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Afghanistan: Klein und der Befehl zum Bomben

Foto: A3806 Can Merey/ dpa

Aufregung über Geheimdossier Kunduz-Ausschuss verschiebt Befragung von Generälen

Paukenschlag im Kunduz-Ausschuss: Wegen eines SPIEGEL-ONLINE-Berichts wurde die Vernehmung zweier Generäle verschoben. Ihnen war früh bekannt, dass Zivilisten beim Tanklaster-Bombardement umgekommen sein könnten - doch die Hinweise wurden nach SPIEGEL-Informationen aus internen Systemen gelöscht.
Von Ulrike Demmer

Das ist eine der wichtigsten Fragen, die der Untersuchungsausschuss des Bundestags klären muss.

Wer wusste wann was über die zivilen Opfer beim Luftschlag von Kunduz am 4. September? Dazu werden auch führende Offiziere der Bundeswehr als Zeugen vernommen. An diesem Donnerstag sollten der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Rainer Glatz, und der damalige Kommandeur des Regional Kommandos Nord in Masar-i-Sharif, Brigadegeneral Jörg Vollmer, vor dem Ausschuss in Berlin auftreten.

Nato

Nach Aktenvermerken, die dem SPIEGEL vorliegen, ging es den deutschen Offizieren offenbar darum, das tragische Bombardement innerhalb der Isaf und der herunterzuspielen.

Isaf

Der für das Nachrichtenwesen zuständige Offizier im Bundeswehrstützpunkt PRT-Kunduz erstattet täglich Bericht. INTSUM, für Intelligence Summary, heißen diese Meldungen, die über das interne Netz der verbreitet werden. Am 4. September stellt der Offizier INTSUM Nummer 247 dort ein. Geschmückt mit zwei Luftaufnahmen vom Flussbett bei Kunduz meldet er um 15:30 Uhr unter Punkt 3.3 auch den aktuellen Informationsstand zum Luftschlag der vergangenen Nacht.

Pflichtschuldig und detailgetreu berichtet er von möglichen Zivilisten unter den Opfern: Es sei wahrscheinlich, dass die Aufständischen den Treibstoff der feststeckenden Wagen an die lokale Bevölkerung verteilt hätten, notiert er. Und: "It cannot be excluded that civilians were among the casualties" - Es sei nicht ausgeschlossen, dass auch Zivilisten bei dem Luftschlag ums Leben gekommen seien. Lange bleiben diese Informationen nicht im militärischen Netz. Schon dreieinhalb Stunden später sind sie gelöscht.

Brisanz wurde schnell erkannt

Die beiden Generäle Vollmer und Glatz hatten die Brisanz des Luftschlags schnell erkannt. Laut der Unterlagen telefonierten sie am Abend des 4. Septembers zweimal miteinander. Nach dem ersten Gespräch um 18.15 Uhr vermerkte Glatz in ordentlichen rund geschwungenen Buchstaben seinen Ärger am rechten Rand der Meldung. "Wenn das so stimmt und durch COMPRT (den Kommandeur des PRT Kunduz Oberst Klein) bestätigt werden sollte, ist das ein Verstoß gegen die Tactical Directive des COMISAF (Isaf-Kommandeur Stanley McChrystal). Dann hätte man schlimmstenfalls CIVCAS (Tod und Verwundung von Zivilisten) in Kauf genommen."

Die Unterlagen zeigten, dass Glatz und Vollmer ihre Erkenntnisse über die Ausmaße des Luftschlags wohl lieber nicht mit jedem teilen wollten. Demnach vereinbarten die beiden, dass die heiklen Stellen aus der Meldung verschwinden.

Nach einem zweiten Telefonat mit Vollmer vermerkte Glatz auf der Meldung: "BG V. (Brigadegeneral Vollmer) hat gegen 20 Uhr veranlasst, dass dies aus dem Netz genommen wird." Die Meldung sei wieder aus dem Isaf-Netz herausgenommen worden, "da Details noch nicht valide nachgeprüft waren", so Glatz.

Diese Tatsachen waren am Nachmittag auf SPIEGEL ONLINE noch vor Beginn der geplanten Aussage von Glatz und Vollmer veröffentlicht worden. Aufgrund dieses Berichts hat der Ausschuss jetzt die Vernehmung der Zeugen auf eine Sondersitzung am 15. März verschoben.

Vor allem die Abgeordneten der Union sollen nach Angaben aus Teilnehmerkreisen empört reagiert haben. Die geheimen Unterlagen sollen sich laut dpa in einem der 30 Aktenordner befinden, die das Verteidigungsministerium den Ausschussmitgliedern zur Verfügung gestellt hat. Das überprüfte das Sekretariat des Gremiums nach Teilnehmerangaben noch während der Sitzung. Allerdings kannten nicht alle Ausschussmitglieder die entscheidenden Zitate. Die Initiative für eine Verschiebung der Aussagen der beiden Generäle soll von der Union gekommen sein, die Entscheidung sei aber einvernehmlich getroffen worden, hieß es.

Laut Teilnehmerangaben soll jetzt die Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrats ermitteln.

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