Aufnahmeantrag Islands Parlament stimmt für EU-Beitritt
Reykjavík - Das Parlament in Island hat sich für ein Beitrittsgesuch an die Europäische Union ausgesprochen. 33 der 63 Abgeordneten des Althing stimmten für den Vorschlag der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurdardóttir, 28 dagegen. Es sei "sicherlich die größte Entscheidung für das Althing seit Gründung der Republik", sagte sie einem Fernsehsender vor der Abstimmung.

Protest gegen Banken-Bankrott in Island: Das Parlament sprach sich für den umstrittenen EU-Aufnahmeantrag aus
Foto: INGOLFUR JULIUSSON/ REUTERSAußenminister Ässur Skraphédinsson soll das Gesuch beim nächsten EU-Außenministerrat am 27. Juli in Brüssel überreichen. Als Sprecher der derzeitigen 27 EU-Mitgliedsländer sagte der schwedische Ministerpräsident und amtierende Ratspräsident Fredrik Reinfeldt: "Ich begrüße es, dass das isländische Althing sich nun entschlossen hat, die Mitgliedschaft in der EU zu beantragen."
Sollten die Beitrittsverhandlungen erfolgreich verlaufen, soll es nach dem Willen der isländischen Regierung vor einem möglichen Beitritt eine Volksabstimmung geben. Die konservative Opposition hatte ursprünglich ein doppeltes Referendum gefordert - eines, ob überhaupt ein Antrag auf eine EU-Mitgliedschaft gestellt werden soll und schließlich eine weitere Abstimmung, falls die Europäische Union einer Aufnahme Islands zustimmen würde -, scheiterte aber mit einem entsprechenden Antrag.
Angst vor hohen Geldforderungen
Die Sozialdemokraten hatten sich in dem sechstägigen Verhandlungsmarathon für Beitrittsverhandlungen ausgesprochen, um die finanzielle Zukunft des von der Wirtschafts- und Finanzkrise schwerangeschlagenen Staats zu sichern. Die 320.000 Bürger des Inselstaates plagt nach dem Zusammenbruch der führenden isländischen Banken ein Schuldenberg von bis zu 12,7 Milliarden Euro - mehr als 200 Prozent des Bruttosozialprodukts.
Sigurdardóttir hatte die Abgeordnete vor der bis zuletzt als offen geltenden Abstimmung noch einmal gebeten, den Weg für einen schnellen Beitritt frei zu machen: "Anders können wir unsere schweren wirtschaftlichen Probleme nicht lösen." Ein Ziel eines EU-Beitritts wäre auch die Einführung des Euro, von dem sich viele Isländer mehr Stabilität für ihr Land versprechen. Das letzte Wort in der Frage hätte das isländische Volk in einem Referendum.
Viele Isländer sind aber gegen einen EU-Beitritt, darunter Teile des Juniorpartners der Regierungskoalition, der Linksgrünen. Im Zentrum der Parlamentsdebatte standen immer wieder die gigantischen Zahlungsverpflichtungen für Islands Steuerzahler durch den Bankenkollaps im vergangenen Herbst. Abgeordnete, auch aus dem Regierungslager, fürchten, dass der finanzielle Druck von EU-Gläubigerländern wie Großbritannien und den Niederlanden deutlich steigen würde.
Schnelle Verhandlungen in Aussicht
In einer hitzigen Diskussion im Parlament hatte die Opposition am Mittwoch beklagt, dass ein Bericht über die Auswirkungen eines EU-Beitritts auf die Landwirtschaft Islands nicht dem Parlament vorgelegt wurde. Stattdessen wurde das Papier später auf der Website des Außenministeriums veröffentlicht. Ein Abgeordneter der Opposition sprach daraufhin von einem kompletten Vertrauensverlust.
Island wäre nach Dänemark, Finnland und Schweden das vierte nordeuropäische Land in der EU. Norwegens Bevölkerung hat den Beitritt bei zwei Volksabstimmungen 1972 und 1992 gegen die Empfehlung der eigenen Regierung abgelehnt. Nach Aussagen aus EU-Kreisen könnte die Inselrepublik im Atlantik in den Jahren 2011 bis 2013 aufgenommen werden. Der schwedische Außenminister Carl Bildt, dessen Land zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, hatte Island Ende Juni verkürzte Verhandlungen in Aussicht gestellt.
Derzeit verhandelt die Union mit der Türkei und Kroatien über den Beitritt. Sollten sich die EU und Island über die umstrittene Fischereipolitik einigen, könnte das Land schneller als Kroatien das 28. Land der Europäischen Union werden. Bei den Verhandlungen wird es vor allem um isländische Fischereigebiete, die eigentlich zu EU-Gebiet werden müssten, den in der EU geächteten aber von Island kommerziell betriebenen Walfang und die hohe Staatsverschuldung gehen.