Attentat in Christchurch Mutmaßlicher Schütze kaufte Waffen online - und will sich selbst verteidigen

Der mutmaßliche Attentäter von Christchurch entlässt seinen Pflichtverteidiger. Das Kabinett in Wellington berät über schärfere Waffengesetze. Und die Polizei in Australien durchsucht im Zuge der Ermittlungen zwei Wohnungen.
Gedenkstätte in Christchurch für die Opfer des Attentats

Gedenkstätte in Christchurch für die Opfer des Attentats

Foto: DAVID MOIR/ AFP

Der mutmaßliche Attentäter von Christchurch will sich nach Aussage seines bisherigen Pflichtverteidigers Richard Peters selbst vor Gericht verteidigen. Peters sagte der Zeitung "New Zealand Herald" , dass ihn der 28-jährige Brenton Tarrant von seinem Mandat als Anwalt entbunden habe und er nicht länger für ihn tätig sei. Tarrant habe ihm selbst gesagt, dass er sich künftig selbst verteidigen werde.

Peters äußerte die Vermutung, dass der Rechtsextremist einen Prozess als Plattform nutzen könnte, um "seine ziemlich extremen Ansichten" vor den Augen der Weltöffentlichkeit zur Schau zu stellen. "Die Aufgabe des Richters wird sein, damit umzugehen", sagte Peters der Zeitung. Tarrant habe auf ihn den Eindruck gemacht, bei klarem Verstand und psychisch stabil zu sein. Außerdem habe er weder Reue noch Mitleid erkennen lassen.

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Tarrant war nach dem Attentat mit mindestens 50 Todesopfern in zwei Moscheen am Freitag festgenommen worden. Am Samstag erschien er erstmals vor Gericht, der nächste Termin ist für den 5. April angesetzt. Dem Australier, der seit mehreren Jahren in Neuseeland lebt, droht eine lebenslange Haftstrafe.

Weitere Entwicklungen im Überblick:

  • Australiens Polizei durchsucht zwei Wohnungen

Am Montagmorgen durchsuchten Antiterroreinheiten der australischen Polizei im Zuge der Christchurch-Ermittlungen zwei Wohnungen im Bundesstaat New South Wales. Dabei handelte es sich offiziellen Angaben zufolge  um ein Gebäude in der Ortschaft Sandy Beach nahe Coffs Harbour - es soll unbestätigten Medienberichten zufolge mit Tarrants Schwester in Verbindung stehen. Eine zweite Wohnung wurde kurz darauf in Lawrence nahe Maclean durchsucht. Beide Orte liegen in der Nähe von Grafton, der Heimatstadt von Tarrant.

Bei der Aktion sei es vor allem darum gegangen, Material sicherzustellen, das womöglich den neuseeländischen Ermittlern bei ihrer Arbeit helfen könne, hieß es von der australischen Polizei. Es gebe keine Informationen darüber, dass Anwohner in Gefahr seien. Weitere Details nannte die Polizei nicht.

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  • Mutmaßlicher Attentäter kaufte Waffen online

Nach Ermittlungen der Polizei hatte der mutmaßliche Attentäter fünf Schusswaffen bei sich, als er die beiden Moscheen angriff. Der Besitzer eines Waffenladens in Christchurch, David Tipple, sagte nun bei einer Pressekonferenz, der mutmaßliche Attentäter habe bei seiner Firma online vier Waffen und Munition erstanden: Es habe sich dabei um einen von der Polizei überprüften Onlineversandhandel gehandelt, sagte Tipple. Er und seine Angestellten seien "bestürzt und angewidert" über das Attentat vom vergangenen Freitag. Brenton Tarrant besitzt seit 2017 einen Waffenschein.

Die Organisatoren der größten Waffenschau in Neuseeland sagten die Veranstaltung in der Nähe von Auckland ab - aus Respekt vor den Opfern und wegen "erhöhter Sicherheitsrisiken", wie es in einer Erklärung heißt . Die Kumeu Militaria Show hätte am 23. März stattfinden sollen.

  • Neuseelands Parlament berät über Verschärfung der Waffengesetze

Schon kurz nach dem Attentat kündigte Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern an, die Waffengesetze im Land verschärfen zu wollen. Am Montag nun beriet das Kabinett in der Hauptstadt Wellington unter Arderns Vorsitz über das Vorhaben. "Wir wollen so schnell wie möglich damit vorankommen", sagte sie. Ihre Koalition sei sich darin einig. Vor der nächsten Kabinettssitzung am kommenden Montag wolle sie weitere Details bekannt geben, sagte Ardern. "Das bedeutet letzten Endes, dass wir innerhalb von zehn Tagen nach diesem furchtbaren Akt des Terrorismus Reformen verkünden werden, die, wie ich glaube, unsere Gemeinschaft sicherer machen werden."

Außenminister Winston Peters vom populistischen Koalitionspartner NZF, der solche Pläne bislang abgelehnt hatte, sagte: "Unsere Welt hat sich für immer geändert. Deshalb werden sich auch unsere Gesetze ändern."

Jacinda Ardern in Wellington

Jacinda Ardern in Wellington

Foto: Hagen Hopkins/ Getty Images

  • Türkische Delegation besucht Christchurch

Am Montag besuchte eine Delegation aus der Türkei unter Leitung von Außenminister Mevlüt Cavusoglu die Al-Nur-Moschee in Christchurch. Allein dort wurden am Freitag 42 Menschen getötet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind alle Todesopfer muslimischen Glaubens. Ebenfalls am Montag sollen die ersten Beerdigungen stattfinden.

  • 18-Jähriger wegen Verbreitung von Livevideo angeklagt

Der Attentäter von Christchurch hatte die Tat live per Kamera im Internet übertragen. Weil ein 18-Jähriger das Livevideo verbreitete, wurde er nun vor Gericht angeklagt, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Er muss sich demnach auch wegen der Veröffentlichung eines Fotos der Moschee und des Satzes "Ziel erreicht" verantworten. Laut Staatsanwalt drohten ihm maximal 14 Jahre Haft pro Anklagepunkt.

  • Seehofer sieht kein islamfeindliches Klima in Deutschland

Nach dem rassistisch motivierten Anschlag in Christchurch sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der "Bild"-Zeitung auf die Frage, ob ein solches Klima in Deutschland herrsche: "Nein. Der Großteil der Menschen in Deutschland lebt friedlich miteinander. Davon bringen uns auch gewaltbereite Extremisten nicht ab." Der Bundesregierung sei die freie Religionsausübung ein Kernanliegen. "Islamfeindliche Straftaten und Angriffe auf Moscheen gilt es entschieden und mit aller Härte des Rechtsstaats entgegenzutreten."

aar/dpa/AFP/Reuters
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