Atomwaffen-Andeutung Olmert versucht politischen Sprengsatz zu entschärfen

Ehud Olmert will alles nicht so gemeint haben: Nach dem Wirbel um seine Atomwaffen-Äußerungen versucht Israels Regierungschef, die Wogen zu glätten. Wieder und wieder bekräftigt er, dass sich an der israelischen Position zur nuklearen Bewaffnung nichts geändert habe.

Berlin - Noch einmal wollte Ehud Olmert nicht in die Falle tappen. Drei Mal baten ihn Journalisten bei der Pressekonferenz nach dem Treffen des israelischen Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Berliner Kanzleramt um einen Kommentar zu seinen Atomwaffen-Andeutungen im gestrigen Fernsehinterview. Drei Mal erwiderte Olmert mit versteinerter Mine fast wortgleich: "Israel hat mehrfach gesagt, dass es nicht das erste Land sein wird, das Atomwaffen im Nahen Osten einführen wird." Es ist der seit Jahrzehnten bekannte Standpunkt des jüdischen Staates. "Das war unsere Position, das ist unsere Position und das wird unsere Position bleiben", fügte Olmert hinzu, um Spekulationen über einen Kurswechsel seiner Regierung in der Atompolitik zu zerstreuen.

Der Regierungschef ist angesichts des Wirbels um seine Atomwaffen-Äußerungen vorsichtig geworden. Olmert hatte in dem Interview Israel in einem Atemzug mit den Atommächten USA, Frankreich und Russland genannt und damit den Eindruck erweckt, er räume erstmals einen Kernwaffenbesitz ein.

In seinem Heimatland lösten die Äußerungen ein politisches Erdbeben aus. Dort stehen öffentliche Aussagen über Israels Nuklearpotenzial unter Strafe - auch wenn es unter Experten und Diplomaten als offenes Geheimnis gilt, dass das Land ein Arsenal von bis zu 200 atomaren Sprengköpfen hat.

Olmerts Berater und Sprecher versuchten eilig, den Schaden zu begrenzen: Er habe es nicht so gemeint, sei falsch zitiert worden, seine Aussage sei aus dem Zusammenhang gerissen, er sei ungenau interpretiert worden, er habe sich versprochen.

Doch die Welle der Empörung rollte bereits durchs Land. Der Abgeordnete der oppositionellen konservativen Likud-Partei, Juval Steinitz, forderte den Rücktritt des Ministerpräsidenten und sprach von einem "unverantwortlichen Lapsus", der "die Politik von fast einem halben Jahrhundert in Frage stellt". Der linke Oppositionsabgeordnete Jossi Beilin kritisierte die "verblüffenden Äußerungen von Ehud Olmert, die nur die Zweifel an seiner Regierungsfähigkeit vergrößern".

Die Politik der atomaren Zweideutigkeit hat für Israel bislang unbestreitbare Vorteile. Jerusalem hat den Vertrag zur Nichtverbreitung von Atomwaffen von 1970 nicht unterschrieben. Seine atomaren Zentren bleiben den internationalen Kontrolleuren verschlossen. Doch seit 1986 gibt es Beweise, dass Israel in der Wüstenstadt Dimona ein nukleares Waffenarsenal lagert. Damals verriet Mordechai Vanunu, ein ehemaliger Techniker des Atomforschungszentrums Dimona, die Existenz des Reaktors.

Härtere Gangart gegen Iran

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, nannte Olmerts Interview-Aussagen bemerkenswert. Der SPD-Politiker betonte im Südwestrundfunk, es sei kein Zufall, "dass zu den Gesprächsthemen mit Iran auch die Frage einer regionalen atomwaffenfreien Zone gehört, wovon natürlich dann auch Israel berührt wäre". Iran könne nicht ständig an den Atomwaffensperrvertrag erinnert werden, "weil zu diesen Verpflichtungen eben auch die Abrüstung der Atommächte gehört". Beide Seiten müssten das Abkommen erfüllen, was bei ehrlicher Betrachtung im Augenblick nicht der Fall sei.

Die atomare Gefahr aus Iran - darum sollte es eigentlich gehen bei den Gesprächen zwischen Merkel und Olmert. Nun stand plötzlich die israelische Bombe im Mittelpunkt des Interesses. Bei der Pressekonferenz bemühte sich Olmert denn auch, den Fokus wieder auf Teheran zu lenken.

Der israelische Ministerpräsident und die Kanzlerin sprachen sich heute für eine härtere Gangart gegen Iran aus. Es werde Zeit, dass der Uno-Sicherheitsrat unverzüglich Sanktionen in Angriff nehme, erklärten beide. Ziel müsse es sein, den Bau einer iranischen Atombombe zu verhindern.

"Inakzeptabler Charakter des iranischen Regimes"

Merkel, die bereits am Montagabend inoffiziell drei Stunden lang mit Olmert geredet hatte, verurteilte scharf die umstrittene "Holocaust-Konferenz" in Teheran. Der Versuch, den Völkermord an den Juden zu leugnen, zeige, unter welcher Bedrohung Israel leben müsse, sagte die Kanzlerin. Nach Olmerts Worten zeugt die Tagung von dem "inakzeptablen Charakter des iranischen Regimes", das eine Gefahr für die gesamte westliche Kultur sei.

Anders als Olmert, der vor seiner Ankunft in Berlin erneut auch ein militärisches Vorgehen gegen Teheran nicht ausgeschlossen hatte, lehnte Merkel ein solches Vorgehen strikt ab: "Eine militärische Option liegt für mich nicht auf dem Tisch", betonte sie.

Sie wies auch die Kritik Olmerts an der Syrien-Reise von Außenminister Frank- Walter Steinmeier (SPD) zurück. Der mit ihr abgesprochene Besuch sei den Versuch wert gewesen, Spielräume auszuloten, ob Damaskus in die Verhandlungen einbezogen werden könne. Leider seien die Ergebnisse von Steinmeiers Gesprächen nicht positiv gewesen, sagte Merkel. Olmert hatte den Besuch als "Fehler" kritisiert. Am Abend traf sich Olmert unangekündigt mit Steinmeier.

Zum Auftakt seines von strengen Sicherheitsvorkehrungen begleiteten Berlin-Besuchs besuchte Olmert das Mahnmal für deportierte Juden am "Gleis 17" im Grunewald. Das Grauen über die während der NS-Herrschaft ermordeten sechs Millionen Juden sei weiter gegenwärtig, sagte er nach einer Kranzniederlegung. Es müsse alles getan werden, damit der Staat Israel "das genaue Gegenteil der Bösartigkeit der Nazis" werde.

Olmert kam auch mit Bundespräsident Horst Köhler zusammen. Morgen fliegt er nach Rom weiter, wo Gespräche mit Ministerpräsident Romano Prodi und Papst Benedikt geplant sind.

phw/dpa/reuters/AFP

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