Verhandlungen mit Iran Russland schließt sich Atomgesprächen an

Unterhändler Kerry, Ashton, Kollegen in Genf: Auch Russland ist dabei
Foto: JASON REED/ AFPGenf - Die Atomgespräche in Genf sind an einem wichtigen Punkt angelangt: Am Freitagabend verhandelten die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Dschawad Sarif über den Atomstreit mit Teheran.
Zudem wurde bekannt, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow in Genf erwartet wird, er wird am Samstag an den Gesprächen teilnehmen. Moskau hoffe auf ein Ergebnis, auf das die ganze Welt warte, sagte Vizeminister Sergej Rjabkow der Staatsagentur Ria Nowosti am Freitagabend. Die Agentur Interfax meldete unter Berufung auf Delegationskreise, Russland habe hohe Erwartungen an das Treffen. Die Atomgespräche werden damit einen Tag länger dauern, dies hatten bereits iranische Journalisten über Twitter mitgeteilt.
Damit nehmen nun insgesamt sechs Außenminister persönlich an den Verhandlungen über Irans Nuklearprogramm teil, um eine Einigung zu erzielen: Neben Kerry, Sarif und Lawrow sind das der deutsche Kollege Guido Westerwelle, Frankreichs Außenminister Laurent Fabius und der Brite William Hague. Dies nährt die Hoffnungen auf eine Einigung in den seit Jahren festgefahrenen Atomgesprächen. Nach Angaben einer BBC-Korrespondentin wird auch ein Vertreter Chinas am Samstagmorgen nach Genf kommen.
Die EU-Außenbeauftragte Ashton leitet die Verhandlungen der sogenannten 5+1-Gruppe - bestehend aus den fünf Uno-Vetomächten China, Großbritannien, Frankreich, Russland, den USA plus Deutschland. Sie hatte Kerry eingeladen, an den Gesprächen teilzunehmen.
"Schwierige ungelöste Fragen auf dem Tisch"
Nach seiner Ankunft in Genf sagte der US-Außenminister, "bislang" gebe es noch keine Einigung, es werde aber "hart" daran gearbeitet. Zugleich warnte er, es gebe noch "einige sehr schwierige ungelöste Fragen auf dem Tisch".
Frankreichs Außenminister Fabius sah ebenfalls noch erheblichen Klärungsbedarf. Wichtige Fragen seien nach wie vor offen. Man arbeite aber weiter daran, diese zu klären, "sofern das möglich ist". Frankreich wolle ein "glaubwürdiges Abkommen" erzielen.
Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, die Verhandlungen befänden sich in einer wichtigen, aber schwierigen Phase. Es gebe "Bewegung", aber es sei "noch ein Weg zu gehen". Westerwelle strebe eine konkrete Einigung über eine "erste Vereinbarung" zum Atomprogramm an.
Israel verärgert
Warnungen aus Israel, Iran bekomme einen "Deal des Jahrhunderts", wies Washington als unbegründet und verfrüht zurück. Israels Premier Benjamin Netanjahu hatte zuvor bei einem zweistündigen Treffen mit Kerry am Flughafen in Tel Aviv versucht, eine Einigung noch zu verhindern. Es soll ein spannungsgeladenes Gespräch gewesen sein. Kerry habe den Presseauftritt kurzfristig abgesagt, um einen öffentlichen Streit zu vermeiden, hieß es. Israel werde sich an keinerlei internationale Vereinbarungen gebunden fühlen und alles Nötige zum eigenen Schutz unternehmen, warnte danach Netanjahu.
Auch über Twitter brachte er seinen Ärger zum Ausdruck: "Die Iraner sind sehr zufrieden gerade, was sie auch sein sollten. Sie haben alles bekommen und nichts bezahlt", schimpfte er.
US-Präsident Barack Obama informierte den israelischen Regierungschef am Abend über den Fortgang der Atomgespräche. Obama habe Netanjahu angerufen, um mit ihm über "unsere andauernden Bemühungen um eine friedliche Lösung" des Konflikts zu sprechen, teilte das Weiße Haus mit: "Der Präsident brachte den Ministerpräsidenten auf den neuesten Stand und unterstrich seine starke Verpflichtung, den Iran an einem Atomwaffenbesitz zu hindern." Das sei das Ziel der Genfer Gespräche.
Lösung in zwei Schritten
Auf dem Verhandlungstisch liegt eine Übergangslösung, wie es aus Delegationskreisen hieß. Demnach soll Teheran sein Atomprogramm zunächst aussetzen. Im Gegenzug sollen einige der gegen das Land verhängten Wirtschaftssanktionen aufgeweicht oder auf ausländischen Bankkonten blockierte Gelder aus Öleinnahmen freigegeben werden.
In einem zweiten Schritt soll dann über ein umfassenderes Abkommen verhandelt werden. Dieses soll sicherstellen, dass Iran nicht unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms an Nuklearwaffen arbeitet. Teheran will diese Sorge ausräumen, fordert aber im Gegenzug die Anerkennung des Rechts auf ein ziviles Atomprogramm, einschließlich der Urananreicherung auf bis zu fünf Prozent, sowie die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen. "Wir haben eine delikate und auch sehr komplizierte Phase der Verhandlungen erreicht und müssen nun das schriftliche Abkommen vorbereiten", sagte der iranische Vizeaußenminister Abbas Araghchi.
Die USA hatten am Donnerstag eine schrittweise Lockerung von Sanktionen ins Gespräch gebracht. Iran verfügt über immense Reserven an Öl und Erdgas, ist aber durch internationale Sanktionen wirtschaftlich in die Knie gezwungen worden.
Die iranische Nachrichtenagentur Mehr meldete, dass Iran im Gegenzug für Zugeständnisse im Atomstreit die internationalen Sanktionen gelockert haben wolle. "Wir haben dem Westen gesagt, dass in der ersten Phase (eines Abkommens) das Thema Banken- und Ölsanktionen in Betracht gezogen werden muss", zitierte Mehr ein Mitglied der iranischen Verhandlungsdelegation in Genf.
Der Westen verdächtigt Iran seit Jahren, insgeheim an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Teheran bestreitet dies und beharrt auf seinem Recht zur friedlichen Nutzung der Kernenergie.