
Proteste in Bahrain: Tote und Verletzte
Arabische Protestwelle Warum die Schiiten gegen Bahrains König wüten
Die Bürger Bahrains genießen viele Rechte, von denen die Einwohner anderer arabischer Staaten nur träumen können: Es steht ihnen frei, sich zu versammeln, zu reisen. Sie haben Zugang zu einer relativ freien Presse. Über Politik darf gestritten werden, im Vergleich zu anderen arabischen Nachbarstaaten landen kritische Oppositionelle eher selten hinter Gittern. Wenn Gegner der Regierung doch festgenommen werden, können sich einheimische Menschrechtsorganisationen lautstark für sie einsetzen.
Bahrain könnte als Musterstaat unter den Ölländern am Persischen Golf gelten: Seit über 200 Jahren von der Königsfamilie der al-Chalifas regiert, wurde die gerade mal 40 mal 20 Kilometer große Insel 1932 zum ersten Ölförderer der Region. Bahrain, das bis dahin vom Handel und der Perlenfischerei gelebt hatte, investierte seine Petro-Dollars zunächst in Bildung. Durch die steigenden Ölpreise und die damit verbundenen Gewinne schufen Bahreins Herrscher einen Wohlstandsstaat, der seine Bürger satt machte und politisch ruhigstellte.
Doch der erkaufte Frieden konnte nicht ewig währen. Denn das kleine Land hat zu viele große Probleme:
• Im Vergleich mit seinen Nachbarn geht es Bahrain längst nicht so gut: Saudi-Arabien, vor dessen Küste der Inselstaat liegt, holt täglich etwa 10 Millionen Barrel aus der Erde. In Bahrain sind es aber nur rund 30.000 Barrel. In rund 25 Jahren sollen die Vorkommen zum größten Teil erschöpft sein.
• Angesichts des absehbaren Ende seines Ölreichtums hat Bahrain schon früh mit einer Umstrukturierung seiner Wirtschaft begonnen. 2008 rief Kronprinz Prinz Salman bin Hamas al-Chalifa die "Vision 2030" aus. Doch der Umbau von der Wohlstandsoase zur weltweit konkurrenzfähigen Leistungsgesellschaft geht nur schleppend voran. Noch immer stammen 70 bis 80 Prozent der staatlichen Einnahmen aus der Ölförderung.
• Verlierer der Modernisierung Bahrains ist die schiitische Unterschicht. Sie verfügt nicht über die Ausbildung, um sich für die Jobs in der rasch wachsenden bahrainischen Finanzindustrie zu qualifizieren. Gut 70 Prozent der etwa 500.000 Bahrainer sind Schiiten. Dass sie von einer sunnitischen Herrscherfamilie und deren sunnitischer Entourage regiert werden, hat schon immer zu Spannungen geführt.
Dieser Konflikt hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter verschärft: Denn anders als die sunnitische Elite leiden die Schiiten unter dem Abbau staatlicher Hilfszahlungen. Seit 2009 kam es deshalb regelmäßig zu Protesten in schiitischen Dörfern außerhalb der Hauptstadt Manama. Ermuntert durch die Aufstände in Ägypten und Tunesien haben diese sich nun zum Aufstand ausgeweitet.
Sunnitische Gastarbeiter als loyale Untertanen
Die Machthaber in Bahrain versuchen, den Konflikt auf ihre Weise zu lösen: Um den sunnitischen Bevölkerungsanteil zu stärken, holte das Königshaus in den vergangenen Jahren Hunderttausende Gastarbeiter aus anderen muslimischen Ländern an den Golf. Derzeit leben dadurch etwa eine halbe Million Ausländer auf der Insel. Sunnitischen Jordaniern, Pakistanis und Indern wird es sehr leicht gemacht, die bahrainische Staatsangehörigkeit zu erlangen. Das Königshaus erkauft sich so loyale Untertanen.
Doch die schiitische Opposition protestiert gegen diese Strategie. Die zugezogenen sunnitischen Ausländer würden bevorzugt behandelt und seien deshalb willige Handlanger des Regimes. Bei den jetzt eskalierenden Auseinandersetzungen soll das Regime sunnitische Sicherheitskräfte eingesetzt haben, um die mehrheitlich schiitischen Demonstranten vom Lulu-Platz im Zentrum Manamas zu vertreiben.
"Viele Bahrainer sind empört, dass der König Söldner benutzt hat, um Bahrainer angreifen zu lassen. Pakistanische, indische und syrische Einsatztruppen", twitterte aus der Hauptstadt Nicholas Kristof, Kolumnist der "New York Times". Hamad werde sich niemals von den Ereignissen in dieser Woche erholen, prophezeit er. "Er hat sich entehrt. Er wird seine Glaubwürdigkeit nicht wiedererlangen."
Die sunnitische Elite macht den schiitischen Iran für die Unruhen verantwortlich. Die Machthaber in Teheran unterhalten seit dem Mittelalter enge Handelsbeziehungen mit Bahrain. Noch heute leben Tausende Nachfahren persischer Händler in Manama. Immer wieder hat Iran zudem territorialen Anspruch auf die rohstoffreiche Insel erhoben. Zuletzt hatte ein Sprecher Präsident Mahmud Ahmadinedschads im Sommer 2007 behauptet, Bahrain sei historisch gesehen eine Provinz Irans und müsse sich dem Vaterland wieder anschließen.
6000 US-Marines auf dem Vorposten
Trotz der Unruhen in dieser Woche muss König Hamad noch nicht um seinen Thron bangen: Er hat einen starken Verbündeten. Das strategische Interesse der USA an Bahrain ist groß. Die Insel ist seit 1995 Heimathafen der 5. Flotte der US-Marine. Von Bahrain aus überwachen die USA nicht nur den gesamten Erdöltransport im persischen Golf, vom Inselstaat aus überwacht Washington auch einen seiner weltweit größten Gegenspieler: Iran. Mit über 6000 Seeleuten verfügen die USA über einen Außenposten nur wenige Seemeilen südlich der iranischen Küste. Erst vor kurzem haben die Amerikaner klar gemacht, dass sie diesen strategischen Vorteil nicht aufgeben wollen: 580 Millionen Dollar zum Ausbau des Stützpunkts auf doppelte Fläche wurden genehmigt.
Allerdings zeigt sich US-Außenministerin Hillary Clinton sehr besorgt über die Vorgänge. Sie mahnte Bahrains Regierung zur Zurückhaltung. Auch das Pentagon rief alle Seiten zum Gewaltverzicht auf.
Mit Washington als Garant der Macht der Chalifas könne die Opposition jedoch allenfalls auf Reformen hoffen, glaubt Ali al-Ahmed vom Institut für Golf-Angelegenheiten. "Die Regierung von Bahrain selbst ist schwach. Wenn sie nicht von den USA und der saudischen Monarchie unterstützt würde, müsste sie innerhalb weniger Tage die Flucht ergreifen", sagte er dem Magazin "Time".
Allzu sicher sollte sich der König der Unterstützung aus Washington aber nicht sein: In Ägypten haben die USA jüngst bewiesen, dass sie wichtige Verbündete unter den Arabern fallen lassen, wenn sie es für notwendig halten.
Soweit ist es jedoch nicht. Und auch Saudi-Arabien dürfte seine Unterstützung für Bahrain nicht so schnell aufgeben. Riad fürchtet, dass Umwälzungen im kleinen Nachbarstaat die eigene schiitische Minderheit zum Aufstand inspirieren könnte. Im ölreichen Osten Saudi-Arabiens leben große Gruppen Schiiten. In den vergangenen Jahren haben sie immer wieder gegen die Zentralregierung rebelliert, die Proteste wurden jedoch klein gehalten.