssel im Namen von Isis begangen zu haben.

Für François Molins, den zuständigen französischen Staatsanwalt, bestehen offenbar kaum noch Zweifel an seiner Schuld. Detailliert gab der Staatsanwalt Auskünfte über das Leben des Verdächtigen.

Mehdi Nemmouche scheint genau dem Profil zu entsprechen, das Europas Geheimdienste fürchten: Der 29-Jährige mit Gefängnisvergangenheit ist der erste europäische Heimkehrer aus dem Syrien-Konflikt, der hierzulande einen Anschlag verübt. Und er wird kaum der letzte gewesen sein. Das befürchten zumindest die Fahnder.

In Syrien kämpfen mehr Europäer als je zuvor

Im Chaos Syriens entsteht eine neue Generation internationaler Radikalislamisten, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten die Generation der Heimkehrer aus dem Afghanistan-Bürgerkrieg in den achtziger Jahren ablösen dürfte. Besonders besorgniserregend ist das Ausmaß: Unter den Syrien-Kämpfern befinden sich viele Europäer, mehr als in sämtlichen Konflikten in Afghanistan und im Irak zusammen.

Der Fall Mehdi Nemmouche zeigt, wie schwierig es wird, Anschläge wie den von Brüssel zu verhindern: Obwohl der Franzose den europäischen Behörden längst bekannt war, konnten seine Absichten im Vorfeld nicht aufgedeckt werden.

Nemmouches Rückkehr aus Syrien war Paris von den deutschen Behörden in Frankfurt mitgeteilt worden, wo der Franzose im März am Flughafen ankam. Zuvor war er extra über Malaysia, Singapur und Thailand gereist, um nicht gleich als Syrien-Rückkehrer aufzufallen. Danach verliert sich seine Spur. Bis zum Anschlag von Brüssel am 24. Mai.

Seine Festnahme nun in Marseille soll einem Zufall zu verdanken sein - einer Drogenkontrolle des Fernbusses aus Amsterdam, mit dem er ankam.

Radikalisierung in Frankreichs Gefängnissen

Nemmouche, geboren 1985 im nordfranzösischen Roubaix, verbrachte seine Kindheit in mehreren Heimen und Pflegefamilien, bis er mit 17 zur Großmutter kam. Seinen Vater hat er nie kennengelernt, der Mutter wurde er mit drei Jahren wegen Vernachlässigung entzogen.

Nach dem Abitur studierte Nemmouche ein Jahr Jura und wurde ab 2004 immer wieder verhaftet - wiederholtes Fahren ohne Führerschein, Beleidigung, gewaltsamer Überfall auf einen Supermarkt. In den französischen Gefängnissen habe sich der junge Mann dann radikalisiert, sagt Staatsanwalt François Molins. Nach seiner Entlassung im Dezember 2012 reiste er sofort nach Syrien.

Dort soll Nemmouche ein Jahr lang für die radikalislamistische Nusra-Front gekämpft haben, die Verbindungen zur Zentralführung von al-Qaida hat. Mit den Radikalislamisten vom Isis, in deren Namen Nemmouche seine Tat begangen haben will, hat sich die Nusra-Front allerdings zerstritten.

Es scheint bisher, als habe Nemmouche als "einsamer Wolf" gehandelt - Einzeltäter wie Mohammed Merah von Toulouse und die Brüder Zarnajew von Boston. Ihre Anschläge sind die Taten von Amateuren, doch das macht sie kaum weniger effektiv. Und sie sind schwerer zu verhindern.

Nemmouche wählte seine Opfer - zwei israelische Touristen, eine Französin und einen Angestellten des Museums - offenbar zufällig. Mit der Kalaschnikow im Gepäck fuhr er im Reisebus quer durch Europa. Sein tödlicher Plan ging auf, bis auf ein Detail. Eigentlich habe er seine Tat mit einer tragbaren Kamera aufzeichnen wollen, sagt Nemmouche im Bekennervideo. Doch das habe nicht geklappt.

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