Aufstände in Burma 1988 "Die Regierung wollte die totale Anarchie"

Seit sieben Tagen demonstrieren Tausende Mönche in Myanmar friedlich gegen die burmesische Militärdiktatur. Eine Aktion, die schreckliche Erinnerungen an die Niederlage der Protestbewegung von 1988 hervorruft.

Berlin - Probleme mit Aufständischen hatte die burmesische Diktatur seit ihrer Errichtung im Jahr 1962 eigentlich schon immer. Irgendwo in den entlegenen Bergen und Randregionen des von der Außenwelt abgeschotteten Staates rotteten sich immer Gruppen zusammen, die gegen die rückständige und brutale Politik der Militärregierung kämpften. Jahrzehntelang.

In diesen Tagen steht das Regime jedoch unter besonders starkem Beschuss. Hundertausende Demonstranten gehen seit Tagen gegen die Regierung von Präsident Than Shwe auf die Straße. Initiiert wurden die friedliche Protestmärsche von burmesischen Mönchen vor gut sieben Tagen. Der Grund: Die Geistlichen wollten die drastischen Preiserhöhungen für Gas und Benzin nicht mehr hinnehmen.

Diese Protestaktion, an der sich täglich mehr Menschen beteiligen, erinnert an den letzten großen Aufstand von 1988. Damals lehnten sich Studenten gegen das Regime von Ne Win auf. Als die Lage für die Diktatur außer Kontrolle geriet, ging das Militär mit aller Macht gegen die Aufständischen vor. Es gab tausende Tote, zahllose Verletzte.

Eine blutige Schlacht und ihre Anfänge

Einige Jahre vor den Ausschreitungen verhallten die Stimmen der Oppositionellen oft noch in den Weiten des Niemandslandes, in dem sich die Kämpfer verschanzten. Erst durch eine Hungersnot im Jahr 1987, die das Ergebnis von Misswirtschaft und radikaler Agrarpolitik war, wurde die Stimme der Regierungsgegner lauter und fand in der Bevölkerung erstmals großflächig Anklang. Es drohten Hungeraufstände.

Um diese zu verhindern, gab der damalige Staatschef Ne Win den Reis-, Mais- und Bohnenhandel frei. Für das kleine, unscheinbare Land an der Grenze zu Thailand und China war dieser Schritt revolutionär, wurden bisher doch alle Märkte strikt vom Staat kontrolliert und reguliert. Lediglich der Handel auf dem Schwarzmarkt bot der Bevölkerung eine Möglichkeit, sich mit dem Nötigsten zu versorgen.

Nach der Öffnung des Reismarktes strömten so unzählige Ex-Schwarzmarkthändler auf den Markt, um ihre gehorteten Lebensmittel legal an den Mann zu bringen. Die Regierung unter Ne Win bekam Angst, den freigegebenen Markt nicht mehr kontrollieren zu können und setzte deshalb am 5. September 1987 eine Währungsreform durch: Alle Banknoten, die einen Wert über 15 Kyats (ca. 2 Euro) überschritten, waren von heute auf morgen ungültig. Unruhen kamen auf, besonders die - bis dahin der Regierung wohl gesonnenen - Studenten des Landes machten ihrem Unmut Luft.

Ein Jahr gezeichnet von Chaos und Anarchie

Ein Jahr lang schwelten die Unruhen weiter, Studenten formierten sich zur Opposition, Bürger aus allen Bevölkerungsschichten schlossen sich ihnen an. Im Gegenzug versuchte die Diktatur, den Aufständischen durch provoziertes Chaos, Anarchie und Hunger Herr zu werden. Im Frühherbst 1988 entließ das Regime über 9000 Kriminelle aus den Gefängnissen, das Chaos auf den Straßen war perfekt. "Die Regierung wollte die totale Anarchie", erklärte damals die Frau des indischen Konsuls in Burma, Dari Keivom.

Aber anstelle der Studenten musste Staatsoberhaupt Ne Win wegen der anhaltenden Unruhen im Juli 1988 das Handtuch werfen. Ein erster Erfolg der Protestbewegung, die sich durch den Sturz des Präsidenten festigte. Nach Ne Wins Abzug folgten zwei weitere Regierungswechsel innerhalb der nächsten beiden Monate. Am Ende kam Wins Weggefährte, General Saw Maung, durch einen Putsch an die Macht.

Tausende Tote bei brutalem Militärschlag

Als sich die Lage zuspitzte und sich die Bevölkerung immer gezielter in Protestbewegungen formierte, schlug der General am 19. September zu. Er ließ alles niedermetzeln, was sich seiner Armee in den Weg stellte. Die Studenten und ihre Anhänger hatten mit ihren spärlichen Waffen - Schleudern, Messer, Holzspeere und Fahrradspeichen - gegen das militärische Aufgebot keine Chance. Es gab Tausende Tote, die Krankenhäuser waren überfüllt. In manchen Hospitälern ging die Schlacht sogar weiter.

Nach der blutigen Niederlage suchten viele der Aufständischen Zuflucht in Thailand. Aber die meisten von ihnen wurden sofort nach ihrer Ankunft im Nachbarstaat zurück in ihr Heimatland deportiert. Nach dieser Zwangsrückführung verschwanden viele Kämpfer spurlos.

Andere Oppositionelle, die nicht ins Ausland flüchteten, verschanzten sich zu Tausenden wieder in den entlegenen Berg- und Grenzregionen ihres Landes. Bis jetzt.

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