Anti-Rassismus-Konferenz Irans Präsident nutzt Uno-Gipfel zu Israel-Hetze
Berlin/Genf - Es kam, wie es kommen musste: Irans Präsident Ahmadinedschad hat seinen Auftritt bei der Anti-Rassismus-Konferenz in Genf zu einer Hasstirade gegen Israel benutzt. Er warf der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu "barbarischen Rassismus" vor und forderte, die Weltgemeinschaft müsse diesen "ausmerzen", übersetzt ihn die Nachrichtenagentur AFP. Der Staat Israel sei mit Unterstützung der USA und Europas unter dem "Vorwand jüdischen Leidens" im Zweiten Weltkrieg gegründet worden, sagte Ahmadinedschad. Daraufhin verließen Vertreter der EU-Regierungen aus Protest den Saal. Deutsche Delegierte waren nicht dabei, denn Deutschland nimmt nicht an der Konferenz teil.

Irans Ahmadinedschad: "Barbarischen Rassismus ausmerzen"
Foto: AFPDie Bundesregierung boykottiert damit erstmals in der Geschichte eine Tagung der Vereinten Nationen. Grund für den Boykott, so Vizeregierungssprecher Thomas Steg, sei die Befürchtung gewesen, dass die Veranstaltung "für Hasstiraden, Schmähreden und antiisraelische Ausfälle" missbraucht werden könnte - eine Sorge, die sich gleich am ersten Tag bestätigt. Deshalb habe man, wie auch die USA, Kanada, Israel, und die Niederlande, die Notbremse gezogen. Ausdrücklich verwies Steg auf die Erfahrungen bei der Vorgängerkonferenz im südafrikanischen Durban 2001.
Die damalige Tagung war von islamischen Staaten zu einem Tribunal gegen Israel umfunktioniert worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) waren sich einig darüber, dass Deutschland nicht an der Konferenz teilnehmen solle. Die Entscheidung sei "in Rücksprache mit der Kanzlerin" gefällt worden, hob der Sprecher Steinmeiers am Montag ausdrücklich hervor. Auch Steg betonte, Kanzlerin Merkel habe sich mit dem Außenminister "in den vergangenen Tagen sehr intensiv abgestimmt", es habe zwischen beiden ein "hohes Maß an Übereinstimmung" gegeben. "Die Absage ist beiden nicht leicht gefallen."
Deutschlands Absage - für die Uno ist sie ein Schock. "Wir bleiben schwach und geteilt", klagte Generalsekretär Ban Ki Moon bei der Eröffnung der Konferenz. "Einige Länder, die den Weg für eine bessere Zukunft bereiten helfen sollten, sind nicht hier - ich bin tief enttäuscht." Ein Sprecher des Uno-Menschenrechtskommissariats bezeichnete den Boykott als "mysteriös". So habe sich Berlin noch am Freitag signalisiert, teilnehmen zu wollen. "Durch den Boykott wird die Anti-Rassismus-Politik der Vereinten Nationen geschwächt", klagte auch die Leiterin des deutschen Büros der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Marianne Heuwagen, auf SPIEGEL ONLINE. Massive Kritik kam zudem von den Grünen und der Linkspartei.
EU ist in der Bewertung gespalten
Was konkret die Bundesregierung letztlich zu der Absage bewogen habe, blieb am Montag unklar. Leitfrage bei der Entscheidungsfindung sei, so Steg, gewesen: "Würde die Anwesenheit Deutschlands den iranischen Präsidenten davon abhalten, Schmähreden gegen Israel zu halten? Diese Frage konnten wir nicht guten Gewissens mit Ja beantworten."
Anders als etwa für die USA scheint der Entwurf des Abschlussdokuments für Merkel und Steinmeier nicht entscheidend gewesen zu sein. Auch auf deutschen Druck hin war das Papier in den vergangenen Wochen erheblich entschärft worden. In der Ursprungsversion vom Februar war Israel als einzig explizit genanntem Staat Folter und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen worden. In der aktuellsten Version ist von Israel indes nicht mehr die Rede. Dennoch waren die Änderungen US-Präsident Barack Obama nicht weit genug gegangen. Grund ist ein neu eingefügter Passus, der das Abschlussdokument der Konferenz in Durban ausdrücklich bekräftigt.
Zur Blamage droht die Konferenz jetzt vor allem für einen internationalen Akteur zu werden: die Europäische Union. Denn wie bereits häufig in den vergangenen Jahren konnte sich die EU außenpolitisch nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Während vier europäische Staaten - Deutschland, Italien, Niederlande und Polen - dem Treffen fernbleiben, konnte sich der Rest der 27 Mitgliedstaaten zu einer Teilnahme durchringen - auch wenn etliche Vertreter der angereisten nach dem Auftakt-Eklat von Ahmadinedschad den Tagungssaal empört verließen. Die "roten Linien" der Europäischen Union seien bei der Vorbereitung der Konferenz beachtet worden, hatte zuvor die Sprecherin von Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner zu dem umstrittenen Abschlussdokument gesagt.
Nach den Tiraden des iranischen Präsidenten dürfte die eine oder andere europäische Regierung ihr Bleiben noch einmal überdenken.
Der Riss durch die EU kam ohnehin äußerst überraschend, da die Bemühungen um eine einheitliche Haltung selten so groß waren, wie in dieser Frage: In den vergangenen drei Tagen gab es mehrmals Telefonschalten zwischen den europäischen Außenministern. Frank-Walter Steinmeier unterbrach für die Gespräche am Samstag eigens die Diskussion der SPD-Spitze über das Wahlprogramm. Doch die Einigungsversuche scheiterten allesamt.
Von Streit der Mitgliedstaaten wollte Außenminister Steinmeier am Montag dennoch nichts wissen. "Das ist weiß Gott keine Spaltung Europas in entscheidenden politisch-strategischen Fragen", sagte Steinmeier nach einem Treffen mit dem italienischen Außenminister Franco Frattini. In "inhaltlicher Hinsicht" sei man sich einig gewesen, lediglich die Beurteilungen zu den Erfolgschancen der Konferenz seien unterschiedlich.
"Traurig, dass es erst eines Ahmadinedschads bedarf"
Außer der massiven Kritik von internationalen Organisationen und Menschenrechtsaktivisten erhielt die Bundesregierung auch Zuspruch für ihre Entscheidung. Der Zentralrat der Juden in Deutschland lobte die Absage als mutigen Schritt. "Viel zu oft haben Länder wie Iran, Libyen und Kuba diese Plattform der Vereinten Nationen für ihre eigene demokratiefeindliche Politik nützen dürfen", kritisierte Präsidentin Charlotte Knobloch. "Es ist ein mutiger Schritt der Bundesregierung, die Teilnahme an der Anti-Rassismus-Konferenz abzusagen und somit ein wirkliches Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus zu setzen."
"Ich finde den Boykott absolut richtig", sagte auch die Extremismusexpertin der CDU-Bundestagsfraktion, Kristina Köhler SPIEGEL ONLINE. Sie wundere sich nur über den späten Zeitpunkt der Entscheidung: "Es ist traurig, dass es für diesen Schritt erst eines Ahmadinedschads bedarf." Der gesamte Rassismusbegriff sei "völlig quer", betonte Köhler. "Er wird instrumentalisiert gegen die westliche Welt - wohl wissend, dass wir da empfindlich sind." Auf die Frage, ob man durch die Absage den Kritikern Israels nicht kampflos das Feld überlassen würde, sagte die CDU-Politikerin: "Wir sollten ruhig mal die Ahmadinedschads dieser Welt unter sich lassen."