Attentat auf Hrant Dink Jugendlicher gesteht Journalisten-Mord
Istanbul - Bereits die erste Vernehmung ergab ein Geständnis des Jugendlichen, erklärte der zuständige Staatsanwalt Ahmet Cokcinar heute einer Meldung der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge. Der 52-jährige Dink wurde am Freitag vor seinem Redaktionsbüro in Istanbul erschossen. Eine Überwachungskamera hatte Aufnahmen des Verdächtigen gemacht. Die Polizei nahm den Verdächtigen, dessen Name mit Ogün Samast angegeben wurde, gestern Abend in Samsun am Schwarzen Meer fest.
Der 17-jährige Türke war in einem Bus festgenommen worden, nachdem ihn sein Vater auf Fahndungsbildern im Fernsehen wiedererkannt und die Polizei informiert hatte. Er stammt aus der Stadt Trabzon am Schwarzen Meer und war auf der Rückfahrt nach Hause.
Auf der Suche nach möglichen Hintermännern beschlagnahmte die Polizei in Trabzon Computer aus Internet-Cafés, in denen sich der Jugendliche häufiger aufgehalten haben soll. Türkischen Medienberichten zufolge hatte der junge Mann die Schule nicht beendet und war zuletzt ohne Beschäftigung. Aus einem Fußballclub für Amateure soll er wegen Disziplinlosigkeit hinausgeworfen worden sein. Über sein Mord-Motiv wurde zunächst nichts bekannt.
Der 53-jährige Dink war gestern in Istanbul auf offener Straße erschossen worden. Der bekannteste Vertreter der armenischen Minderheit in der Türkei hatte sich als Herausgeber der zweisprachigen Wochenzeitung "Agos" für die Rechte der armenischen Minderheit eingesetzt.
Aus Protest gegen die Ermordung Dinks waren am Freitagabend tausende Menschen in der Türkei auf die Straße gegangen. In Istanbul versammelten sich rund 5000 Menschen zu einer spontanen Kundgebung auf dem Hauptplatz der Metropole. In der Hauptstadt Ankara folgten rund 700 Menschen einem Aufruf von Menschenrechtgruppen und Gewerkschaften. Die Regierung in Ankara hatte eine rasche Aufklärung des Falls versprochen. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte im Fernsehen, die Schüsse auf Dink wurden "auf uns alle abgegeben". Die Zeitung "Hürriyet" schrieb, der Mörder habe die türkische Nation verraten. "Milliyet" titelte: "Hrant Dink ist die Türkei".
Aus Deutschland kam Kritik an mangelnden Sicherheitsvorkehrungen für Dink. In seiner letzten Kolumne schrieb der Träger des Henri-Nannen-Preises, er verhalte sich aus Angst nur noch wie eine Taube, die ständig nach allen Seiten schaue. Der Grünen-Politiker Volker Beck nannte es völlig unverständlich, warum die Türkei Dink trotz Morddrohungen keinen Personenschutz gewährt habe. Dink war allein, als er am Freitagnachmittag vor dem Gebäude seiner Redaktion erschossen wurde. Der Istanbuler Gouverneur Muammer Güler wies die Vorwürfe zurück. Dink habe keinen Schutz beantragt und deshalb auch keinen bekommen. "Es wurden nur allgemeine Sicherheitsvorkehrungen getroffen."
bor/AP/AFP