Alberto Fernández Diese Aufgaben muss Argentiniens neuer Präsident nun lösen

Alberto Fernández will als neuer Präsident Argentinien mit linker Politik zukunftsfähig machen. Ob das gelingt, hängt nicht allein von ihm ab. Die Hintergründe.
Neu gewählter Präsident Argentiniens: Alberto Fernández feiert seinen Wahlsieg in Buenos Aires

Neu gewählter Präsident Argentiniens: Alberto Fernández feiert seinen Wahlsieg in Buenos Aires

Foto: Agustin Marcarian/ REUTERS

Erschöpft, aber glücklich wirkte Alberto Fernández, als er am Sonntagabend in Buenos Aires vor seine Anhänger trat, um seine erste Rede als neu gewählter Präsident Argentiniens zu halten. Fernández sprach von einer "neuen Logik", für die Argentinien an diesem Tag gestimmt habe. Er verstehe diese Wahl als Auftrag, sagte er, ein Land zu formen, das "solidarischer und egalitärer" sei und diejenigen privilegiere, "die arbeiten und produzieren".

48 Prozent der Stimmen entfielen auf Fernández und seine künftige Stellevertreterin , die frühere Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Amtsinhaber Mauricio Macri kam auf 40 Prozent.

Wahlparty: Kirchner und Fernández vor ihren Anhängern

Wahlparty: Kirchner und Fernández vor ihren Anhängern

Foto: Magali Druscovich/ REUTERS

Auch wenn Fernández' Wahlsieg am Ende etwas knapper ausfiel, als es die Prognosen vermuten ließen, so ist er doch der klare Ausdruck einer Wechselstimmung, die sich in den letzten Wochen abgezeichnet hatte:

  • Seit zwei Jahren befindet sich die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas in einer schweren Krise.
  • Seit Anfang 2018 hat der Peso mehr als zwei Drittel seines Werts verloren.
  • Die Inflation hat sich bei knapp 50 Prozent eingependelt.
  • Allein in diesem Jahr sind drei Millionen Argentinier in die Armut abgerutscht.

Angesichts dieser dramatischen Lage waren Macri, der versprochen hatte, die Armut auf null zu reduzieren, die Argumente ausgegangen. Auch wenn er während des Wahlkampfs immer wieder darauf hingewiesen hatte, dass ihm für seine neoliberalen Reformen zu wenig Zeit geblieben sei, trauten die Argentinier seinem Herausforderer am Ende eher zu, das Land aus der Krise zu führen.

"Wir werden alles dafür tun, dass die Fabriken wieder öffnen"

Als Macri dem Wahlsieger am Abend per Telefon seine Glückwünsche übermittelte, versprach er eine geordnete Übergabe der Regierungsgeschäfte. Am 10. Dezember wird Fernández offiziell vereidigt.

Was genau Fernández vorhat, ist bislang weitgehend unklar. In den kommenden Wochen wird er einen konkreten Plan vorlegen müssen, wie er die Rezession überwinden und die Währung stabilisieren will. Wie gestört das Vertrauen der Argentinier in ihre eigene Wirtschaft ist, konnte man noch am Freitag beobachten, als im ganzen Land vor den Banken Menschen Schlange standen, die US-Dollar kaufen wollten.

"Wir werden alles dafür tun, dass die Fabriken wieder öffnen", erklärte Fernández in der Wahlnacht. "Wir wollen, dass die Maschinen wieder anlaufen und die Leute wieder Arbeit finden."

Argentiniens neuem Präsidenten drohen zähe Verhandlungen mit dem IWF

Er versprach, in die öffentliche Bildung zu investieren und in das Gesundheitssystem. Im Wahlkampf hatte er mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass es seiner Regierung wichtig sei, die Binnennachfrage anzukurbeln, weil Menschen, die hungern, keine Schulden begleichen können.

Dies ist die vielleicht größte Herausforderung, vor der Fernández steht. Er wird sich mit privaten Gläubigern und vor allem den Vertretern des Internationalen Währungsfonds an einen Tisch setzen müssen, um über eine Umstrukturierung der immensen Staatsschulden zu verhandeln.

  • 2017 hatte Macri beim IWF einen Rekordkredit in Höhe von 57 Milliarden US-Dollar aufgenommen.
  • Im Frühjahr des kommenden Jahres wird die erste Rückzahlung fällig.
  • Fernández hatte zuletzt wiederholt erklärt, dass es unter den gegebenen Bedingungen unmöglich sein werde, bis dahin die geforderten 5,4 Milliarden US-Dollar aufzutreiben.

Auch wenn Fernández als Mann mit einem gewissen Verhandlungsgeschick gilt, dürften die Gespräche kompliziert werden. Die Gläubiger werden darauf drängen, dass er die Ausgaben des Staates nicht wie angekündigt erhöht, sondern viel eher drastisch senkt.

Fernández - moderat links und wenig konfliktscheu

Erfahren genug für den Posten ist Fernández. Anfang des Jahrtausends hatte er dem damaligen Präsidenten Nestor Kirchner als Stabschef gedient. Auch unter Kirchners Frau Cristina hatte er diese Stelle für anderthalb Jahre inne, ehe er sich im Streit um ihre populistische Wirtschaftspolitik von ihr abwandte und bis zu ihrem Friedensschluss in diesem Frühjahr einer ihrer schärfsten Kritiker war.

Fernández, der auch während des Wahlkampfs seine Strafrechtsvorlesungen an der Universität Buenos Aires weiter hielt, gilt als moderater Linker, der unter anderem dafür eintritt, gegen den Willen der in Argentinien traditionell mächtigen katholischen Kirche Abtreibungen zu entkriminalisieren.

Droht ein Konflikt mit Brasiliens Präsident Bolsonaro?

Eine andere Flanke mit Konfliktpotenzial sind die Beziehungen Argentiniens zum großen Nachbarn Brasilien, wo seit Januar mit Jair Bolsonaro ein ultrarechter Präsident regiert, den Fernández als "Rassisten" und "Menschenfeind" bezeichnet.

Für den Fall, dass Fernández vorhabe, seine Wirtschaft mit protektionistischen Maßnahmen wie in der Ära Kirchner abzuschotten, drohte Bolsonaro damit, Argentinien aus dem Wirtschaftsverbund Mercosur auszuschließen.

Jetzt, da der Wahlkampf vorbei ist, dürften beide Länder zu einem pragmatischeren Ton finden. Sowohl Fernández als auch Bolsonaro wissen, dass ihre eng verflochtenen Wirtschaften einander in der Krise brauchen.

Lateinamerika ist im Krisenmodus - viele Aufgaben für Fernández

Die Wahl in Argentinien fällt in eine Woche, in der andere Länder der Region von schweren Aufständen erschüttert werden. Allein in Chiles Hauptstadt Santiago protestierten am Samstag mehr als eine Million Menschen gegen die Folgen der neoliberalen Politik des Präsidenten Sebastian Pinera.

In Argentinien, glauben Analysten, habe die Wahl in den letzten Wochen die Wut der Bürger kanalisiert. Auf Fernández ruhen nun die Hoffnungen, dass seine Politik zu einer gerechteren Verteilung führt. Die Frage ist, wie viel Spielraum er sich erkämpfen kann.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren