
Alberto Nisman: "Es könnte sein, dass ich wegen dieser Geschichte sterbe"
Terrorermittler in Argentinien Mysteriöser Tod im Badezimmer
Buenos Aires/Hamburg - Alberto Nisman hatte eine düstere Vorahnung: "Es könnte sein, dass ich wegen dieser Geschichte sterbe", sagte der argentinische Staatsanwalt am vergangenen Mittwoch der Journalistin Natasha Niebieskikwiat, die für die Zeitung "Clarin" arbeitet.
Diese Geschichte - das sind die Ermittlungen zum Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum Amia, bei dem am 18. Juli 1994 in Buenos Aires 85 Menschen getötet und 300 verletzt wurden. Es war das verheerendste Attentat in der Geschichte Argentiniens.
Mehr als ein Jahrzehnt stockten die Ermittlungen, erst als Nisman 2005 als Sonderermittler übernahm, ging es voran. 2013 erhob er Anklage gegen mehrere ranghohe Vertreter des iranischen Regimes, die ein Terrornetz in Südamerika aufgebaut und den Anschlag in Auftrag gegeben haben sollen.
Blutlache im Badezimmer
Doch damit nicht genug: Am vergangenen Mittwoch klagte er Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner an. Die Staatschefin habe versucht, die Ermittlungen gegen die tatverdächtigen Iraner zu sabotieren, um die Beziehungen mit Teheran zu verbessern und ein lukratives Ölgeschäft abzuschließen.
An diesem Montag wollte Nisman seine Anklage vor dem Parlament in Buenos Aires erläutern. Doch dazu kommt es nicht mehr: In der Nacht wurde der Sonderstaatsanwalt tot in seiner Wohnung im 13. Stock eines Apartmenthauses im Viertel Puerto Madero aufgefunden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft lag Nisman in einer Blutlache in seinem Badezimmer. "Neben seiner Leiche wurden eine Pistole vom Kaliber 22 sowie eine Patronenhülse gefunden", teilte das argentinische Sicherheitsministerium mit.
"Clarin"-Journalistin Niebieskikwiat erhielt am Samstagabend um 21.17 Uhr eine letzte WhatsApp-Nachricht von Nisman. Bei dem Chat soll er den Satz "Es könnte sein, dass ich wegen dieser Geschichte sterbe" in ähnlicher Form wiederholt haben.
Der Chefermittler stand seit Jahren unter strengem Polizeischutz. Zuletzt sollen zehn Leibwächter für seinen Schutz abgestellt worden sein. Am Sonntag sei Nisman für die Bodyguards jedoch nicht erreichbar gewesen. Nach Angaben des Sicherheitsministeriums habe er weder auf Türklingeln noch auf Anrufe reagiert. Als am Nachmittag auch die Sonntagszeitungen noch immer vor seiner Wohnungstür lagen, hätten die Leibwächter Nismans Mutter alarmiert. Sie habe die Tür mit Hilfe eines Schüsseldienstes geöffnet und ihren Sohn dann tot im Badezimmer vorgefunden.
Sergio Berni, Sekretär im argentinischen Sicherheitsministerium, sagte, alle Anzeichen deuteten auf einen Selbstmord hin. Hingegen warnte Staatsanwältin Viviana Fein vor voreiligen Schlüssen. "In den kommenden Tagen werden wir die Todesursache mit einer Autopsie herausfinden. Ich rufe zur Besonnenheit auf", sagte die Ermittlerin am Tatort. Einen Abschiedsbrief habe der Tote nicht hinterlassen.
Nisman war seit Jahren ein Intimfeind von Präsidentin Fernández de Kirchner. Sie hatte 2013 die Einsetzung einer sogenannten Wahrheitskommission vorgeschlagen, in der Vertreter aus Buenos Aires und Teheran vertreten sein sollten. Der Chefermittler reagierte erbost: Wichtigstes Ziel der Kommission sei es, die internationalen Haftbefehle gegen die Iraner fallenzulassen, argwöhnte Nisman.
Die Regierung griff Nisman scharf an
Dadurch wolle die argentinische Führung ihre Beziehungen zum iranischen Regime verbessern und ein lukratives Ölgeschäft mit Teheran einfädeln. Derzeit verbraucht Argentinien weit mehr Energie, als es selbst produziert, das Defizit beläuft sich pro Jahr auf sieben Milliarden US-Dollar. Günstiges Öl aus Iran käme Fernández de Kirchner daher äußerst gelegen. Ein argentinisches Gericht stoppte die Einsetzung der Kommission schließlich.
Ihr Kabinettschef Jorge Capitanich bezeichnete Nismans Vorwürfe in der vergangenen Woche als "verrückt, absurd, unlogisch, irrational, lächerlich und verfassungswidrig".
Der Sonderermittler wusste, dass die Anklage gegen die Präsidentin riskant war: "Von heute an hat sich mein Leben verändert", sagte er am vergangenen Mittwoch in einem Fernsehinterview. "Aber es ist nun einmal meine Aufgabe als Staatsanwalt. Ich habe meine Tochter darauf vorbereitet, dass sie hören wird, wie andere schreckliche Dinge über mich sagen werden."