Asem-Gipfel in China Finanzmärkte hoffen auf das Reich der Mittel
Peking - Auf dem Couchtisch der Präsidentensuite 1718 im Pekinger Grand-Hyatt-Hotel steht eine Schale mit roten Rosen, daneben liegt ein Buch über chinesische Jade. Es ist Donnerstagnachmittag, gerade ist Bundeskanzlerin Angela Merkel von ihrer Begegnung mit Chinas Regierungschef Wen Jiabao zurückgekehrt. 19 Salutschüsse hat die Volksbefreiungsarmee zu ihrer Begrüßung auf dem leergefegten Platz des Himmlischen Friedens abgefeuert.
Am Freitag traf sie Staatspräsident Hu Jintao, und beide verabredeten eine Abstimmung der Positionen beider Länder vor dem Welt-Finanzgipfel in Washington Mitte November. China unterstütze die Haltung, dass als Konsequenz aus der Krise ein internationaler Ansatz für eine neue Ordnung der Finanzmärkte gefunden werden müsse, sagte Merkel anschließend.
Merkel ist guter Dinge. Das deutsch-chinesische Verhältnis ist wieder eingerenkt, nachdem mehrere Monate landunter herrschte, weil sie im vorigen Herbst den in Peking verhassten Dalai Lama empfangen hatte.
Doch nun kann Merkel melden: Die Begegnung mit Wen war "freundschaftlich und offen" und hat sich nicht von den letzten beiden Begegnungen unterschieden. Es herrsche, so Merkel, "von beiden Seiten der feste Wille, trotz Meinungsverschiedenheiten die große Linie der Zusammenarbeit zu sehen".
Merkel war am Donnerstag allerdings nicht die Einzige, für die der rote Teppich ausgerollt wurde. In der Großen Halle des Volkes herrschte staatsmännisches Gedränge. Die Kanoniere auf dem Tiananmen-Platz schoben eine Kartusche nach der anderen in die Rohre.
Fast zeitgleich mit Merkel trabte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk durch die Gänge, dann der Niederländer, der Ire, der Italiener, der Singapurer und schließlich der Rumäne.
Internationale Buchstabensuppe
Alle sind da für den Gipfel der Asiatischen und europäischen Staaten (Asem), der siebte ist es seit seiner Gründung 1996 mittlerweile. Bislang war dieses Treffen nur ein weiteres in der internationalen Buchstabensuppe - neben den G7, G8, G9, G10, den Asean, den Asean plus 1,2,3, den Apec, den Apec plus Asean und oft nicht viel mehr als ein Schauplatz der Eitelkeiten.
Zwar gab Asem über 40 Staats- und Regierungschefs beider Kontinente Gelegenheit, sich informell zu treffen. Doch viel Substantielles hat das bislang nicht gebracht. So ist es zum Beispiel nicht gelungen, die burmesische Junta zur Raison zu bringen und auch China sperrt munter weiter Kritiker ein. Nordkorea ist ohnehin nicht mit von der Partie.
Aber dieses Mal ist es anders. Dieses Mal findet die Konferenz in Peking in einer Zeit statt, in der die Finanzmärkte schwanken, die Banken zittern und an den Börsen innerhalb weniger Stunden Abermilliarden vernichtet werden. Eine Lösung muss her, eine weltweite Rezession ist abzuwenden und da müssen alle mitmachen, vor allem der neue Wirtschaftsgigant China.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, brachte es auf den Punkt: "Es ist ganz einfach: Entweder wir schwimmen zusammen oder wir gehen zusammen unter."
Zwar sind Chinas Unternehmen und Banken (soweit bislang bekannt) von der Krise noch nicht so stark betroffen wie amerikanische und europäische Geldinstitute. Das Reich der Mittel hat mit 1900 Milliarden US-Dollar so viele Währungsreserven wie kein anderes Land der Welt gehortet. Es hält US-Staatsanleihen und finanziert damit das amerikanische Defizit.
Entwurf für eine Reform der globalen Währungssysteme
Noch scheint niemand so recht zu wissen, welche Rolle China konkret spielen soll, wenn es darum geht, die Märkte zu stabilisieren. Auf jeden Fall will man seine Unterstützung, neue Regeln für die Finanzwelt zu finden, die auf einem G-20-Gipfel am 15. November in den USA diskutiert werden. Einen Erfolg von Asem gab es schon: Die Chinesen, so signalisierten sie am Donnerstag, werden anreisen.
Und da ist die diffuse Furcht, Chinas rasantes Wachstum könne plötzlich enden und den Motor der Weltwirtschaft abwürgen. Im letzten Quartal ging sein Wachstum bereits auf rund neun Prozent zurück - eine immer noch enorme Zahl, aber die geringste seit fünf Jahren.
Einige Staaten nutzen den Asem-Gipfel, China in die Pflicht zu nehmen. Thailand verlangt von Peking einen besseren Wechselkurs. Die Philippinen wollen Hilfe bei einem asiatischen Rettungsplan für die Banken. Am Freitag morgen einigten sich China und 13 asiatische Länder, einen gemeinsamen 80-Milliarden-Dollar-Fonds zu schaffen, um im Ernstfall die eigenen Währungen stützen zu können. Außerdem legten die Gipfelteilnehmer einen Entwurf vor, der eine groß angelegte Reform des internationalen Währungs- und Finanzsystems skizziert. Die Staats- und Regierungschefs seien der Ansicht, dass Aufsicht und Regulierung aller Finanzakteure verbessert werden müssten, vor allem die Haftung. Es gebe volles Vertrauen, dass die Krise dann überwunden werden könne.
Chinas Ärger über den Sacharow-Preis für Hu Jia
Als sich Kanzlerin Merkel Donnerstagnachmittag in der Präsidentensuite mit Journalisten trifft, bekommt sie ein Blatt Papier zugesteckt. Es ist die Nachricht, dass der Menschenrechtler Hu Jia vom EU-Parlament den Sacharow-Preis im Wert von 50.000 Euro erhalten hat. Der gesundheitlich angeschlagene Aktivist wurde Anfang des Jahres zu dreieinhalb Jahren Haft wegen "versuchter Subversion" verurteilt. Seine Sünde: Er hatte sich für andere Dissidenten eingesetzt und die Olympischen Spiele in Peking kritisiert.
Sie habe sich immer dafür starkgemacht, Hu freizulassen, sagt Merkel. Doch in diesen Minuten steht der Asem-Gipfel auf der Kippe. Wie werden die Chinesen reagieren, die in Hu einen gefährlichen Kriminellen sehen? In den letzten Tagen hatte Pekings Botschafter in Brüssel mit Konsequenzen für das Verhältnis gedroht, um die Parlamentarier von ihrer Ehrung für Hu abzubringen.
Abends im Asem-Pressezentrum im "Beijing International Hotel" klettert Sprecher Liu Jianchao auf das Podium und preist erst einmal die tollen Vorbereitungen seiner Regierung für den Gipfel. Gleich die erste Frage der Journalisten gilt Hu Jia: Die Entscheidung des EU-Parlaments sei eine "grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas", sie widerspreche "internationalen Normen", antwortet Liu.
Das ist zwar blanker Unsinn, aber was ist mit dem Asem-Gipfel? Liu gibt sich plötzlich gelassen: Nein, sagt er, er glaube nicht, dass diese Angelegenheit das Treffen beeinflussen werde. Dazu sind die anderen Probleme dann doch zu groß.