Türkische Soldaten in Griechenland "Wir sind in Gefahr"

Acht türkische Soldaten flohen per Helikopter nach Griechenland - sie fürchten um ihr Leben. Wird Athen die Männer ausliefern? Im ersten Interview spricht Hauptmann Çoban über seine Angst - und den gescheiterten Putsch gegen Erdogan.
Nach dem Putsch flüchtete eine Gruppe türkischer Soldaten nach Griechenland

Nach dem Putsch flüchtete eine Gruppe türkischer Soldaten nach Griechenland

Foto: Yannis Kolesidis/ dpa

Einige Stunden nachdem der Putschversuch in der Türkei gescheitert war, stieg Hauptmann Feridun Çoban mit sieben anderen Soldaten in einen Hubschrauber des Typs "Black Hawk". Das Ziel: Griechenland.

Bis heute hält sich die Gruppe dort auf. Die türkische Regierung fordert die sofortige Auslieferung der Soldaten. In den Augen der Erdogan-Regierung handelt es sich bei der Gruppe um Verräter und Putschisten, denen in der Türkei der Prozess gemacht werden sollte.

Dieses Szenario macht Feridun Çoban Angst. "Ich bin in Gefahr, wenn sie mich ausliefern. Wir alle sind in Gefahr. Wir kamen nach Griechenland, weil das Land zur Europäischen Union gehört. Wir dachten, man würde uns hier beschützen", sagt er SPIEGEL ONLINE. Es ist das erste Interview, das einer der acht Soldaten seit der Flucht gegeben hat.

Die türkische Regierung setzt Athen massiv unter Druck: Die Soldaten hätten den Putschversuchangestiftet, bekräftigte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Mittwoch. Für die Regierung in Athen ist der Fall brisant. Zwar besteht Ministerpräsident Alexis Tsipras darauf, dass die griechische Justiz unabhängig ist. Allerdings hat er bereits öffentlich Verständnis für das Drängen Ankaras gezeigt. Schließlich will Tsipras die ohnehin schon wackeligen Beziehungen der beiden Länder wegen der acht Soldaten nicht aufs Spiel setzen.

Ob Athen die Soldaten wirklich der Türkei übergibt, ist unklar. Denn immer wieder kommen die Gerichte zu unterschiedlichen Einschätzungen: Am Dienstag etwa entschied ein Gericht erst im Sinne Ankaras: Hauptmann Feridun Çoban und zwei weitere Soldaten sollen zurückkehren, lautete das Urteil. Donnerstag entschied ein weiteres Gericht in Griechenland in weiteren Fällen der Helikopter-Crew wiederum gegenteilig. Der Grund: Das Leben der Angeklagten könnte andernfalls in Gefahr sein. Nun muss der Oberste Gerichtshof Griechenlands ein Urteil fällen.

"Unmenschliche Behandlung"

Die unterschiedlichen Entscheidungen hätten mehr mit Politik als mit geltendem Recht zu tun, meint Dr. Christos Mylonopoulos, der Feridun Çoban vor Gericht verteidigt. "Es wurden unzweifelhaft Fehler gemacht", sagt Mylonopoulos, der als Juraprofessor an der Universität in Athen arbeitet. Der größte Fehler sei die Entscheidung gewesen, die Soldaten auszuliefern, obwohl die Staatsanwaltschaft schon am Montag die Position eingenommen hatte, dass eine Auslieferung das Leben der Angeklagten gefährden könnte. Das sei eine unmenschliche Behandlung.

Das griechische und europäische Recht untersagt es, Menschen in andere Länder auszuliefern, wenn ihnen dort Folter droht - oder gar ihr Leben in Gefahr ist. Die türkische Regierung hat die Europäischen Menschenrechtskonventionen nach dem Putschversuch teilweise außer Kraft gesetzt. Für Feridun Çoban sind das keine guten Aussichten. "Es ist klar, dass wir dort keinen fairen Prozess bekommen würden", meinte er.

Der Hauptmann bleibt bei seiner Sichtweise: Er und die anderen Soldaten hätten nichts falsch gemacht. "Wir haben uns nicht illegal verhalten. Und damit meine ich nicht nur die Flucht. Wir haben uns in unserer ganzen Militärkarriere nichts zuschulden kommen lassen." Sie seien eine einfache Helikopter-Crew für Rettungseinsätze gewesen. "Wir haben Hunderte Menschen gerettet und haben mit dem Putsch nichts zu tun." Das sieht auch sein Anwalt so, bisher gebe es keine Beweise.

Wie entscheidet der Oberste Gerichtshof?

Der Oberste Gerichtshof in Athen wird nun abschließend urteilen - wahrscheinlich Anfang der kommenden Woche. Urteilt das Gericht im Sinne der Angeklagten, dürfen die Soldaten nicht ausgeliefert werden. Und selbst wenn das Gericht dem Wunsch Ankaras nachkommt, kann Griechenlands Justizminister die Auslieferung noch verweigern. Aufgrund des angespannten Verhältnisses der Länder dürfte das aber unwahrscheinlich sein.

Der Anwalt von Feridun Çoban will aber auch dann nicht aufgeben und im Zweifel bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Am Ende könnte aber auch ein ganz anderer Fall eintreten: Wenn Griechenland den türkischen Soldaten das Asyl verwehrt und auch die Auslieferung an die Türkei abgelehnt wird, könnten die Soldaten nicht in Griechenland bleiben, sagt Rechtsanwalt Mylonopoulos. "Dann müssen sie ein anderes Land finden, das sie aufnimmt und Schutz gewährt."

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