Atom-U-Boot "Kursk" Waren sogar 130 Menschen an Bord?
Moskau - Der russische Verteidigungsminister Igor Sergejew hat seine Version vom Sinken der "Kursk" durch eine Kollision mit einem anderen Schiff bekräftigt. Höchstwahrscheinlich sei das Atom-U-Boot mit einem "vergleichbar großen" Objekt zusammengestoßen, vielleicht mit einem anderen Unterseeboot, sagte Sergejew dem Fernsehsender ORT. Sergejew wiederholte frühere Angaben, in der Nähe der Unglücksstelle seien Notsignalbojen ausländischen Typs gesichtet worden. Großbritannien und die USA wiesen entschieden zurück, in das Unglück verwickelt zu sein.
Sergejew übernahm die Verantwortung dafür, dass Präsident Wladimir Putin der Unglücksstelle fernblieb. Er habe Putin gesagt, dessen Anwesenheit vor Ort sei wegen der eingeleiteten Rettungsarbeiten nicht notwendig, sagte Sergejew. Putin war in der Öffentlichkeit heftig dafür kritisiert worden, dass er nach Bekanntwerden des Unfalls der "Kursk" seinen Urlaub am Schwarzen Meer fortsetzte.
"Die Behörden haben ihre krankhafte Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal russischer Bürger demonstriert", urteilte das russischen Online-Magazin "Vesti.ru" über die Informationspolitik der Regierung. Der russischen Bemühungen um eine Rettung der Seeleute könnten nur als ein Scheineinsatz bezeichnet werden. In Murmansk, dem Sitz der russischen Nordflotte, kritisierten viele Bewohner das Vorgehen der Behörden. "Es wurde viel zu spät um Hilfe gebeten", sagte etwa der Hafenarbeiter Grigorij Avaliani.
Im U-Boot befinden sich nach russischen Zeitungsberichten möglicherweise sogar 130 Menschen. Zusätzlich zu den 118 Marinesoldaten seien vermutlich noch zwölf zivile Marine-Experten mit an Bord gewesen, meldete die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf die Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda".
Moskau bat Norwegen, auch bei der Bergung der Toten zu helfen. Der Arbeitgeber der Taucher, die norwegisch-britische Firma Stolt Offshore, erklärte in Stavanger, die Bergung von Leichen sei gegenüber dem bisherigen Rettungseinsatz eine "völlig veränderte Aufgabenstellung". Die Aufgabe werde nur übernommen, wenn sie nicht mit Risiken für die Beteiligten verbunden sei.
Der frühere Kommandeur der Nordflotte, Admiral Eduard Baltin, erklärte, die Bergung des gesamten Atom-U-Boots könne angesichts der technischen Schwierigkeiten, finanzieller Engpässe und kritischer Wetterbedingungen in der Barentssee etwa ein Jahr dauern.
Der Chef der russischen Nordflotte, Admiral Wjatscheslaw Popow, bat die Witwen und Mütter der getöteten Seeleute um Vergebung. "Verzeihen Sie mir, dass ich ihre Männer nicht habe bewahren können", sagte Popow mit Tränen in den Augen im russischen Fernsehen. Die Angehörigen der Besatzung haben die russische Marine gebeten, den Ort der Tragödie in der Barentssee besuchen zu dürfen. Der Stab der Nordflotte will dies vom Wetter abhängig machen.