Shabiha-Milizen in Syrien Assads grausame Geister

Einsatz der Schlägertrupps in Damaskus: Im Auftrag des Regimes
Foto: YouTubeKaum ein Wort sprechen syrische Widerstandskämpfer, Flüchtlinge, Oppositionelle mit so viel Zorn aus wie dieses: "Shabiha". Verwundete in Krankenhäusern an der syrischen Grenze erzählen, die Shabiha schieße gezielt auf Zivilisten. Menschenrechtler und Aktivisten berichten, die Shabiha massakriere selbst Kinder, vergewaltige Frauen, foltere jeden, der im Verdacht steht, Assad-Gegner zu unterstützen.
Wenn Berichte besonders brutaler Gräultaten aus Syrien kommen, wie etwa am Montag aus Homs, dann spielt meist die Shabiha darin eine Rolle - bewaffnete Milizen, die zwar nicht offiziell zu den Truppen des Regimes gehören, aber bezahlt werden dafür, den Aufstand gegen Baschar al-Assad brutal niederzuschlagen. Sie operieren oft hinter der Front: Sobald Assads Truppen ein Dorf oder ein Stadtviertel eingenommen haben, ziehen die Shabiha-Milizen hindurch, morden, plündern, foltern. Sie setzen Häuser in Flammen und verwüsten Geschäfte. Sie sollen jene Soldaten hinrichten, die sich weigern, auf die eigenen Bürger zu schießen. So erzählen es Aktivisten und Syrien-Kenner.
"Shabah" ist das arabische Wort für Geist oder Gespenst, und es ist der Spitzname für die S-Klasse von Mercedes in Syrien. Mit der Ableitung Shabiha hat beides zu tun: Zum einen sind die Milizen unantastbar und schweben wie Geister über dem Gesetz, zum anderen fahren ihre Anführer und wichtigen Kämpfer angeblich schwarz lackierte, teure Limousinen, in denen sonst allenfalls Politiker chauffiert werden.
Wie eine Verbrecherbande sich zur Machtreserve wandelte
Ihre Wurzeln reichen zurück in die neunziger Jahre, ihr Ursprung liegt in der Gegend von Latakia an der Mittelmeerküste. Damals war die Shabiha eine lose mafiöse Truppe, die mit Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel, Auftragsmorden und Korruption ihr Geld verdiente. Wie groß der Einfluss der Sicherheitskräfte auf die Shabiha ist, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Doch seit jeher werden den bewaffneten Banden enge Verbindungen zum Assad-Clan nachgesagt, auch wenn die Führungsstruktur unklar ist. Zu den wichtigsten Funktionären sollen zwei Cousins des Diktators zählen: Fawas al-Assad und Munshir al-Assad. Beide dürfen auch deshalb seit einem Jahr nicht mehr in die EU einreisen.
Fast ausschließlich rekrutieren sich die Geister-Milizen aus Alawiten. Die Bevölkerungsgruppe ist zwar in der Minderheit, herrscht aber über das Land: Assad und sein Clan sind Alawiten, ebenso die Machtclique im Sicherheitsapparat. Es heißt, Baschar al-Assad habe bei seinem Amtsantritt erfolglos versucht, den Einfluss der Shabiha einzudämmen - es ist mittlerweile zwar fast vergessen, aber nach dem Tod seines Vaters galt der neue Herrscher vielen als Hoffnungsträger, vor allem im Ausland. Bei der Verteidigung seiner Macht setzt er jedoch mittlerweile selbst auf die brutalen Söldner.
Outsourcing der Unterdrückung
Es ist eine perfide Strategie, die sich auch in anderen Ländern des Arabischen Frühlings beobachten ließ: Die Regime heuern unter der Hand Söldner an, um Oppositionelle niederprügeln oder gleich niederschießen zu lassen. Sich selbst stellen die Herrscher dann als Garanten der Stabilität dar, die als Einzige die Sicherheit im Land garantieren können. In Ägypten etwa hetzte Mubarak die sogenannten Baltagiya auf Demonstranten, Schlägertruppen wie die Shabiha.
Doch der gezielte Einsatz der Shabiha in Syrien hat eine bislang ungekannte Dimension. Wie viele Kämpfer und Freischärler auf Seiten der Geister-Milizen kämpfen, lässt sich kaum sagen; die "New York Times" schreibt von Zehntausenden. Exil-Syrer und Aktivisten erzählen, Beamte und Angestellte würden tageweise zwangsverpflichtet. Ein übergelaufener Offizier berichtet, Kriminelle seien aus dem Gefängnis entlassen worden, um in den Reihen der Milizen gegen Demonstranten zu kämpfen.
Die Geister-Kämpfer, deren Einfluss Assad einst zurückdrängen wollte, sind so über die Jahre zu seiner wichtigsten Reserve geworden. Denn auf seine regulären Truppen kann sich das Regime immer weniger stützen, viele Soldaten laufen zu den Widerstandskämpfern der "Freien Syrischen Armee" über. Und die ihm ergebenen Spezialeinheiten unter dem Kommando seines Bruders Maher braucht Assad, um Hochburgen der Opposition zu attackieren. Die Shabiha wiederum ist überall einsetzbar, gefürchtet und loyal, jedenfalls solange das Geld stimmt. Allerdings reicht ihre Treue tatsächlich nur so weit wie die Bezahlung: Aufständische berichten, dass sie ihre Waffen teilweise ebenfalls bei der Shabiha kaufen.
Doch den Zorn der Widerstandskämpfer auf die Shabiha lassen auch diese gelegentlichen Deals nicht abkühlen. Der "Guardian" berichtet, die "Freie Syrische Armee" kenne bei den Geister-Kämpfern keine Gnade. Wenn sie solche Söldner gefangen nehme, würden sie hingerichtet: "Das ist das übliche Verfahren mit Shabiha-Leuten", zitiert das Blatt einen Widerstandskämpfer.