Aufrüstung Nordkorea kündigt Atomtest an
Seoul - Nordkorea wird nach Angaben des Außenministeriums "in der Zukunft" einen Atomtest durchführen. Dies sei Teil der Anstrengungen zur Verbesserung der Selbstverteidigung angesichts der zunehmenden Feindseligkeiten der USA, hieß es in einer von der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA verbreiteten Erklärung. Die Regierung in Pjöngjang hatte zwar schon zuvor erklärt, dass sie im Besitz von Atomwaffen sei. Bislang hat sie aber keinen Test durchgeführt, um diese Behauptung zu untermauern.
In einer ersten Stellungnahme nannte der japanische Außenminister Taro Aso diese "Bedrohung des Friedens völlig unverzeihlich". Japan werde "entschieden" reagieren, sollte Nordkorea den Atomtest tatsächlich starten, sagte Aso nach einem Bericht der Kyodo Nachrichtenagentur. Ein Sprecher des britischen Außenministeriums sagte, das Vereinigte Königreich werde einen Atomtest als "hochgradig provokativ" ansehen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief die USA auf, Direktverhandlungen mit Nordkorea aufzunehmen. Südkorea hat seine Sicherheitsstufe erhöht und für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung der für Sicherheitsfragen zuständigen Minister angesetzt.
Bei den Sechs-Länder-Gesprächen mit China, Japan, Russland, den USA und den beiden koreanischen Staaten wurde seit drei Jahren versucht, Nordkorea von der Entwicklung von Atomwaffen abzubringen. Die Gespräche liegen jedoch seit November 2005 auf Eis. Die nordkoreanische Seite hatte als Vorbedingung für ihre Rückkehr an den Verhandlungstisch die Aufhebung der gegen Pjöngjang verhängten Wirtschaftssanktionen gefordert. Eine im September 2005 geschlossene grundsätzliche Vereinbarung über einen nordkoreanischen Atomwaffenverzicht im Austausch gegen ausländische Hilfen im Energiesektor wurde daher nicht umgesetzt.
Noch handelt es sich nur um eine Absichtserklärung, keine Explosion. Mit der Ankündigung eines Atomtests hat das kommunistische Regime Nordkoreas dem seit Monaten schwelenden Konflikt um das Atomprogramm des Landes und seine Raketentests jetzt neue Nahrung gegeben.
Um sein Selbstverteidigungsvermögen zu stärken, werde das Land "Atomtests unter Bedingungen durchführen, in denen Sicherheit garantiert ist". Der vagen Ankündigung folgte jene Sorte von Rhetorik, die Beobachtern des Konflikts wohlbekannt ist.
"Die USA erhöhen täglich die Drohung eines Atomkriegs, und ihre teuflischen Sanktionen und ihr Druck haben eine ernste Situation auf der koreanischen Halbinsel erzeugt, in welcher die obersten Interessen unseres Staates verletzt wurden - und die koreanische Nation steht an der Weggabelung zwischen Leben und Tod", teilte das nordkoreanische Außenministerium in einer Verlautbarung mit, die von der offiziellen Nachrichtenagentur des Regimes veröffentlicht wurde.
Gleichzeitig - und scheinbar widersprüchlich - bekannte sich Pjönjang zur Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Seit sich Nordkorea im Februar 2005 zur Atommacht erklärt hatte, kommen Analysten zu unterschiedlichen Einschätzungen: Blufft das Regime von Kim Jong-Il? Oder verfügt es gar über ausreichend Material für sechs bis acht Atomsprengköpfe? Die zweitgenannte Ansicht wird von vielen Beobachtern vertreten. Als Beweis für die Fähigkeit, Atombomben zu bauen, würde aber erst ein erfolgreicher Test gelten.
Zusammenhang mit Streit um Raketentest
Ein Atombombentest des kommunistischen Regimes in Pjönjang ist eng verbunden mit dem lange schwelenden Streit um Raketentests. Zwar geht es um zwei unterschiedliche Technologien, doch nur bei einem vorhandenen Trägersystem - wie Mittel- und Langstreckenraketen - könnten vorhandene Atombomben dem Regime auch als strategische Waffen dienen.
Im August hatte der Verteidigungsminister Südkoreas in einer Befragung vor einem Parlamentsausschuss in Seoul gesagt, Nordkorea verfüge seiner Ansicht nach über eine oder zwei Atombomben. "Das ist richtig", antwortete er auf die Frage, ob der kommunistische Norden ohne Zweifel über Kernwaffen verfüge. Nur wenige Tage zuvor hatte die Regierung Nordkoreas dem Süden gar mit einem Präventivschlag gedroht. Heute nun sagte Pjönjang, man werde niemals Atomwaffen als Erster einsetzen.
Anfang September beobachteten die Geheimdienste Südkoreas und der USA dann verdächtige Fahrzeugbewegungen an der nordkoreanischen Raketentestanlage in Gitdaeryeong, wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtet hatte. Offenbar war dies eine Antwort auf einen Raketenabwehrtest der USA über dem Pazifik - auf diesen hatte Nordkorea mit harscher Kritik reagiert. Diese Tests interpretierte das Regime in Pjönjang nach eigener Darstellung als Kriegsdrohung.
Als Nordkorea 1998 eine mehrstufige Raketen des Typs "Taepodong" mit einer Reichweite von 2000 bis 2500 Kilometer getestet hatte, löste dies einen internationalen Eklat aus: Sie war über Japan hinweg in den Pazifik geflogen. Im Juli dieses Jahres teste Nordkorea erneut ballistische Waffen.
Nicht jede Atombombe passt auf eine Rakete
Derzeit arbeitet das Land an einer Weiterentwicklung dieser Rakete, die dann auch den US-Bundesstaat Alaska erreichen können soll. Die Reichweite soll den Plänen zufolge schließlich auf 7000 Kilometer oder mehr erweitert werden. Experten zweifeln allerdings an der Fähigkeit des Landes, die dafür nötige Technik zuverlässig und präzise genug anzuwenden. Auch werde es noch einige Zeit dauern, bis das Land eine Atombombe zu bauen im Stande sei, die auf einen Raketenkopf passt. Von einer Version, die in einem Test - etwa in einem Bergstollen - gezündet werden könnte, bis zu einem Sprengkopf für eine ballistische Rakete ist es technisch ein weiter Weg.
Auch in den USA wurde über die neue Version, die "Taepodong 2", wild spekuliert: Könnten diese Reichweiten von 10.000, von 12.000 oder gar von 15.000 Kilometern besitzen? William Perry, der unter US-Präsident Bill Clinton als Verteidigungsminister diente und als solcher intensiv mit dem nuklearen Rüstungsprogramm Nordkoreas beschäftigt war, schriebt im Juni in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Washington Post": "Fährt Nordkorea mit seinen Startvorbereitungen fort, sollten die Vereinigten Staaten sofort deutlich machen, dass sie die nordkoreanische 'Taepodong'-Rakete zerstören würden, bevor sie abheben kann."
Alle diese Spekulationen und strategischen Erwägungen würden indes nur dann eine neue Qualität erhalten, wenn die vermeintliche Atommacht Nordkorea auch wirklich ihre Fähigkeit unter Beweis stellt, Kernwaffen zu produzieren - durch einen Test.
stx/AP/rtr