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Asyldebatte in der Schweiz: Trügerische Idylle in Bremgarten

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Asylpolitik in der Schweiz Die Freibad-Rassisten von Bremgarten

Ihre Unterkunft gleicht einer Hochsicherheitszone. Asylbewerber im Schweizer Ort Bremgarten müssen massive Einschränkungen hinnehmen - auch beim Besuch des Freibads. Wer sich in dem Städtchen umsieht, stößt auf Barrikaden, Verbote, Schweigen.

Die Wassertemperatur beträgt angenehme 23 Grad, die Bahnen im 50-Meter-Becken sind für Freizeit- und Sportschwimmer unterteilt, auf der Liegewiese spenden Sonnenschirme Schatten. Der Ort, der jetzt zum Sinnbild für eine menschenunwürdige Asylpolitik der Schweiz wurde, ist eigentlich ein erholsamer Platz. Man muss hier nur willkommen sein.

Ein Schild am Eingang des Freibads in Bremgarten macht auf die wichtigsten Regeln aufmerksam, so sind hier unter anderem "Essen, Trinken, Schlecken" an den Bassins nicht erlaubt. Und für Asylbewerber - das steht nicht auf der Tafel - ist der Zugang stark eingeschränkt. Sie dürfen nur mit behördlicher Bewilligung auf das Freibadgelände - ebenso wie auf Schul- und Sportanlagen.

Diese Regelung, die teils als "Badi-Verbot" verbreitet wurde, hat dem kleinen Ort mit rund 6500 Einwohnern im Kanton Aargau viel Aufmerksamkeit beschert - und Empörung im Ausland: Asylbewerber sind hier unerwünscht. Der britische "Independent" schrieb von "apartheidähnlichen Einschränkungen" für Flüchtlinge.

Die Einschränkungen in Bremgarten sind Teil einer Vereinbarung, die der Ort mit dem Bundesamt für Migration (BFM) geschlossen hat. Neuerdings kann in der Schweiz der Bund ohne Zustimmung von Kantonen oder Gemeinden über die Eröffnung neuer Asylunterkünfte verfügen. In den sogenannten Bundeszentren sollen die Asylverfahren beschleunigt werden, aber der Widerstand gegen die Unterkünfte ist in vielen Orten groß. So wehrt sich die Gemeinde Bedretto im Tessin gegen die mögliche Unterbringung von rund 120 Asylbewerbern mit dem Argument, der dafür vorgesehene frühere Militärbunker auf rund 1700 Meter Höhe sei lawinengefährdet.

Die Schweiz nimmt vergleichsweise viele Flüchtlinge auf

Das Vorgehen in Bremgarten berührt eine sensible Frage: Wie geht man mit den Menschen um, die aus verschiedenen Gründen aus ihrer Heimat geflohen sind und eine neue Bleibe suchen? Viele Länder haben hohe rechtliche Hürden aufgestellt, auch Deutschland gilt nicht gerade als Musterbeispiel für eine liberale Asylpolitik. In einigen Bundesländern schränkt die sogenannte Residenzpflicht die Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge stark ein. Erst vor wenigen Wochen ließ Bayern in seinem Asylrecht den umstrittenen Satz streichen, dass die Unterbringung von Asylbewerbern im Freistaat "die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern" solle.

Die Schweiz nimmt vergleichsweise viele Flüchtlinge auf, zuletzt kam ein Asylbewerber auf 332 Einwohner - im europäischen Durchschnitt ist es ein Flüchtling je 625 Einwohner. Allerdings wurden im vergangenen Jahr in der Schweiz lediglich knapp zwölf Prozent der Anträge genehmigt.

Auch in Bremgarten gab es massive Bedenken gegen die Unterkunft, in der seit Montag 23 Asylbewerber leben, später sollen es bis zu 150 Flüchtlinge werden. Dem Ort mit historischer Altstadt geht es wirtschaftlich gut, Ende 2011 waren 115 Bürger arbeitslos gemeldet. Stadtpräsident Raymond Tellenbach von der rechtsliberalen FDP bezeichnete die Verbote für Asylbewerber als "Vorsichtsmaßnahme, damit es nicht zu sexuellen Belästigungen von Schülerinnen oder zu Drogenverkäufen durch Asylsuchende kommt". Verbote gelten für die übrigen Sporteinrichtungen, Schulplätze sind von den Flüchtlingen zu meiden. Unterstützung erhielt er von BFM-Chef Mario Gattiker: Man müsse den "Bedenken und Anliegen der Bevölkerung Rechnung tragen".

Auch wenn die Verantwortlichen zuletzt mit beschwichtigenden Erklärungen auf Kritiker zu reagieren versuchten, hat sich längst das Bild verfestigt, dass Flüchtlinge in Bremgarten und anderen Teilen der Schweiz unter einen Generalverdacht gestellt werden. "Sie werden pauschal als Kinderschänder und Drogenhändler gebrandmarkt", sagt Rolf Zopfi von der Menschenrechtsgruppe Augenauf. Sie hatte die Verbote für Asylbewerber in Bremgarten publik gemacht und wirft den Behörden Rechtsbruch vor. Auf eine Anfrage von SPIEGEL ONLINE reagierte Stadtpräsident Tellenbach zunächst nicht.

"Man sollte nicht den roten Teppich auslegen"

Wie verbreitet die harte Haltung gegenüber Asylbewerben im Land ist, machte zuletzt die Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli deutlich: Wenn Asylsuchende in die Schweiz kommen würden, "dann sollte man ihnen nicht den roten Teppich auslegen", sagte die Politikerin. Dabei gehört die Politikerin nicht etwa zur rechtspopulistischen SVP, sondern zu den Grünen.

Ein roter Teppich liegt tatsächlich nicht vor der Asylunterkunft Bremgarten, stattdessen wurde ein Metallzaun mit schwarzem Sichtschutz vor dem mit Überwachungskameras ausgestatteten Militärgelände aufgebaut. "Betreten verboten", "Fotografieren verboten", so steht es auf Schildern am Zaun. Rund 50 Meter dahinter ist die eigentliche Sicherheitsschleuse, an der Personal postiert ist. Das Gebäude wirkt wie eine Festung.

Die Männer von der Security sind ausgesprochen wortkarg. Ob man mit den Asylbewerbern sprechen könne?

"Glaube ich nicht", sagt der eine.
"Warum nicht?"
"Keine Ahnung."

Der andere Mann weist darauf hin, dass er die Polizei alarmiere, wenn man das Fahrzeug nicht binnen fünf Minuten von dem Gelände entferne.

Von 8 bis 17 Uhr ist die Unterkunft gemäß der vom BFM erlassenen Hausordnung geöffnet, zu anderen Zeiten können die Asylbewerber die Unterkunft nicht verlassen. Die Flüchtlinge sollten sich "auf ihre Heimreise vorbereiten", sagt eine Spaziergängerin, die ihren Namen nicht nennen will. "Dafür müssen sie nicht schwimmen."

Carol Buess sieht das anders. Sie ist an diesem Freitag zusammen mit einer Freundin eine der ersten Badi-Besucherinnen. "Ein Verbot für Asylbewerber - geht's noch?", fragt die Frau, die im nächsten Jahr in Rente geht, und schüttelt den Kopf. "Es geht um Würde", sagt sie und steigt die Stufen ins Wasser.

Anm. d. Red: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Asylbewerbern sei der Zutritt ins Freibad von Bremgarten generell verboten. Dies ist falsch. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.

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